Abschied von einer Kämpferin für soziale Gerechtigkeit und Frauenrechte: Die AWO-Vorsitzende Gerda Kieninger ist tot

Gerda Kieninger war mit Leib und Seele AWO-Vorsitzende und Sozialpolitikerin. Bild: Klaus Hartmann

Dortmund verliert eine wichtige Streiterin für soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Frauenrechte: Völlig überraschend ist die langjährige AWO-Vorsitzende Gerda Kieninger und frühere SPD-Landtagsabgeordnete am Mittwoch gestorben. Kieninger hatte ein großes Herz für die Menschen und die AWO. Nun hat ihr eigenes Herz versagt. Die Evingerin wurde nur 68 Jahre alt.

17 Jahre Vorsitzendes des AWO-Unterbezirks – 22 Jahre Landtagsabgeordnete

Nach Guntram Schneider ist nun auch Gerda Kieninger gestorben - zwei schmerzliche Verluste für die SPD.
Nach Guntram Schneider ist nun auch Gerda Kieninger gestorben – zwei schmerzliche Verluste für die SPD.

Der Verlust ist für die AWO-Mitglieder und die –Belegschaft kaum fassbar, weil die die langjährige Vorsitzende völlig überraschend starb – sie war vor dem Sitzungsraum im AWO-Stadtzentrum mit Herzversagen zusammengebrochen. Alle Bemühungen von Mitarbeiter*innen und Rettungskräften blieben vergeblich.

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17 Jahre lang stand sie an der Spitze des Dortmunder AWO-Unterbezirks, war eine Streiterin für die Werte des Verbandes, sowohl mit Worten wie mit Taten.

„Ihr größtes Anliegen war in all der Zeit die Frauenförderung“, so Geschäftsführer Andreas Gora, mit dem sie die 17 Jahre zusammenarbeitete. „Sie setzte sich dafür ein, Frauen in Führungspositionen zu bringen, und da hat sie bei uns viel erreicht. Es ist auch ihr Verdienst, dass die AWO heute eine andere Betriebskultur lebt.“ Die Nachricht von ihrem Tod mache alle sehr traurig.

Gerda Kieninger: „Männer denken rein wirtschaftlich, Frauen denken nachhaltiger“

Die AWO-Gründerin Marie Juchacz diente ihr als Vorbild. Foto: Alex Völkel
Die AWO-Gründerin Marie Juchacz diente ihr als Vorbild. Foto: Alex Völkel

Für die Arbeiterwohlfahrt sei es ein Glück gewesen, dass Gerda Kieninger vor 25 Jahren Mitglied wurde und später den Vorsitz übernahm, so Gora. Immer gut informiert und stets präsent habe sie die AWO nach innen und außen geprägt. Auch über Dortmund hinaus.

Als stellvertretende Vorsitzende im Bezirksvorstand Westliches Westfalen war sie im Bilde, was zwischen Münster und dem Sauerland, zwischen Unna und Recklinghausen den Verband bewegte.

Die AWO-Gründerin Marie Juchacz diente ihr als Vorbild. „Eine Frau, die wirklich das verkörperte, was Frauenpolitik eigentlich ausmacht – auch heute noch“, hat sie in einem Interview vor gut zwei Jahren gesagt. Sie forderte die Parität in allen Gremien – auch in denen des Wohlfahrtsverbandes.

„Männer denken rein wirtschaftlich, Frauen denken nachhaltiger. Daher ist es gut, dass Männer und Frauen mitreden, um zu viel besseren Ergebnissen zu kommen. Dann fallen Entscheidungen anders“, argumentierte sie im genannten Interview.

Vielfalt bei Geschlechtern, Nationalitäten und Generationen als Anliegen

22 Jahre war sie für die SPD im Landtag. 2017 konzentrierte sie sich auf ihr Ehrenamt bei der AWO.
22 Jahre war sie für die SPD im Landtag. 2017 konzentrierte sie sich auf ihr Ehrenamt bei der AWO.

Nicht nur Geschlechter-Vielfalt wollte sie in der AWO und in der Gesellschaft sehen, auch Nationen-Vielfalt und Generationen-Vielfalt. „Niemand verlässt freiwillig sein Zuhause und begibt sich ohne Hab und Gut auf eine ungewisse Reise in die Zukunft“, schrieb sie 2015 in der Mitgliederzeitschrift AWO-Profil.

„Die, die zu uns kommen“, sollten wir „freundlich aufnehmen und dabei unterstützen, in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen“, so Kieninger.

Der Ausbau der Offenen Ganztagsbetreuung an den Grundschulen und der Bau und die Übernahme von weiteren Kindertagesstätten waren für Gerda Kieninger genauso Herzensprojekte wie die inklusive Gesellschaft, wo alle mitmachen und alle mitgenommen werden. „Alle sollen ihren Hintergrund behalten und gleichzeitig mitmachen. Das macht die Gesellschaft inklusiv, unabhängig von Herkunft, Religion, Rasse, Sprache, Orientierung“, sagte sie vor kurzer Zeit.

Ehrenamtlich tätig als Vorsitzende, verstand sie ihr Amt dennoch als Vollzeitjob – vor allem, nachdem sie sich 2017 entschloss, nach 22 Jahren im Landtag nicht mehr für ein Mandat zu kandidieren.

In den Räumen an der Klosterstraße liegt ein Kondolenzbuch aus

Im AWO-Stadtzentrum liegt ein Kondolenzbuch für Gerda Kieninger aus. Foto: Alex Völkel
Im AWO-Stadtzentrum liegt ein Kondolenzbuch für Gerda Kieninger aus. Foto: Alex Völkel

Sie nahm die vielen Einladungen der Ortsvereine an, sprach Grundsätzliches während Tagungen und Konferenzen der verschiedenen hauptamtlichen AWO-Bereiche, saß als kompetente Gesprächspartnerinnen in Talk-Runden und genoss auch Feste und Feiern, auf denen sie einfach nur Gast war. 

„Gerda Kieninger war in der Stadt ein Synonym für AWO“, sagt so dann auch Geschäftsführer Andreas Gora. „Wir werden sie vermissen, in jeder Sitzung, bei jeder Veranstaltung, bei jeder Feier.“  Der Abschied kommt völlig unerwartet: Ende Februar wollte sie sich erneut zur AWO-Vorsitzenden wählen lassen.

In der Räumen an der Klosterstraße 8-10 ist ein Kondolenzbuch ausgelegt, in das sowohl die Mitglieder und Mitarbeiter*innen einen letzten Gruß schreiben können, wie auch alle Menschen der Stadt, die das Bedürfnis haben, sich von Gerda Kieninger zu verabschieden.

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  1. SPD Unterbezirk Dortmund (Pressemitteilung)

    SPD-Unterbzirk Dortmund: Wir trauern um eine große Sozialdemokratin“

    „In tiefer Trauer und mit großer Bestürzung haben wir von dem plötzlichen und viel zu frühen Tod von Gerda Kieninger erfahren. Gerda war eine Institution in Dortmund. Sie war das Gesicht der AWO, auch über die Grenzen von Dortmund hinaus.

    Für die Dortmunder SPD war sie 22 Jahre lang direkt gewählte Landtagsabgeordnete und vertrat bis 2017 mit Nachdruck die Interessen der Menschen aus ihrem Wahlkreis in den Stadtbezirken Eving, Innenstadt-Ost und Innenstadt-Nord.

    Besonders die Gleichstellung von Frauen und der Kampf für soziale Gerechtigkeit waren für sie Herzensangelegenheiten. Bei all diesen Themen wollte sie insbesondere die Menschen mitnehmen. Sie hat die Vorstellungen ihres großen Vorbildes Marie Juchacz in die heutige Zeit getragen.

    Gerda hasste Ungerechtigkeit und hat sie bekämpft, wo immer sie ihr auch begegnete – mit großer Hartnäckigkeit, Ausdauer und Einfallsreichtum. Wir trauern mit der Familie von Gerda Kieninger. Mit ihr haben wir eine große Sozialdemokratin verloren. Sie wird uns sehr fehlen.“

  2. SPD-Landtagsfraktion NRW (Pressemitteilung)

    Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion NRW:
    „Wir trauern um eine große Sozialdemokratin“

    „Mit großer Trauer und Bestürzung haben wir von dem viel zu frühen Tode von Gerda Kieninger erfahren. Sie war von 1995 bis 2017 Mitglied der SPD-Landtagsfraktion. Dabei hat sie tiefe Spuren in der Landespolitik hinterlassen. Gerade in der Gleichstellungspolitik hat sie aus einer ganz praktischen Position heraus für die Rechte der Frauen gekämpft – in der Fraktion, aber auch darüber hinaus in den Ausschüssen und dem Plenum.

    Sie hasste Ungerechtigkeit und hat sie bekämpft, wo immer sie ihr auch begegnete – mit großer Hartnäckigkeit, Ausdauer und Einfallsreichtum. Sie war an den grundlegenden Diskussionen um das Landesgleichstellungsgesetz und auch an der Novellierung maßgeblich beteiligt. Das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat sie in ihrem politischen Leben begleitet. Sie war eine Anwältin ihres Wahlkreises, der Dortmunder Nordstadt.

    Wir trauern mit der Familie von Gerda Kieninger. Mit ihr haben wir eine große Sozialdemokratin verloren.“

  3. Stadt Dortmund (Pressemitteilung)

    Oberbürgermeister Ullrich Sierau zum Tod von Gerda Kieninger

    Bestürzt zeigt sich Oberbürgermeister Ullrich Sierau anlässlich des plötzlichen Tods von Gerda Kieninger. Die langjährige Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Unterbezirks der Dortmunder Arbeiterwohlfahrt (AWo) ist am Mittwoch im Alter von 68 Jahren gestorben.

    Ihre politische Laufbahn hatte Gerda Kieninger in der Bezirksvertretung Eving begonnen. „Das war eine gute Basis für ein außergewöhnlich intensives politisches Engagement auf der Landesebene bis hin zur Bundesebene. Gerda Kieninger war eine Expertin auf dem Gebiet der Sozialpolitik und eine engagierte Streiterin für die Gleichstellung“, so Oberbürgermeister Ullrich Sierau.

    „In zahlreichen Funktionen hat sie viel für die Stadt Dortmund und die hier lebenden Menschen geleistet. Ihr Tod ist für uns ein schmerzlicher Verlust. Sie hinterlässt eine große Lücke.“

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