Die Gesundheitsämter haben in den vergangenen Wochen am Limit gearbeitet – und teils weit darüber hinaus. Dennoch kamen die Teams landauf- und landab kaum hinterher, die Infizierten und Verdachtsfälle in Quarantäne täglich zu kontaktieren, um sich über deren Gesundheitszustand zu informieren. Dabei soll künftig die GEsundheits-Status-App „GESA“ aus dem Dortmunder IT-Unternehmen Materna helfen. Die Stadt Dortmund profitiert vom Heimspiel – als „Pilotstadt“ hat das Dortmunder Gesundheitsamt beratend bei der Entwicklung der neuen Quarantäne-App mitgewirkt – und dafür gibt es das neue System kostenlos. In den kommenden Wochen soll es – es dient ausdrücklich NICHT zur Überwachung – in den Live-Betrieb gehen.
Gesundheitsamt Dortmund musste 7.000 Quarantäne-Fälle verwalten und täglich kontaktieren
Die App hat also nichts mit der kontrovers diskutierten Corona-App der Bundesregierung zu tun. Es geht nicht um Überwachung oder Nachverfolgung (Tracking bzw Tracing) von Personen. Die Notwendigkeit von GESA macht Dr. Thomas Renken, Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes, an wenigen Zahlen deutlich.
Insgesamt 731 Corona-Fälle gab es bisher in Dortmund. 715 Patient*innen gelten als genesen. Doch rund 7.000 Menschen standen in den vergangenen drei Monaten in der Stadt für jeweils 14 Tage unter Quarantäne.
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Jede Person in Quarantäne müsste eigentlich täglich angerufen werden, um den aktuellen Status, Symptome und Temperatur abzufragen. Doch diese 84.000 Anrufe hat auch ein verhältnismäßig gut ausgestattetes Gesundheitsamt wie in Dortmund nicht bewältigt. Denn auch tausende andere Anrufe und Anfragen gingen ein. „Wir hätten uns gewünscht, dass man uns viel von dem automatisiert abnehmen könnte“, so Renken.
Wer in Quarantäne ist, kann ab kommender Woche selbstständig die Rückmeldungen via Smartphone geben. Die Angaben werden automatisiert ausgewertet. Bei Verschlechterungen wird das Gesundheitsamt informiert, so dass sich die Mitarbeiter*innen dann gezielt bei den Betroffenen melden.
Wer die App nicht nutzen will oder kann, wird weiterhin telefonisch kontaktiert. „Die Menschen können wählen“, betont die zuständige Dezernentin Birgit Zoerner. Dann pflegen die Beschäftigten die Angaben ein. Das Gesundheitsamt kann fortan auf Knopfdruck alle Informationen ziehen und die Lage bewerten.
Materna-Mitarbeiterin in Quarantäne hatte die Idee für die neue Handy-App
Bei Materna – das Unternehmen ist vor 40 Jahren als Start-Up in Dortmund entstanden und hat mittlerweile rund 1.000 Beschäftigte allein hier am Standort – war die Entwicklung eine Herzensangelegenheit, sagte Martin Wibbe, neuer Vorstandsvorsitzender von Materna. „Wir helfen gerne in der Situation, aber generell auch in anderen Quarantäne-Fällen.“ Denn die App soll Gesundheitsämter grundsätzlich bei der Bewältigung von Pandemien helfen.
Entstanden ist die Idee übrigens bei einer Mitarbeiterin von Materna, die selbst in Frankfurt in Quarantäne saß. Anfänglich wurde sie täglich kontaktiert, dann aber nicht mehr. Auf Nachfrage erfuhr sie, dass die personellen Kapazitäten nicht ausgereicht hätten. Da sei die Idee mit der App aufgekommen, verriet Rainer Feinen, Abteilungsleiter Healthcare bei Materna.
In nur acht Wochen wurde das neue System zur Marktreife geführt. Ab kommender Woche gibt es die Apps in den jeweiligen App-Stores. Doch nutzen können sie nur Menschen, die sich in behördlich angeordneter Quarantäne befinden. Sie bekommen eine Identifikationsnummer. Und auch nur diese wird – mit den jeweiligen Statusinformationen – verschlüsselt via Handy übertragen. Erst in den Ämtern wird sie dann einer Person zugeordnet – persönliche Daten werden dabei nicht übermittelt.
Dortmund bekommt das System kostenlos – andere Kommunen müssen zahlen
Die Lösung für Gesundheitsämter besteht somit aus zwei Komponenten: der eigentlichen Quarantäne-App (Q-App) namens GESA, die betroffene Patientinnen und Patienten auf ihrem Smartphone installieren, sowie einer Web-Applikation (Q-Web), mit der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsamt sämtliche Quarantäne-Fälle verwalten.
Das System geht ab der kommenden Woche in Dortmund in Betrieb. OB Ullrich Sierau war stolz und dankbar, dass ein heimisches Unternehmen diese neue App entwickelt hat. Künftig werden auch die Informationen aus der Warn-App NINA (die Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundes vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) eingespeist. Auch diese App hat Materna entwickelt. Sie beinhaltet mittlerweile ebenso aktuelle Informationen zur Ausbreitung von Covid-19 in Deutschland.
Während Dortmund vom Heimvorteil und dem Passspiel zwischen Unternehmen und Gesundheitsamt profitiert – das System gibt es ja nun kostenlos – will Materna natürlich das Angebot perspektivisch bei allen anderen Kommunen vermarkten. Der Bedarf müsste da sein: Bundesweit gibt es laut Robert-Koch-Institut rund 180.000 Corona-Infizierte.
Rechnet man bis Ende dieses Jahres mit insgesamt ca. 500.000 Fällen, werden die Gesundheitsämter ca. 2,5 Millionen Quarantäne-Fälle bis dahin betreuen und verwalten müssen. „Wir haben ein Preismodell, was sich an Größe der Kommune und dem Umfang der Nutzung orientiert. Daher ist das System für alle Kommunen attraktiv und bezahlbar“, betont Vorstandschef Wibbe.
Mehr Informationen zum Unternehmen:
- Die Materna-Gruppe (Materna Information & Communications SE) beschäftigt nach eigener Aussage aktuell weltweit mehr als 2.300 Mitarbeiter*innen und erzielte 2019 einen Umsatz von 323,8 Millionen Euro.
- Materna deckt das gesamte Leistungsspektrum eines Full-Service-Dienstleisters im Premium-Segment ab: von der Beratung über Implementierung bis zum Betrieb.
- Das Unternehmen mit Zentrale in Dortmund berät und begleitet Unternehmen und Behörden in allen Belangen der Digitalisierung und liefert nach eigenen Angaben maßgeschneiderte Technologien für eine agile, flexible und sichere IT.
- Kunden sind IT-Organisationen sowie Fachabteilungen in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung.