Von Gerd Wüsthoff
Deutschland hatte den Zweiten Weltkrieg begonnen und verloren. Millionen Menschen starben. Viele deutsche Städte lagen anschließend in Schutt und Asche – so auch Dortmund. Seitdem wird über Schuld und Sühne diskutiert. Doch auch auf Seiten der alliierten Sieger gab es nicht nur strahlende Gesichter. Das wurde jetzt bei einem Besuch von australischen Schülern in Dortmund deutlich. Sie waren im Rahmen der „Laurie Larmer-Versöhnungstour“ zu Gast.
Der australischer Bomberpilot Laurie Larmer sucht auch heute noch nach Versöhnung
Laurie Larmer (94), Bomberkommando-Pilot der RAAF (Royal Australian Air Force), dachte zwischen seinen Einsätzen über Deutschland an seine Familie in Melbourne. „Wie würde es sein, wenn die Japaner über Melbourne gewesen wären – sie würden vermutlich meine Mutter und Vater getötet haben.“ Dieser Gedanke verfolgte ihn sein Leben lang.
Es ließ ihn daran denken, welches Leid und Zerstörung er mit seinen Bombardierungen in deutschen Städten während des Zweiten Weltkrieges verursacht haben musste. Nach dem Krieg wurde Larmer in seiner Heimat Zivilist und erfolgreicher Geschäftsmann. Dennoch fand er keine Erlösung und sehnte sich nach einer persönlichen Versöhnung mit seinen ehemaligen Feinden.
2015 schließlich schrieb der heute 94-Jährige Larmer daher je einen Brief an die Bürgermeister der Inselgemeinden von Wangerooge, Helgoland sowie der Städte Bayreuth, Boizenburg, Hagen und Dortmund.
Der entstandene Briefwechsel von 2015 mit den BürgermeisterInnen löste in Australien und Deutschland ein große Medienecho hervor, welches auch im St. Patricks College, seiner früheren Schule in Ballarat, registriert wurde.
Der Weg der Versöhnung von Larmer mit seinen einstigen Bomben und Kriegsopfern war damit allerdings nicht beendet. „Im St. Patrick’s College berichtete Larmer über seine Einsätze und daraus resultierender Probleme damit“, erzählt Elizabeth Ryan, die stellvertretende Schulleiterin.
„Ja, Ich habe viele Deutsche, unschuldige Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder getötet. Ich dachte, ich sollte an die Städte schreiben, die ich bombardiert habe, nicht nur um mein Mitgefühl auszudrücken“, erklärte Larmer damals. „Sein Brief und seine Rede hat die Schüler des College und deren Eltern tief bewegt“, ergänzt Schulvertreter Paul Nolan.
Versöhnung ist das Thema der Reise der australischen Schüler bei ihrer Reise durch Europa
„Laurie Larmer ist unser Held. Nicht als Kriegsheld, auch wenn er für seinen Einsatz vielfach, auch mit dem Kreuz der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet wurde, sondern unser Held als Symbol für Versöhnung und Einsatz für den Frieden“, erklärt Ryan bewegt. „Sein Ziel ist es, dass diese Welt ein friedlicherer Ort werden soll.“
„Nur durch miteinander reden, sich gegenseitig kennenlernen und respektieren, kann man Frieden schaffen“, sagt Nolan. „Bei unseren Jungs löste die Rede von Larmer ein Projekt aus, an dessen Ende sie die von Larmer bombardierten Städte und Kriegsschauplätze in Europa besuchen“ berichtet Ryan.
„Ihre Motivation dafür ist, Verständigung, Versöhnung und dadurch ein friedlich Miteinander zu erreichen. Besonders wichtig in diesen weltpolitisch turbulenten Tagen.“
Diese Reise kostet jeden der mitgereisten 40 Schüler und vier BegleiterInnen 3.452 Euro. Sie wird weder durch den Staat Australien oder den Bundesstaat Victoria unterstützt. „Sie ist rein privat finanziert“, sagt Ryan und streicht damit das Engagement der Eltern heraus. Bei dem St. Patrick’s College handelt es sich um eine private Schule in der Trägerschaft des Bistum Ballarat. Dabei wird eine Schulgebühr von 4.000 Australischen Dollar fällig. Von den 1.430 Schülern leben 70 im angeschlossenen Internat.
Das aktuelle Projekt und die abschließende Europareise wurde im Rahmen des Geschichtsunterrichtes über den Ersten und Zweiten Weltkrieg entwickelt. Es war der Wunsch der Schüler nach Frieden, Begegnung und Versöhnung, die sie auf diese Reise nach Belgien, zu den Kriegsschauplätzen des Ersten Weltkrieges und in die bombardierten Städte des Zeiten Weltkrieges führt.
BotschafterInnen der Erinnerung kümmerten sich um die australischen Gäste
Nach einer Woche in Frankreich und Belgien, führte es die Australier auch für zwei Tage nach Dortmund. Denn bereits im Jahr 2015 entstand ein Briefwechsel zwischen Laurie Larmer und Oberbürgermeister Ullrich Sierau.
Der Besuch hier wurde vom Jugendring Dortmund organisiert. Denn über einen lutherischen Pfarrer in Australien kam der Kontakt zur evangelischen Kirche in Westfalen und dann zu Andreas Roshol vom Jugendring Dortmund, der sich seit vielen Jahren in der Erinnerungsarbeit engagiert.
Der Leiter der Arbeitsstelle „Zukunft braucht Erinnerung“ griff die Idee daher begeistert auf und gestaltete mit den BotschafterInnen der Erinnerung das Kurzprogramm in Dortmund.
Dabei unterstützt wurden die BotschafterInnen von der Evangelischen und Katholischen Jugend. In der Evangelischen Markus-Kirche gestalteten sie gemeinsam einen ökumenischen Gottesdienst.
Am Freitag standen ein Stadtrundgang, ein Besuch im Stadion, ein Empfang im Rathaus sowie ein Abschlussabend mit deutschen Jugendlichen im Fritz-Henßler-Haus auf dem Programm.
Empfang bei Schuldezernentin Daniela Schneckenburger im Rathaus
Im Rathaus wurden die AustralierInnen zuvor von Schuldezernentin Daniela Schneckenburger empfangen. In ihrer Begrüßungsansprache verwies Schneckenburger darauf, dass die Innenstadt von Dortmund im Zweiten Weltkrieg zu 90 Prozent zerstört wurde.
Der Wiederaufbau sei schwierig und langandauernd gewesen, machte Schneckenburger deutlich, ohne dabei anklagend zu wirken. Natürlich verwies sie auf den auslösenden Grund der Zerstörung – die deutschen Angriffskriege gegen seine europäischen Nachbarn.
Schneckenburger würdigte in ihrer Ansprache besonders den Einsatz der Jungen für Frieden und Aussöhnung, und die Erinnerung an die Bemühungen von Larmer. In der anschließenden Gesprächsrunde stellten die australischen Schüler kritische Fragen zur Deutschen Erinnerungskultur zum Zweiten, aber auch für die Schüler wichtig, der zum Ersten Weltkrieg.
Viele Opfer: Für Australier hat auch der Erste Weltkrieg eine große Bedeutung
„Der Erste Weltkrieg, dessen Ende, wird in diesem Jahr erinnert, aber wichtiger für uns Deutsche ist die Erinnerung an die Gräuel der Nazi Diktatur und den Terror während des Zweiten Weltkrieges“, beantwortet Schneckenburger eine der Fragen.
Für die australischen Schüler ist die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg wichtig, weil damals 80 Prozent der Australier, die für das Empire in den Krieg in Europa geschickt wurden, umkamen.
„Die Deutsche Erinnerungskultur betont den Wunsch nach Frieden, um sich damit gegen Rassismus zu positionieren, Fremde freundlich Willkommen zu heißen und uns besonders in Gedenken unserer Vergangenheit und Schuld weltweit für Ausgleich und Aussöhnung einzusetzen“, erklärt Schneckenburger den deutschen Ansatz. „Es ist ein Teil unserer historischen und politischen DNA.“
Reader Comments
Jürgen Märte
Ein bewegender Bericht.
Vor 100 Jahren endete der „Erste Weltkrieg“ (!1914 – 1918) der wirklich politisch motiviert war.
Der so genannte „Zweite Weltkrieg“ begann eigentlich schon im Jahr 1932 (Machtergreifung) durch Adolf Hitler ( Adolf Schicklgruber). „Nur etwa 35 Prozent der damaligen Bevölkerung“ wußten nicht und hatten wirklich keine Ahnung von den Vorgängen im „Reich“. Adolf Hitler hat einen „Vernichtungskrieg gegen so genannte Untermenschen und einen Landeroberungskrieg“ begonnen und zum Glück der nachfolgenden und jetzigen Generation verloren.
„Niemand“, der Bomben auf „Kaiserdeutschland“ und anschließend auf „Nazideutschland“ geworfen hat, muß sich für seinen Kampfeinsatz entschuldigen oder sogar schämen.
Er befolgte einen Befehl.
Und wahrscheinlich seiner inneren Einstellung gegen Unterdrückung (Diktatur).
Diese so genannte „Goodwill-Tour“ ändert aber nichts an den geschichtlichen Tatsachen. Natürlich ist es sehr traurig was geschah. Doch dieser Mann und auch die nach folgende Generation muß sich nicht bei dieser generation Entschuldigen.
Er tat seine Pflicht und folgte einen Befehl.
„Eine persönliche Schuld“ sehe ich nicht.
Peter
„“Er tat seine Pflicht und folgte einen Befehl.
„Eine persönliche Schuld“ sehe ich nicht““
Das sind genau die Sprüche die auch der KZ-Aufseher sagte. Was hätte ich denn tun sollen, die hätten mich an die Wand gestellt. Übrigens, den Bomberpiloten hätten sie wahrscheinlich nicht an die Wand gestellt.
Ich kann mir gut vorstellen, das, nachdem dem Mann bewußt wurde, das es nur um das Abschlachten von Zivilisten ging, er sich schlecht fühlt. Der Krieg war gewonnen, das Morden war unnötig!
Genauso wie die Atombomben auf Japan. Völlig unnötig!
Wahrscheinlich mit dem Gedanken:“ schaun wir mal was passiert“.
Nach Ziegen und Schweinen hatte man menschliche „Versuchskaninchen.
Gerd Wüsthoff
Die Machtergreifung war am 30. Januar 1933 … Nichts gewusst haben wollen? Jeder welcher seine Augen aufgemacht hatte, konnte es sehen was geschah.
In die Ur-Katastrophe des 20. Jhdt. sind alle Mächte sehenden Auges hinein gerannt. Kriegsschuld hatten alle – nur das Kaiserreich der Deutschen war am Ende mit seinen Alliierten geschlagen – obgleich im Osten gegen Russland siegreich (aber nur, weil die damaligen Militärs um Hindenburg und Ludendorff, den wahren Machthabern während des Krieges, einen gewissen Lenin aus der Schweiz nach Russland brachten).
Außer Frage steht, dass der Einsatz der West-Alliierten um Großbritannien gegen Hitler und seine Gefolgschaft (Täter, Mitläufer und Weg-Seher) zur Vernichtung des Nazi Regimes gottlob maßgeblich beitrug. Jedoch geht kein Krieg an einem Beteiligten spurlos vorbei – man kennt das Problem Heute unter Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder Posttraumatische Belastungsreaktion (PTBR), sie zählt zu den psychischen Erkrankungen, welche sich in verschiedensten Symptomen zeigt. Wir können sie sehen in den Bundeswehrsoldaten, welche aus ihren Einsätzen zurückkommen. Man konnte sie sehen in der Kriegsgeneration nach dem Zweiten Weltkrieg. Mental ausgebrannte Menschen. Laurie Larmers Reaktion und Aktionen, die Schlussfolgerungen der Schüler und Eltern sind aber weit wichtiger, als kurzsichtige Vorwürfe. Es geht um Frieden und ein friedliches Miteinander – ein zutiefst humanistischer Ansatz. Wenn also einer sein Problem so löst, wie Larmers, und damit diese Aktion der St. Patrick Schüler hervorruft, um so besser.
Gerd
Eine ganz tolle Sache! Noch nie habe ich sowas von alliierter Seite gehört oder gelesen. Super!
Ich habe selber ein FriedensProjekt, unpolitisch und non Profit.
Es dient der Völkerverständigung.
Dazu fahre ich mit meinem Oldtimer Gespann durch Europa um bei den Soldatenfriedhöfen einen Kranz niederzulegen.
Wegen meiner Aktion und meinem Gespann, komme ich oft ins Gespräch mit Menschen.
Vielleicht ist hier jemand an meinem Projekt interessiert.
http://www.fschjg-auf-krad.de