Alltag von Roma in der Nordstadt: IRON bietet Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben in Würde

IRON-Projekt - Roma Hausbesuch
Leben alle Roma im Müll? Ein Klischee, wie ein exemplarischer Hausbesuch in der Nordstadt zeigt. Fotos: Alex Völkel

Alltag von Roma in der Nordstadt: IRON bietet Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben in Würde

Sie hatten (fast) die identischen Probleme wie die meisten Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien. Aber sie entsprechen nicht den gängigen Klischees: Ayshe und Barbie K., zwei Schwestern – Roma aus Plovdiv in Bulgarien. Sie sind arm. Aber ihre Wohnungen in der Dortmunder Nordstadt sind piccobello sauber – die Schuhe von Familie und Gästen bleiben vor der Tür. Sie sind sehr ordentlich, kein Stäubchen ist zu sehen. Und dass, obwohl sie hier mit fünf Kindern und ihren beiden Ehemännern leben. Was unterscheidet sie von den anderen Roma in der Dortmunder Nordstadt? Ihnen konnte Gamze Çalışkan helfen.

Falsche Versprechungen lockten die Familien nach Deutschland

IRON-Projekt - Roma Hausbesuch
Gamze Çalışkan vom IRON-Projekt des Planerladens hat den Familien geholfen.

Die Mitarbeiterin des Planerladens arbeitet für das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderte Projekt „IRON“ – „Integration von Roma in der Nordstadt“. Sie hat den beiden Familien geholfen, den Kreislauf aus Elend und Verzweiflung zu durchschlagen.

Eigentlich ging es den beiden Familien in Plovdiv gut. Falsche Versprechungen lockten sie nach Deutschland – und damit zunächst ins Elend. „Ich habe nicht gewusst, wie deutsches Brot schmeckt“, sagt Barbie. Nicht weil sie es nicht probieren wollte – sie konnten es sich nicht leisten. Ihr einziger Anker vor der vollkommenen Verelendung war, dass ihre Familien aus der Heimat ihnen beim Überleben helfen konnten. „Wir haben jeden Sonntag auf die Busse aus Bulgarien gewartet, damit wir etwas zu essen hatten“, berichtet  die dreifache Mutter.

Große Verzweiflung: Keine Hilfe von Ärzten und Krankenhäusern

Im Sommer 2013 war sie verzweifelt. Denn in Gladbeck, wo die Familie zunächst bei Bekannten gestrandet war, bekamen sie keine Hilfe: Sie blitzten bei den Kinderärzten ab, in Krankenhäusern und bei der Kindergeldkasse. Niemand wollte der jungen Mutter und ihrem kleinen Baby helfen.

IRON gab Hilfe in der Not – und bei der Existenzgründung

IRON-Projekt -  Roma Hausbesuch
Gamze Çalışkan steht zum ersten Mal in den neuen Wohnungen der Familien und wird herzlich begrüßt.

In der größten Not kamen sie nach Dortmund. „Wir hatten gehört, dass es hier Hilfe gibt“, berichtet Ayshe. IRON stand ihnen bei der Beantragung zur Seite, versorgte sie mit gespendeter Kinderkleidung, half bei der Wohnungssuche. Auch Ismet A. (36), dem Mann von Barbie, konnte sie helfen. Er wollte sich selbstständig machen, um die Familie zu versorgen. Doch die deutsche Bürokratie überforderte ihn. Die Mitarbeiterin des Planerladens stand auch hier hilfreich zur Seite.

Jetzt steht Gamze Çalışkan zum ersten Mal in den neuen Wohnungen der beiden Familien. Im selben Haus haben sie Wohnungen gefunden und mit gebrauchten Möbeln eingerichtet. „Alle selbst bezahlt“, betonen sie stolz. Die Schulden, die sie dafür und für das Überleben machen mussten, haben sie in wenigen Monaten komplett abbezahlt. Auch hier stand die Mitarbeiterin des IRON-Projekts der Familie zur Seite – sie gingen gemeinsam zur Schuldnerberatung.

EU-Freizügigkeit erlaubt den Familien nun, ihr eigenes Geld zu verdienen

Der 1. Januar 2014 war für die Familie ein glücklicher Tag. Denn jetzt durften sie endlich auch in regulären Jobs arbeiten – vorher nur als Selbständige. Schwer möglich, wenn man Probleme mit Sprache und Bürokratie hat. Jetzt arbeiten Ismet und Ayshe als Reinigungskräfte. „Ich bin so glücklich, dass sie endlich eine sozialversicherungspflichtigen Arbeit haben“, sagte Barbie.

Die Arbeit ist zwar auch schlecht bezahlt – sie wären typische Aufstocker, weil das Geld nicht zum Leben reicht. Aber sie ist aber ein Anfang für ein Leben in Würde. Dank IRON sind Krankenversicherung und Kindergeld seit Monaten geklärt – die Kinder können zum Arzt und die Schule gehen. Sie besuchen Auffangklassen und lernen fleißig Deutsch.

Gesprächsangebot für Erwachsene im Jugendtreff Stollenpark

Das Jugendforum Nordstadt tagt im Jugendzentrum Stollenpark
Im Jugendzentrum Stollenpark finden auch Integrationsangebote für Erwachsene statt.

Jetzt, wo der Lebensalltag organisiert ist, will sich Barbie beim Gesprächskreis des Planerladens einbringen und selbst Deutsch lernen.

Ehrenamtliche machen im Jugendtreff Stollenpark ein Gesprächsangebot für Erwachsene, damit diese sich auch sprachlich besser integrieren können. „Wir sind sehr glücklich“ sagt Barbie und drückt Gamze Çalışkan ganz herzlich.

Das war nicht immer so. „Wir hatten alles hinter uns gelassen. Familie, Wohnung, Arbeit. Und wir mussten hier bei Null anfangen. Das waren sehr schwierige Zeiten“ räumt Barbie ein. Ihr Mann Ismet macht da (mittlerweile) einen zuversichtlicheren Eindruck: „Nein, ich habe es nicht bereut.“ Sie freuen sich auf ein neues Leben in Dortmund.

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  1. „Wir sind als Europäer hier“ – Zuwanderer aus Südosteuropa gründen Verein | Nordstadtblogger

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