Beim Geld hört bei den meisten Menschen die Freundschaft auf. Bei NPD und der Partei „Die Rechte“ ist das anders: Da fängt sie offensichtlich beim Geld gerade erst an. Bei der konstituierenden Sitzung des Rates der Stadt Dortmund zeichnet sich schon eine Gruppenbildung ab.
Freundschaftliches Miteinander der Rechtsextremen im Rat – Zusammenarbeit im Sicht
Freundschaftlich begrüßten sich Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt („Die Rechte“) und NPD-Ratsherr Axel Thieme. Gemeinsam brüteten sie – umringt von Kameras – über dem Sitzplan, wie sie es schaffen könnten, die Sitzordnung im Rat zu ändern, dass sie nebeneinander sitzen können. „Das wäre doch besser – Du hast mehr Erfahrung“, schmeichelte Borchardt dem NPD-Mann.
Äußerlich könnten sie kaum unterschiedlicher sein: Nicht altersmäßig, aber optisch – Thieme im Anzug mit Krawatte, daneben der tätowierte Borussenfront-Aktivist mit seinem Totenkopf-Gehstock. Doch Thieme und Borchardt haben inhaltlich viele Gemeinsamkeiten: So schießen sie beispielsweise gegen die Zuwanderung aus Südosteuropa.
Aber Thieme ist – wie Borchardt – auch gerne mal ein Mann der Tat: Das Amtsgericht Dortmund verurteilte Thieme Anfang Februar 2011 wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro. Am Tag vor der Kommunalwahl im August 2009, so befand das Gericht, habe er einem Neonazi-Gegner im Hauptbahnhof einen Faustschlag versetzt. Das Landgericht bestätigte das Urteil im März 2012. „SS-Siggi“, der nach eigenem Bekunden aber lieber „SA-Siggi“ genannt wird, ist sogar mehrfach vorbestraft.
Auseinandersetzungen des Wahlkampfs scheinen vergessen
Natürlich wurde die gewünschte Änderung der Sitzordnung von der Ratsmehrheit verhindert. Doch gemeinsam läuten sie damit eine nicht ausgesprochene Zusammenarbeit an. Für viele Außenstehende eine Überraschung: Denn im Wahlkampf hatten sich beide Parteien noch bekriegt – der damalige NPD-Kreisvorsitzende und Ratsmitglied Matthias Wächter war für „Die Rechte“ beinahe schon „Staatsfeind Nummer 1“.
Für Borchardt & Co. war der Kommunalwahlkampf in Dortmund auch ein innerrechter Machtkampf. „Die Rechte“ und die NPD waren vor Ort tief zerstritten. Dabei ging es nicht nur darum, dass DR und NPD um Wählerstimmen konkurrierten – und damit letztlich auch um die Gelder, die Ratsgruppen und -fraktionen zustehen. DR-Aktivisten warfen dem damaligen NPD-Kreisvorsitzenden Matthias Wächter insbesondere vor, dass er 2012 die Aufnahme einiger führender Vertreter des NWDO in die NPD verhindert habe.
Ratsmandate eröffnen neue finanzielle Möglichkeiten
Allerdings ist Wächter mittlerweile nach Mallorca „ausgewandert“, wo er in der Kneipe des früheren NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel arbeitet. Sein Ratsmandat hatte Wächter verloren, die NPD kam nur noch auf einen Sitz – mit 1.827 Stimmen erreichten sie 0,9 Prozent. „Die Rechte“ erreichte 2.101 Stimmen, was 1,0 Prozent der Stimmen entspricht.
Die zweiköpfige Gruppe im Stadtparlament eröffnete der stark verschuldeten NPD in der vergangenen Wahlperiode auch finanziell ganz neue Möglichkeiten: Die Arbeit des Duos wurde mit jährlich knapp 40 000 Euro aus städtischen Mitteln bezuschusst. Daran wollen die beiden Parteien nun offensichtlich anknüpfen. Während sie bei den ersten Anträgen und Vorlagen offensichtlich aus Prinzip gegen die anderen Parteien stimmten, enthielten sie sich bei der Entscheidung über die Höhe der Fraktionsmittel demonstrativ der Stimme.
Detlef Münch (parteilos) hatte eine Reduzierung der zu verteilenden Geldsmittel gefordert, damit – sollten sie eine Gruppe bilden – die Rechtsextremen weniger Geld bekämen. Doch damit stand er ganz allein. Wenn es ums Geld geht, arbeiten „Die Rechte“ und die NPD offensichtlich gerne zusammen. Erst das Fressen, dann die Moral? Fortsetzung folgt – in den parlamentarischen Gremien.
Übrigens: Vor und im Rathaus setzten hunderte Demokraten ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Fremdeneindlichkeit. Es blieb friedlich.
Fotoimpressionen vom Protest, den Neonazis und der Ratssitzung
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Stefan Michaelis für BlockaDO- Gemeinsam gegen Nazis
300 Demokraten und Antifaschisten setzten ein Zeichen gegen Nazis im Rat
Am heutigen Nachmittag haben ca. 300 Menschen gegen den Einzug der Parteien „Die Rechte“ und NPD in den Dortmunder Stadtrat protestiert. Die NPD saß schon in der letzten Legislaturperiode im Rat der Stadt. Neu dabei ist nun mit Siegfried Borchardt ein bekennender Nationalsozialist. Erst kürzlich antwortete er auf die Frage nach seinem Verhältnis zum Nationalsozialismus mit einem Verweis auf das 25 Punkte Programm der Rechten in Dortmund. Vorbild des Programms der Dortmunder Nazis ist das 25 Punkte Programm der NSDAP von 1920.
„Es ist unerträglich, dass die Rechten hier ihren Bezug zum Nationalsozialismus offen bekunden können und damit auch noch in Parlamente einziehen.“, so Stefan Michaelis vom BlockaDO-Bündnis.
Der Nachmittag vor dem Rathaus hat allerdings auch gezeigt: Engagierte Antifaschisten sind in Dortmund in der Überzahl. Der Arbeitskreis gegen Rechts und das BlockaDO Bündnis veranstalteten Aktionen. Von BlockaDO gab es eine T-Shirt Aktion, symbolisch wurde das Wort „BlockaDO“ vor den Eingang des Rathauses gestellt. Außerdem wurde ein Transparent an Ballons in die Luft gelassen, auf dem vorher jeder seine Botschaft gegen Nazis verewigen konnte.
Die erste Ratssitzung unter Beteiligung von Siegfried Borchardt wurde eindeutig vom Protest gegen die Nazis dominiert. Das ist aus Sicht des BlockaDO-Bündnisses sehr positiv zu bewerten. Jetzt kommt es auf die Zukunft an. Im Rat und den Bezirksvertretungen wird „Die Rechte“ keine große Rolle spielen. Die Neonazis werden ihren Fokus weiter auf Großaufmärsche und die Einschüchterung ihrer Gegner legen. „Wir müssen die Aufmärsche blockieren und den Nazis auch im Alltag das Leben schwer machen.“, so Stefan Michaelis abschließend.