Menschenhandel beschreibt in Deutschland die Einschränkung der persönlichen Freiheit eines anderen Menschen durch Mittel wie Zwang, Täuschung, psychische oder physische Gewalt, um den betroffenen Menschen dadurch zum eigenen Vorteil auszubeuten. Gibt es dies auch in Dortmund? Dieser Frage ging eine Fachtagung jetzt nach.
Fragestellung: Welche Relevanz hat das Thema für Dortmund?
Ziel der Veranstaltung war es daher, eine institutionenübergreifende Relevanzeinstufung der Thematik in Dortmund zu erarbeiten, um darauf aufbauend möglichst konkrete Absprachen, Verfahrensabläufe und Ansprechpartner zu initialisieren. Durch den Austausch sollen Synergieeffekte nutzbar gemacht werden, um Betroffene zu identifizieren und bestmöglich betreuen zu können.
Heike Rabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin hat einen Überblick über das Thema, die rechtliche Einordnung und mögliche Handlungsoptionen gegeben, in der anschließenden Podiumsdiskussion haben Frank Neukirchen-Füsers, Geschäftsführer des JobCenter Dortmund, die Polizei Dortmund sowie Zolloberamtsrat Klaus Stiepelmann, Fachgebietsleiter Zoll Gelsenkirchen, Heike Tassilo vom Dortmunder Ordnungsamt, Andrea Hitzke von der Dortmunder Mitternachtsmission und- Szabolcs Sepsi vom Projekt Faire Mobilität des DGB, teilgenommen. Moderiert wurde die Diskussion von Andre Thielmann, vom Projekt – Unsichtbar – Bündnis gegen Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung, der Diakonie Wuppertal.
Strafrecht kennt zwei Zwecke: Sexuelle Ausbeutung und der Arbeitsausbeutung
Das deutsche Strafrecht kennt dabei die beiden Zwecke der sexuellen Ausbeutung und der Arbeitsausbeutung.
Internationale Konventionen fordern zuzüglich die Aufnahme weiterer Ausbeutungszwecke wie Menschenhandel zum Zwecke der Organentnahme, zum Zwecke der Ausbeutung durch Zwang zu strafbaren Handlungen (Diebstahl, Raubüberfälle, Einbrüche) oder Bettelei.
Deutschland steht dabei in einer vertraglichen, geschichtlichen und moralischen Verantwortung Betroffene von Menschenhandel zu identifizieren und sofortigen Schutz sowie Hilfsleistungen zu garantieren. Identifizierten Opfern von Menschenhandel stehen dabei gesetzliche und institutionelle Sonderregelungen zu.
Strafrechtliche Instrumente finden quasi keine Anwendung
Obwohl der Gesetzgeber der Praxis mit der Einführung des Straftatbestandes § 233 StGB im Jahre 2005 ein mächtiges strafrechtliches Instrument gegen Arbeitsausbeutung und Menschenhandel an die Hand gegeben hat, findet dieses in der gesamtdeutschen Realität nahezu keine Anwendung. So weist das Bundelagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes für 2012 lediglich elf Ermittlungsverfahren mit vierzehn potentiellen Menschenhandelsopfern im Bereich der Arbeitsausbeutung aus.
Die statistische Bedeutungslosigkeit hat mehrere Gründe, wobei neben der schweren Beweisbarkeit des Strafrechtsparagraphen und der mangelnden Anzeigen- und Aussagebereitschaft der Betroffenen wohl vor allem die Unsicherheit über die Einordnung einer Ausbeutungssituation als Menschenhandel gehört.
Der entsprechende Strafrechtsparagraph benennt unter anderem unangemessene Arbeitsverhältnisse die unter Ausnutzung einer Zwangslage herbeigeführt worden als Menschenhandel. Eine genaue Abgrenzung, etwa durch Beispiele oder Indikatoren nennt der Gesetzestext jedoch nicht und überlässt es vielmehr der Praxis eine sinnvolle Einstufung von Menschenhandelsfällen vorzunehmen.
Menschenhandel kann auch deutsche Opfer haben
Menschenhandel muss keinen Grenzübertritt beinhalten und kann daher auch deutsche Opfer hervorbringen, was im Bereich der sexuellen Ausbeutung auch oft vorkommt. Im Bereich der Arbeitsausbeutung ist die Dunkelziffer sehr groß, bei den bekannt gewordenen Fällen waren jedoch ausschließlich Menschen betroffen, deren auslandsspezifische Hilflosigkeit (Unkenntnis über Arbeitsrechte- und Normen, fehlende oder befristete Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis, fehlende Sprach- und Ortskenntnisse, Armut im Herkunftsland…) ausgenutzt wurde.
Es fehlt in Dortmund an Strukturen zur Bearbeitung des Themas
Christiane Certa Sozialplanerin im Sozialdezernat der Stadt Dortmund hat die Ergebnisse der Tagung zusammengefasst: Es hat viele neue Erkenntnisse gegeben und die Relevanz des Themas ist durchaus gegeben. Es fehlt aber an Strukturen zur Bearbeitung. Dabei muss es zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Eingriffsbehörden und Helferseite kommen.
„Wir haben in Dortmund gute Netzwerkstrukturen, auf die wir aufbauen können“, betont Certa. Der Unterstützungsbedarf der Opfer von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung variiert in jedem Einzelfall.
Vielfältige Aufgaben und Anforderungen bei Strafverfahren
Eine Unterkunft, Sozialleistungen, psychosoziale Betreuung, medizinische Versorgung, aufenthaltsrechtliche sowie arbeits- und sozialrechtliche Beratung, Migrationsberatung, kostenlose anwaltliche Unterstützung, Hilfe bei der Durchsetzung von Lohnansprüchen, Vermittlung in den Arbeitsmarkt oder Weiterbildungsmaßnahmen sowie Informationen über den Verlauf eines Strafverfahrens gegen die Täterinnen und Täter können benötigt werden.
„Für eine effektive Strafverfolgung brauchen die Behörden dazu Zeugenaussagen und Hintergrundinformationen zu den Arbeitsbedingungen. Diese sind in Kooperation mit Beratungsstellen leichter zu bekommen“, so Certa. Eine enge Kooperation zwischen unterschiedlichen staatlichen und nicht staatlichen Akteuren ist deshalb wichtig.
Rund 40 Teilnehmende der Veranstaltung in Dortmund dokumentieren die Brisanz des Themas. Eine kleine Gruppe der Teilnehmer erklärte sich bereit Strukturen zur angemessenen Bearbeitung aufzubauen und Regelungsdefizite abzubauen.