Klangvokal bietet Giuseppe Verdis mitreißende „Giovanna d’Arco“ in Starbesetzung im Konzerthaus Dortmund

Klangvokal 2018 Giovanna d´Arco Foto Bülent Kirschbaum (WDR Funkhausorchester Köln Leitung Daniele Callegari)
Klangvokal 2018 Giovanna d’Arco (WDR Funkhausorchester Köln Leitung Daniele Callegari). Fotos: Bülent Kirschbaum

Von Gerd Wüsthoff

„Giovanna d’Arco“ mit Marina Rebeka als Giovanna und das gesamte Ensemble rissen das Dortmunder Publikum zu stehenden Ovationen hin. Nach jeder der Szenen brauste im Konzerthaus Beifall auf, gelegentlich auch dazwischen in kurzen Pausen. Das angekündigte Fest der schönen Stimmen war keine Übertreibung, sondern eine vorangekündigte Realität. Ein Ohrenschmaus aus italienischer Belcanto Grandezza, welcher „Bravos“ und tosenden Applaus (standing ovations), inklusive trampelnder Füße.

Stimmgewaltige Solisten und ein fantastischer Chor unter der Leitung von Daniele Callegari 

Klangvokal 2018 Giovanna d´Arco Foto Bülent Kirschbaum (v.l. Vittorio Vitelli, Jean-François Borras, Marina Rebeka)
Klangvokal 2018 Giovanna d´Arco (v.l. Vittorio Vitelli, Jean-François Borras, Marina Rebeka)

Das Opernstück, ohne die große Bühne, ließ im Konzerthaus die Bilder im Kopf entstehen.

Dazu trugen vor allem der Chor und die anderen Akteure entscheidend bei: Jean-François Borras als Carlo VII, Vittorio Vitelli als Giacomo – es ist er, der die Handlung stimmgewaltig vorantreibt, und stellt in der Oper auch den interessantesten Charakter dar: Seine Wandlung vom Vater (eine komplette Erfindung der Autoren), der um seine Tochter besorgt ist, und später zum religiösen Fanatiker und vom Aberglauben Besessenen wird, Bryan López Conzález als Delil und Baurzhan Anderzhanov als Talbot (englischer Offizier).

Der Chor, welcher am Ende der Vorstellung mit Begeisterungsrufen durch das Publikum gehrt wurde, ist der LandesJugendChor Nordrhein-Westfalen unter der Einstudierung von Christiane Zywietz-Godland, und Hermann Godland.

Das WDR Funkhausorchester Köln unter der Leitung des italienischen Maestro Daniele Callegari ließ am Sonntag-Abend virtuos die musikalischen Bilder beim Publikum entstehen. Die Gesangsstars des Abends hätten vielleicht A-cappella singen können – sie warfen sich den einen oder anderen Satz laut Libretto zu, aber die Dramatik ihres Gesanges wäre nur die Halbe Sache gewesen, denn dazu brauchte es das Orchester mit seiner vielschichtigen Klangvirtuosität.

Belcanto Oper des frühen Verdi an der habsburgischen Zensur vorbei

Klangvokal 2018 Giovanna d´Arco Foto Bülent Kirschbaum (Marina Rebeka im ersten Akt)
Klangvokal 2018 Giovanna d´Arco (Marina Rebeka im ersten Akt)

Das Libretto von Temistocle Solera für die „Befreiungsoper von Verdi beruht auf dem Trauerspiel „Die Jungfrau von Orléans“ von Friedrich Schiller und hat das Leben der Jeanne d’Arc zum Thema. Weithin bekannt ist Jeanne die Nationalheilige der Franzosen, welche während des Hundertjährigen Krieges gegen England auf einem englischen Scheiterhaufen als Hexe brennend endete.

Verdi schrieb diese Oper mit 30 ganz im Aufkommenden National-Bewusstsein des sich unter Fremdherrschaft befindlichen Italien des 19. Jahrhunderts. Verdi komponierte seine Befreiungsoper, in Dortmund in wahrhafter Gala-Besetzung, an der habsburgischen Zensur vorbei.

Besonders die Zensur der österreichisch-ungarischen Herrscher verlangte ausgesprochenes Fingerspitzen Gefühl von Autoren und Komponisten, denn allzu oft gerierten sich Liedpassagen zu Befreiungs-Lied Gassenhauern.

Der Zuschauer durchlebt, frei nach Schillers nicht ganz historisch getreuem Stück, in drei Akten das Werden und Leiden der Giovanna. Inklusive dem mittelalterlichen #MeToo-Problem – Frauen als Objekte und bitte nur am häuslichen Herd, sonst gibt es Hexenprozesse. Marina Rebeka als Giovanna brachte mit ihrer Stimme die Zerrissenheit des jungen Mädchens, die Energie der Kämpferin und Nationalheldin, wie auch die als Hexe zum Scheiterhaufen verurteilte Frau, lebthaft, mitreißend und gefühlvoll dem begeisterten Publikum zu Gehör und zum miterleben, -leiden – Wasser in den Augen inklusive.

Mitreißender Chorgesang und bildgewaltige, prächtige Orchesterfarben

Klangvokal 2018 Giovanna d´Arco Foto Bülent Kirschbaum (v.l. Marina Rebeka, Daniele Callegari)
Klangvokal 2018 Giovanna d´Arco (v.l. Marina Rebeka, Daniele Callegari)

Diese Oper von Verdi ist noch ganz im italienischen Belcanto, und lässt den späten Verdi, wie wir ihn aus „La Traviata“, „Nabucco“, „Maskenball“ oder „Aida“ kennen, noch nicht erahnen. Selbst in der Dramatik ist sie zuweilen „zu“ beschwingt.

Die ins Ohr und Herz gehenden italienischen Arien, der mitreißender Chorgesang und bildgewaltige, prächtige Orchesterfarben – das alles hat Verdi 1845 für seine Oper „Giovanna d’Arco“ aufgeboten, um packend die erfundene Geschichte von der Kämpferin Johanna von Orléans zu erzählen.

Die Sopranistin Rebeka zu hören lässt die aufmerksamen Zuhörer erleben warum sie in den großen Opernhäusern zu Hause ist – von der New Yorker Met bis zur Bayerischen Staatsoper. In der Oper „La Traviata“ löste Rebeka wahre Jubelstürme aus, wie am Sonntag im Konzerthaus Dortmund als Giovanna.

Die Oper „Giovanna d´Arco“ wird leider nicht mehr so häufig gespielt wie in ihrer Anfangszeit. Vielleicht hat sich das Publikum mehr mit dem späten Verdi und seinen gewaltigen Werken wie „Aida“ angefreundet … Die „Giovanna d´Arco“ verdiente es öfter auf die Bühne gebracht zu werden.

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