Ein Höhepunkt im bundesweiten Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ist die Wanderausstellung „Menschen, Bilder, Orte – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Vom 24. Oktober bis 12. Dezember 2021 ist sie kostenlos im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen. Damit endet das gemeinsame Programm der Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR), die gemeinsam die Ausstellung seit Frühjahr dieses Jahres auf Wanderschaft durch die Regionen schickten.
Bildungs- und Aufklärungsarbeit im Kampf gegen Antisemitismus
Die Ausstellung erzählt in Biografien und Bildern vom vielfältigen jüdischen Leben und von jüdischer Kultur im deutschsprachigen Raum seit der Zeit Kaiser Konstantins.
Sie widmet sich den Themen Recht und Unrecht, Leben und Miteinander, Religion und Geistesgeschichte sowie Kunst und Kultur. Über Interaktionen können die Besucher:innen jüdische Geschichte und Gegenwart als Teil der deutschen Gesamtgeschichte selbst entdecken.
Die Wanderausstellung, kuratiert vom MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln, ist eines von 24 Projekten, das die LWL-Kulturstiftung im Rahmen des Förderschwerpunktes „#2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland“ unterstützt. Zuvor war die Ausstellung zu sehen in der Alten Synagoge in Essen, im Landeshaus des LWL in Münster, im Landeshauses des LVR in Köln und im LVR-Niederrheinmuseum Wesel.
„Die Wirkkraft dieser Wanderausstellung, Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten und so dem Antisemitismus entgegenzutreten, ist durch den großen Zuspruch bestätigt worden. Das hat uns als LVR bewogen, eine Verlängerung ins Auge zu fassen und sie im nächsten Jahr nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern an Standorten in ganz Deutschland zu zeigen“, wie Milena Karabaic, LVR-Dezernentin für Kultur und Landschaftliche Kulturpflege hervorhebt.
Ausstellung macht die Spuren jüdischer Geschichte in unseren Städten sichtbar
„Hier in Dortmund, wo die größte Jüdische Gemeinde Westfalen-Lippes beheimatet ist, macht die Ausstellung die vielfältigen jüdischen Spuren in den Geschichten unserer Städte sichtbar“, so Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, LWL-Kulturdezernentin und Vorstandsmitglied der LWL-Kulturstiftung. „Gerade in dieser kulturell so unterschiedlich geprägten Region soll sie das Bewusstsein für einen friedvollen Dialog der Religionen und Kulturen schärfen.“
Ausgehend vom Dekret Kaiser Konstantins von 321 erzählt die Wanderausstellung mit einem geografischen Fokus auf das Rheinland und Westfalen die Geschichte und Geistesgeschichte des Judentums in Deutschland.
Das Gesetz Konstantins veranlasste, dass Juden reichsweit in den Provinzhauptstädten im Römischen Imperium von nun an in den Stadtrat berufen werden konnten. Die Urkunde richtet sich explizit an den Kölner Stadtrat und ist die früheste Quelle, die exemplarisch für das spätantike Köln wie für die Regionen nördlich der Alpen jüdisches Leben belegt.
Die Erzählung ist an biografischen Zeugnissen von Menschen ausgerichtet, deren Lebenswege markante Ereignisse und Epochen jüdischer Geschichte in Deutschland widerspiegeln und die Perspektive auf den europäischen Raum ausweiten. Der Fokus liegt auf der Alltagsgeschichte.
Vorgestellt werden Persönlichkeiten aus der deutschen Geschichte und Politik, etwa Moses Maimonides, Moses Mendelssohn, Heinrich Heine, Fanny Hensel, Regina Jonas, Leo Baeck, Heinrich Graetz, Louis Lewandowski, Hans Samuel, Friedrich Hollaender und Heinrich Böll.
Vier Themenkomplexe werden über begehbare Kuben vermittelt
Die Ausstellung besteht aus vier begehbaren und multimedial bespielten Kuben, die sich je einem Thema widmen. Visuelle sowie akustische Eindrücke vermitteln die Inhalte, die die Besucher:innen durch Interaktion auch selbst entdecken können.
Der erste Kubus behandelt im weitesten Sinne Recht und Unrecht, das der jüdischen Bevölkerung im Laufe der vergangenen 1700 Jahre widerfahren ist. Themen sind insbesondere das Pestpogrom von 1349, die spätmittelalterliche Ausweisung aus den Städten und die Schoa. Damit einher ging die Bildung neuer Gemeinden und die Beschränkung auf bestimmte Berufe.
Es gab aber auch historische Phasen der Gleichberechtigung, in denen Religion keine Rolle spielte. Geänderte Verfassungen, neue Rechte, Wiedereinschränkung der Rechte, aber auch die Bildung eines jüdischen Staates auf der Grundlage des Zionismus gehören in diesen Themenkomplex.
Dargestellt wird auch die Zeit nach der Schoa, ihre Aufarbeitung und Vermittlung sowie das Wiederaufleben der Gemeinden im 20. Jahrhundert und der Zuzug vieler Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion.
Leben und Miteinander, Religion und Geistesgeschichte, Kunst und Kultur
Der zweite Kubus thematisiert insbesondere das Zusammenleben von Jüdinnen und Juden sowie Christ:innen im Laufe der Jahrhunderte. Anhand von Befunden aus dem spätmittelalterlichen jüdischen Viertel in Köln werden der Alltag und das Miteinander erzählt.
Die Neuzeit wird etwa durch Abraham von Oppenheim (1804-1878), einen jüdischen Bankier und Mäzen, repräsentiert, dessen Familie den Kölner Dombau maßgeblich unterstützte. Der protestantische Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner wiederum baute die Synagoge in der Kölner Glockengasse.
Diese Verquickung jüdischer und christlicher Auftraggeber und -nehmer betont das selbstverständliche Miteinander in jener Epoche. Im Gegensatz dazu steht der Antisemitismus der heutigen Zeit, der ebenfalls in diesem Teil vorgestellt wird.
Der dritte Kubus erzählt vom 1. Jahrtausend, in dem insbesondere die Niederschrift des mündlichen Gesetzes von Bedeutung ist. Ebenso behandelt werden die jüdische Aufklärung (Haskala) und die damit hervorgehende Entwicklung neuer Strömungen im Judentum.
Ausstellung ist kostenlos bis zum 12. Dezember zu sehen
Darüber hinaus werden grundlegende Schriften mit ihrer Verwendung für verschiedene Anlässe vorgestellt, etwa der in Köln entstandene Amsterdam Machsor, die Haggada Offenbach, sowie die hier kommentierte sogenannte Mischne Tora Kaufmann. Weitere Inhalte beschäftigen sich mit der Synagogenarchitektur oder der Konversion.
Der vierte Kubus beleuchtet Kunst und Kultur mit dem Schwerpunkt auf rituellen und kulturellen Aspekten. Dabei werden die Feiertage mit ihren Riten und Symbolen erklärt, aber auch Einblicke in die Kunst, Musik und Unterhaltungskultur gegeben. Die Frage nach Begrifflichkeiten wie „jüdische Kunst“ wird aufgeworfen.
Der Bogen spannt sich mit Gemälden von Felix Nussbaum, Marc Chagall und Max Liebermann über Architekturen von Erich Mendelsohn und Gottfried Semper bis hin zur Musik von Hermann Zivi, Friedrich Hollaender, Ben Salomo und Orphaned Land.
Mithilfe der Datenbank des Leo Baeck Institute-New York/Berlin (LBI), das Nachlässe, Fotografien und Korrespondenzen sammelt und zur Verfügung stellt, werden Persönlichkeiten und deren private Erlebnisse als Zeugnisse der jüdischen Geschichte herangezogen, um auch lokal breitgefächerte Realitäten aufzuzeigen.
Weitere Informationen:
„Menschen, Bilder, Orte – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“
24. Oktober bis 12. Dezember 2021
Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Hansastr. 3, 44137 Dortmund (Studio)
Eintritt frei
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Offene Frage- und Antwortrunde in der Ausstellung im MKK (PM)
„Menschen, Bilder, Orte“ – unter diesem Titel ist im Museum für Kunst und Kulturgeschichte noch bis zum 10. Dezember die Ausstellung über 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland zu sehen. Am Donnerstag, 25. November, 18 Uhr gibt es eine Einführung in die multimediale Ausstellung mit anschließender Frage-Antwort-Runde. Der Eintritt ist frei, es gilt die 2G-Regel.
Die Ausstellung erzählt in Biografien und Bildern vom vielfältigen jüdischen Leben und von jüdischer Kultur im deutschsprachigen Raum seit der Zeit Kaiser Konstantins. Sie widmet sich den Themen Recht und Unrecht, Leben und Miteinander, Religion und Geistesgeschichte sowie Kunst und Kultur. Über Interaktionen können die Besucher:innen jüdische Geschichte und Gegenwart als Teil der deutschen Gesamtgeschichte selbst entdecken.
Vortrag im MKK über das jüdische Leben in Köln (PM)
„Menschen, Bilder, Orte“ – unter diesem Titel ist im Museum für Kunst und Kulturgeschichte noch bis zum 12. Dezember die Ausstellung über 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland zu sehen. Am Donnerstag, 2. Dezember, 19 Uhr referiert Dr. Christiane Twiehaus in der Rotunde des MKK zum jüdischen Leben in Köln. Der Eintritt ist frei, es gilt die 2G-Regel. Anmeldung unter info.mkk@stadtdo.de oder 0231-50 26028. Dr. Christiane Twiehaus leitet die Abteilung Jüdische Geschichte und Kultur im MiQua, dem derzeit entstehenden Jüdischen Museum im Archäologischen Quartier Köln des LVR.
1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland: Offene Frage- und Antwortrunde in der Ausstellung im MKK (PM)
„Menschen, Bilder, Orte“ – unter diesem Titel ist im Museum für Kunst und Kulturgeschichte noch bis zum 12. Dezember die Ausstellung über 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland zu sehen. Am Donnerstag, 9. Dezember, 18 Uhr gibt es zum letzten Mal eine Einführung in die multimediale Ausstellung mit anschließender Frage-Antwort-Runde. Der Eintritt ist frei, es gilt die 2G-Regel.
Die Ausstellung erzählt in Biografien und Bildern vom vielfältigen jüdischen Leben und von jüdischer Kultur im deutschsprachigen Raum seit der Zeit Kaiser Konstantins. Sie widmet sich den Themen Recht und Unrecht, Leben und Miteinander, Religion und Geistesgeschichte sowie Kunst und Kultur. Über Interaktionen können die Besucher:innen jüdische Geschichte und Gegenwart als Teil der deutschen Gesamtgeschichte selbst entdecken.