Die AWO in Dortmund muss das Angebot der Schulbegleitung für Kinder mit besonderem Förderbedarf einstellen. Der Grund: Die Vergütung durch die Stadt Dortmund reicht nicht mehr aus, eine tarifliche Entlohnung durch die AWO zu finanzieren. 51 Beschäftigte sind davon betroffen. Ende April wird das Angebot eingestellt, nachdem im vergangenen Sommer bereits eine Gruppe von Beschäftigten nicht mehr übernommen werden konnte.
Übergang zur Lebenshilfe als Angebot für Betroffene
Um möglichst vielen Schulbegleitungen – aber auch den Kindern, Eltern und Schulen – weiter eine kontinuierliche Betreuung zu ermöglichen, hat die AWO einen Wechsel der Schulbegleitung zur Lebenshilfe mit der Stadt vereinbart, sofern die betroffene Begleitperson einen Wechsel des Arbeitgebers wünscht. Falls dies nicht der Fall ist, muss für das betreute Kind eine andere Betreuungsperson bei einem anderen Anbieter als der AWO gefunden werden.
„Wir bedauern es, unser Angebot einstellen zu müssen“, betont Claudia Möhring, die den Arbeitsbereich der Schulbegleitung bei der AWO aufgebaut hat. „Die Kinder, die Eltern, die Schulen waren sehr zufrieden mit der Arbeit unserer AWO-SchulbegleiterInnen.“
Die AWO habe sich bemüht, auch in den Ferienzeiten die Mitarbeiter durch Fortbildungen und Praktika für ihren Einsatz vorzubereiten. „Das hat allerdings – zusammen mit dem AWO-Tarifvertrag – zu Kosten geführt, die die Stadt Dortmund nicht zahlen wollte“, erklärt AWO-Geschäftsführer Andreas Gora.
Für viele der beteiligten Kinder, aber auch Schulen ist es gut, wenn eine konstante Bezugsperson das Kind langjährig begleitet. Insofern wäre der Wechsel der Begleitung zu einem anderen Arbeitgeber die beste Lösung, da dann für Kinder und Schulen kaum Veränderungen entstünden.
Das zuständige Schulverwaltungsamt mit seiner Organisationseinheit „SchuBiDo“ hat hier eine schnelle und unbürokratische Unterstützung zugesagt, so dass alle Beteiligten hoffen, dass die Einstellung des Angebotes durch die AWO möglichst nicht die Kinder betrifft. Die Gespräche der betroffenen Schulbegleiter mit ihrem eventuellen neuen Arbeitgeber laufen derzeit noch.
Dank für das große Engagement der ehemals Langzeitarbeitslosen
„Ich bin meinen Kolleginnen und Kollegen, die wir nicht mehr weiter beschäftigen können, sehr dankbar für ihre Arbeit“ sagt Personal-Chefin Mirja Düwel. Viele der Schulbegleitungen waren vor ihrer Beschäftigung arbeitslos und haben sich mit großem Engagement auf ihre neue Aufgabe eingestellt.
„Das war für uns als AWO wichtig, dass auch Menschen aus dem Hartz IV-Bezug heraus kamen. Und diese Menschen haben gezeigt, was sie können. Aber leider fehlt die Gegenfinanzierung, wenn sie dauerhaft nach unserem Tarif bezahlt werden.“
Insgesamt sind derzeit noch 51 Mitarbeitende in der Abteilung beschäftigt. Davon sind 21 Beschäftigte in der Probezeit, elf sind befristet und 19 unbefristet beschäftigt. Wer dem Auflösungsvertrag und der Überleitung zur Lebenshilfe nicht zustimmt, dem muss zu diesem Zeitpunkt gekündigt werden.
Die Beschäftigten wurden bereits Anfang Februar informiert. Die Enttäuschung war natürlich groß – nicht zuletzt deshalb, weil die AWO gute Arbeitsbedingungen geboten hat. Anders als bei anderen Anbietern gab es hier eine durchgängige Beschäftigung – auch während der Schulferien und bei Krankheitszeiten der zu betreuenden Kinder. Dies sorgt dort mitunter für prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Betroffene: „Wir waren immer stolz darauf, bei der AWO zu sein“
„Die anderen haben immer gesagt, …,ihr habt Glück bei der AWO zu sein.’ Das war ein Qualitätsmerkmal“, berichtet Ute Cüceoglu. Sie ist eine der Betroffenen, deren Beschäftigung nun endet. „Im Gespräch mit Schulbegleitern von anderen Trägern waren wir früher immer stolz darauf, bei der AWO zu sein. Wir waren stolz darauf, dass wir von unserem Lohn leben konnten, dass wir Schulungen hatten, dass wir bei Problemen nicht allein waren.“
Das unterstreicht Claudia Möhring, die seit Anfang 2014 den Arbeitsbereich der Schulbegleitung aufgebaut hat. „Durch das Inklusionsgesetz konnten Kinder gefördert werden, die extrem viel Aufmerksamkeit brauchen. Und unser Vorschlag an das Jobcenter war es – anders als bei anderen Trägern – Langzeitarbeitslose für diese Aufgabe zu qualifizieren.“ Daher legte die AWO viel Wert auf die Qualifizierung der Beschäftigten, die anschließend zu Tarifbedingungen eingestellt wurden.
In den Schulferien – bei anderen Trägern müssen sich die Beschäftigten teilweise arbeitslos melden – fanden bei der AWO hingegen Schulungen statt. Zudem hospitierten die Schulbegleitungen in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder machten Praktika in anderen Bereichen der Eingliederungshilfe.
Mit Erfolg: Die Rückmeldungen von Eltern und Schulen waren gut: „Viele haben es gewusst, aber nicht wirklich glauben können, dass wir – die so gelobt wurden – nicht weiterbeschäftigt werden“, bedauert Ute Cüceoglu. Die 60-Jährige hat übrigens Glück gehabt: Sie hat bereits eine neue Stelle gefunden. Die meisten ihrer KollegInnen noch nicht. Für sie geht die Zitterpartie weiter.
Kommunales Arbeitsmarktprogramm wäre die Lösung gewesen
AWO-Geschäftsführer Andreas Gora bedauert, dass das erfolgreiche Projekt nicht weitergehen kann. Denn mehr Geld von Stadt und Jobcenter gab es trotz der nicht-prekären Form der Beschäftigung und hohen Qualifikation für die AWO nicht. Am Ende musste der Wohlfahrtsverband daher die Reißleine ziehen. Rund 200.000 Euro wird der Verband am Ende dennoch an Verlust eingefahren haben.
Gora bedauert, dass es auf kommunaler Ebene so wenig gelingt, ein arbeitsmarktpolitisches Programm aufzulegen, das ehemals langzeitarbeitslosen Menschen nach ihrer Qualifizierung eine längerfristige Beschäftigung anbietet. Denn auch das Jobcenter hat Mittel umgeschichtet, so dass hier ein zweites Standbein für das Projekt nahezu ganz wegbrach.
Für ihn geht die Rechnung nicht auf. Zwar spart die Stadt auf Seiten der Schulbegleitung Geld, weil sie mit knapperen Budgets auskommt. Auf der anderen Seite beantragen die prekär Beschäftigten ergänzende Leistungen, weil die Beschäftigung bei anderen Trägern schlechter bezahlt war als bei der AWO. Nun müssen die ehemaligen AWO-Beschäftigten zu schlechteren Bedingungen bei anderen Anbietern anfangen und aufstocken oder sich ganz arbeitslos melden: „Billiger wird das für die Gesellschaft, für uns alle nicht“, bedauert Gora.
Reader Comments
Anke Staar
Die folgen des Verlustes tragen Begleiter, Eltern, Schulen und insbesondere die betroffenen Kinder. Statt langjährig durch die Stadteltern geforderte Rahmenbedingung und Standard so festzulegen, sodass solide Arbeitsverhältnisse und Verlässlichkeit für Begleitern , Eltern, Schule und Kinder entstehen, wurden aufgrund fehlender Standards und stetig wachsenden Bedarf sowie den damit verbunden Kostendruck, Tür und Tor für qualitativ minderwertigere Anbieter für prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Es kling unfassbar, dass Träger wie das Beispiel AWO zeigt, die geholfen haben Langzeitarbeitslosen zu qualifizieren und eine Perspektive mit verlässlichen Arbeitsverhältnissen zu bieten, diese selbst auf geringsten Bezahlungsniveau nicht mehr halten kann, weil die Stadt Dortmund einsparen möchte. Welche Ironie, dass eben jene Stadt Programm über Programm auflegt Langzeit Arbeitslosen eine Perspektive zu bieten, nun zukünftig diese Kosten wieder tragen muss, statt eine Mindestvergütung für realistische und faire Arbeitsverhältnisse zu zahlen. Dies geht bedauerlicherweise auch zu Lasten einer qualitativen Unterstützung der betroffenen Schülerinnen und Schüler. Was das für die betroffenen Kinder heißt, scheint dabei völlig egal zu sein. Hier verlieren engagierte Menschen ihren Job und sollen diesen für noch weniger Bezahlung bei einem Anbieter machen, der sich auf diesen Preiskampf im Sozial Sektor zu Lasten der Qualität eingelassen hat. Würde es Standards und Rahmenbedingungen geben, dann müssten alle Anbieter die gleiche Mindestqualifizierung sicherstellen und damit auch verlässliche Arbeitsverhältnisse. Schlimm daran ist, dass Politik und Gewerkschaften immer noch keinen dringenden Handlungsbedarf sehen und zulassen, dass Menschen in Beschäftigung gebracht werden die einer modernen Ausbeutung gleich kommen. So werden nicht selten Begleiter nur für die anwesenden Stunden bezahlt, haben keine Lohnfortzahlung bei Krankheit von sich selbst und dem Kind und müssen gleichzeitig auf Abruf bereit stehen und machen was immer ihnen gesagt wird, da Aufgabenfelder nicht klar benannt werden und Rahmenbedingungen fehlen. Fast 900 Begleiter_innen in Dortmund und 25000 Begleiter_innen wird kommunal und landesweit immer noch die Sicherheit verweigert. langfristig ihre Beschäftigung planen zu können und langfristig Schulen und Schüler_innen die Verlässlichkeit für eine erfolgreiche, messbare Unterstützung zu machen. Ich bedauere sehr, dass die gute Arbeit der AWO so wenig honoriert wird und sehe weitere Beschäftigungen von Begleiter_innen die bei Trägern arbeiten deren Verlässlichkeit und Qualifizierung wichtig ist in Gefahr. Ich hoffe eindringlich, dass es ein großes städtisches Interesse daran gibt, solche beispielhaft guten Träger wie die AWO als guten Anbieter für Eltern zu halten und eine faire Bezahlung und Bedingungen zu schaffen.
J.Fischer
was Sie sagen ist vom „übergeordneten“ politischen Standpunkt betrachtet alles richtig – was zu kurz kommt ist die Verantwortung der AWO gegenüber Schüler und Beschäftigten. Es geht nicht und zeugt von erstaunlicher Kurzsichtigkeit, Verantwortungslosigkeit und Inkompetenz ein bestehendes Programm Mitten im Schuljahr ohne Not zu kündigen und zu glauben man könnte die Folgen auf Stadt, andere Träger und Jobcenter abschieben – hier wird sich die AWO noch wundern und zwar insbesondere dann, wenn das Arbeitsgericht nicht mitspielt
Moning
Ich teile Ihre Ansichten zum grössten Teil, halte es aber für nicht nachvollziehbar, warum die AWO gegenüber anderen Anbietern bevorzugt behandelt wird: offensichtlich kommt die AWO in den Genuss von Fördergeldern und Subventionen, die für andere Anbieter offensichtlich unzugänglich bleiben. Vielleicht ist das die Ursache oder gar der Schlüssel für gute Qualität der Schulbegleitung: finanzielle Ausstattung.
Wenn es die mit öffentlichen Geldern subventionierte AWO nicht schaffen konnte, dann frage ich mich ernsthaft, wie es andere Anbieter handhaben, bzw. ob Ihre Kritik gerechtfertigt oder Forderung nach mehr Qualität überhaupt realistisch umsetzbar ist?
Für ihre Dienstleitung bekam die AWO von der Stadt einen Stundensatz in Höhe von 23,50 EUR, schreibt der Geschäftsfüher der AWO, eine Förderung in Höhe von 140.000 EUR und machen dabei noch einen Verlust in Höhe von 200.000 EUR.
Ich frage mich, wie schaffen es andere Anbieter, hier überhaupt noch zu überleben?
Sind die Rahmenbedingungen, unter welchen die AWO agieren durfte, für andere Anbieter dieselben?
Mein erster Impuls: in dieser Branche mangelt es an Fairness und Transparenz.
J. Fischer
Niemand zwingt die AWO dazu die Schulbegleitung Mitten im Schuljahr vollständig einzustellen um damit der Stadt gegenüber ein Exempel zu statuieren und die „beleidigte Leberwurst“ zu spielen – hier gäbe es andere verträglichere Lösungen für Schüler und Beschäftigte. Zumindest die festangestellten Schulbegleiter müssen auch keinesfalls zu schlechteren Bedingungen bei anderen Trägern anfangen – sie werden umgehend Kündigungsschutzklagen und Anträge auf Weiterbeschäftigung einreichen und damit der AWO noch viel „Freude“ bereiten
Moning
Also ich finde nicht, dass man der AWO einen Vorwurf machen kann: wenn die Zahlen nicht stimmen und die Schulbegleitung aus anderen Quellen oder Unternehmensbereichen subventioniert wird, dann ist das ganze nicht mehr organisch, und es ist ablosut legitim aus betriebswirtschaflichen Gründen aus dem Bereich auszusteigen. Dass die soziale Branche unterfinanziert ist, auch das ist mir klar, das Konzept Langzeitarbeitslose in die pädagogische Arbeit einzugliedern, das ist etwas spooky!
Kann mir bitte jemand erklären, warum die Kinds und Schulbegleiter automatisch zu Lebenshilfe wecheln?
Vor einigen Jahren, als ich mich noch im Studium befand, hatte ich mich bei einigen namhaften Anbietern als Schulbegleitung beworben und sogar an einigen Bewerbungsgesprächen teilgenommen, unter anderem auch bei der Lebenshilfe. Meine Erfahrung zeigt, dass es einen Anbieter aus Bochum gab, der mir damals höhere Vergütung bezahlt hätten, der aber auch konzeptionell gut unterwegs war. Ob das auch heute so ist, kann ich leider nicht beurteilen…
Ich weiss nicht mehr, wie sie heissen, lange her…..
Auf jeden Fall, bin ich der Meinung, dass man in die Bildung und Inklusion mehr Mittel investieren muss, sonst wird man sich nicht von der Stelle bewegen, und das ist Schade
J.Fischer
AWO führt an, dass im Projekt Schulbegleitung durch Änderung der Förderungsbedingungen des Jobcenters und dem nicht ausreichenden Beitrag der Stadt Dortmund ein Finanzierungsloch von 200.000 € entstanden sei und dies dazu führe, dass das Projekt abrupt und Mitten im laufenden Schuljahr zum 30.4.2018 beendet werden müßte. Diese Aussage ist nicht nachvollziehbar !
AWO erhält von der Stadt unverändert einen Betrag von 23,50 € / Std /Schulbegleiter. Das durchschnittliche Bruttogehalt der z.Z. 51 AWO-Schulbegleiter beträgt nach AWO-Angaben 1.680 € / Monat also ca. 13 € / Std. Zusätzlich erhielt AWO vom Jobcenter Dortmund nach eigenen Angaben seit 2016 350.000 € zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen als Schulbegleiter. Aus diesen Daten kann kein großer Verlust abgeleitet werden. Weder die angeführte Lohnzahlung in den Schulferien, während derer die Schulbegleiter in anderen Einrichtungen der AWO zu einem geringeren Lohn als dort üblich arbeiten, noch die angeführten Kosten für die Aus-/Fortbildung der ehemals Arbeitslosen zu Schulbegleitern kann hierfür verantwortlich sein. Letztere bestand seit 2014 aus ca. 5 halb bis eintägigen Veranstaltungen und einem Erste-Hilfe-Kurs des Roten Kreuzes.
Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass das „Geschäftsmodell“ von AWO v.a. darauf abzielt möglichst viele Fördergelder zu kassieren und sich hieraus auch die hohe Zahl an Schulbegleitern (51) und unbefristeten Arbeitsverträgen (19) erklärt. Nachdem die Verpflichtung durch das Jobcenter die ehemals Arbeitslosen unbefristet weiter zu beschäftigen nach einiger Zeit ausläuft und gleichzeitig Versuche scheiterten von der Stadt Dortmund einen höheren Stundensatz zu erhalten, soll nun anscheinend allen Schulbegleitern kurzfristig gekündigt werden. Dabei ist zu betonen, dass die Stadt nur eine Erhöhung des für alle Träger gleichen Stundensatzes ablehnte, keinesfalls aber die Förderung an sich. Im Gegenteil: die AWO-Schulbegleiter haben bei Schulen und Eltern einen guten Ruf und würden von der Stadt bzw. ihrer zuständigen Stelle Schubido eigentlich gerne weiter eingesetzt.
Hier drängt sich der Eindruck auf, dass die AWO nach Ablehnung ihrer Forderung durch die Stadt Dortmund nun eine Art Exempel statuieren will und das Programm völlig unnötig und zu Lasten von Schülern, Eltern und Beschäftigten Mitten im laufenden Schuljahr beendet. Dabei wird beträchtliche Unruhe bei Kindern, Schulen und Eltern in Kauf genommen, die plötzlich mitten im Schuljahr ohne Betreuer dastehen und so schnell auch keine neuen bekommen – v.a. deshalb nicht, da das Überleitungsangebot der AWO in eine prekäre Beschäftigung der „Lebenshilfe“ nur von den Schulbegleitern angenommen wurde die als Aufstocker und befristet Beschäftigte noch unter der Kuratel vom Jobcenter stehen und denen Hartz4 entzogen würde wenn sie sich weigern. In allen übrigen Fällen müssen sich die Eltern völlig neu um einen Schulbegleiter bewerben – und zwar im laufenden Schuljahr.
Das gesamte Vorgehen liegt in der fachlichen, organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Eigenverantwortung der AWO und darf jetzt nicht auf dem Rücken der Schulbegleiter – dem schwächsten Glied in der Verantwortungskette – exekutiert werden. Diese sind mit der Betreuung der schwierigen, teilweise mehrfach behinderten Kinder arbeitsmäßig und psychologisch voll „ausgelastet“ und haben weder das Wissen noch den „Nerv“ sich mit diffizilen Arbeitsrechtsfragen zu befassen. AWO versucht diese Situation mit einem Gemisch aus Überredung/Druck und dem Hinweis auf übergeordnete unveränderbare politische Bedingungen auszunutzen und stellt sich dabei in der Öffentlichkeit gern als Vorkämpfer für gerechte Arbeitsbedingungen / Entlohnung dar – letztlich beruht das aber v.a. auf der konsequenten Ausnutzung von staatlichen Fördergeldern.
Das Beispiel anderer seriöser Organisation (z.B. Diakonie), bei denen ebenfalls festangestellte Schulbegleiter arbeiten – allerdings in wesentlich geringer Zahl – und die mit den von der Stadt Dortmund gezahlten Stundensätzen auskommen, zeigt, dass auch ein anderes für Schüler und Beschäftigte verträglicheres Vorgehen möglich ist. Das heißt dann aber auch, dass man nicht ohne betriebswirtschaftliche Planung unendlich immer neue Schulbegleiter einstellen kann, um damit für eine begrenzte Zeit die höchstmögliche Förderung zu kassieren und diese anschließend wie einen gebrauchten Besen in die Besenkammer von zweifelhaften Sozial-NGOs und ihren prekären Arbeitsverhältnissen abzustellen – das gehört auch zur Wahrheit der sich AWO jetzt stellen muß – noch ist es nicht zu spät und noch hat AWO Zeit zu beweisen, dass man das tut was man in der Öffentlichkeit predigt….
AWO
Nun mal langsam, J. Fischer, bevor Sie solche Behauptungen aufstellen, wäre es klug, sich vorher richtig zu informieren:
Die Stadt Dortmund finanziert die Schulbegleitung mit einem Stundensatz von 23,50 €, das ist soweit richtig.
Dieser Betrag wird aber nur zu Anwesenheitszeiten des Kindes gezahlt. Hierzu müssen vom Träger differenzierte Stundennachweise eingereicht werden.
Wenn das Kind krank ist (was bei integrativen Kindern häufiger vorkommt), der Mitarbeiter krank ist, während der Schulferien (immerhin 13 Wochen pro Jahr), an Feiertagen (11 pro Jahr), Schließtagen usw. gibt es kein Geld für die Schulbegleitung.
Ein Schulbegleiter, der mit 30 Wochenstunden ein Kind betreut, verdient bei der AWO laut Tarifvertrag 1622 € brutto pro Monat, das entspricht Arbeitgeberkosten in Höhe von 2076 € (Sozialabgaben und betriebliche Altersvorsorge).
Daraus ergibt sich ein Stundensatz von16,09 € (bei 4,3 Wochen pro Monat).
Nun muss man aber bedenken, dass ca. 35% der Jahresarbeitszeit von der Stadt nicht erstattet werden (s.o.)
Das heißt, der Träger erhält von der Stadt nicht 3031 €, sondern nur 1970 € für den Monat.
Schon hier wird deutlich, wie knapp die Finanzierung bemessen ist. Die Jahressonderzahlung für die Beschäftigten in Höhe von 90% ist an dieser Stelle noch gar nicht berücksichtigt. Sie muss komplett aus Eigenmitteln getragen werden.
Für die Umsetzung des Projektes muss zusätzlich ein Mitarbeiter eingesetzt werden, der das Projekt verwaltet und koordiniert. Hierfür gibt es von der Stadt keinen Zuschuss. Der Mitarbeiter muss ebenfalls aus Eigenmitteln finanziert werden.
Immer wieder taucht in der Diskussion der Einwurf auf, die AWO hätte ja vom Jobcenter Lohnkostenzuschüsse in Höhe von 300.000 € bekommen.
Das ist richtig, die Mittel gab es aber nicht pro Jahr sondern über einen Zeitraum von 3 Jahren.
Sie mussten zum Großteil mit den Zuschüssen der Stadt verrechnet werden.
Und genau hier liegt das Problem:
Hätte die AWO die Lohnkostenzuschüsse behalten dürfen, die übrigens jeder Arbeitgeber, der Langzeitarbeitslose beschäftigt beantragen kann, wäre es ein schönes Projekt geworden. Mit zufriedenen Mitarbeitern, Kindern und Eltern.
Und wie machen es die anderen Träger?
Ganz einfach: Viele Mitarbeiter arbeiten zu deutlich schlechteren Konditionen als bei der AWO und beziehen deshalb aufstockende Leistungen von der Stadt. Viele Beschäftige arbeiten als Honorarkräfte mit Stundensätzen unter 15 €, es werden FSJler und BFDler eingesetzt.
Unter diesen Voraussetzungen ist ein vernünftiger Qualitätsstandard, wie ihn Eltern, Kinder und nicht zuletzt auch die AWO erwarten, nicht zu realisieren.
Aus diesem Grund hat sich die AWO entschieden die Reißleine zu ziehen und unter diesen Bedingungen aus dem Projekt auszusteigen.
J.Fischer
nicht die Reißleine ziehen und den Ballon zum Absturz bringen sondern langsam die Luft raus lassen und auf ein etwas niedrigeres Anspruchsniveau sinken aber „weiterfliegen“ sollte das Ziel sein. Das heißt über 50 Schulbegleiter mit guten Verträgen können unter den skizzierten Rahmenbedingungen wahrscheinlich nicht gehalten werden – aber dafür gibt es befristete Verträge und die laufen leider aus. Für die Unbefristeten soll bis Schuljahresende mit den 23,50 € der Stadt weitergemacht werden, um so Störungen für alle Beteiligten zu vermeiden. Eine Möglichkeit wie man mit den Nicht-Anwesenheitszeiten der Schüler v.a. mit den langen Schulferien umgehen könnte wäre z.B. die Jahressonderzahlung hierfür einzusetzen, d.h. Schulbegleiter haben Ferien wie die Lehrer, werden auch bezahlt bekommen aber keine Jahressonderzahlung. usw usf etc pp
Kurz gesagt, es gibt noch viele Möglichkeiten einer intelligenten Arbeitsorganisation und Mischfinanzierung um das Erreichte der letzten 4 Jahre dauerhaft fortzuführen – „gegen die Wand fahren“ ist keine Lösung und schadet am Ende allen Beteiligten
Moning
Wenn sich die von der AWO skizzierten Abrechnungsmodalitäten für die Schulbegleitung in der Wirklichkeit genau so abspielen, dann wundert mich der Ausstieg bez.. das Aufgeben der AWO kein bisschen.
Nochmal zum Verständnis:
1. Träger bekommt sein Geld von der Stadt nur dann, wenn das Kind auch tatsächlich in der Schule erscheint, bei fortlaufenden Lohnkosten des Mitarbeiters?
Mit anderen Worten: Hat das Kind eine Woche lang Grippe gehabt,bekommt der Träger gar kein Geld, muss aber für das Kind das Personal vorhalten. Kaum vorstellbar, vor allem wenn man bedenkt, dass ein Kind auch länger ausfallen kann.
Frage:
Was passiert, wenn der Mitarbeiter erkrankt? Dass es für den Mitarbeiter Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt, das ist ausser Frage. Wie werden in so einem Fall die Personalkosten refinanziert?
Etwa gar nicht?
Was passiert eigentlich mit der Betreuung des Kindes, wenn der Mitarbeiter erkrankt? Damit die Begleitung aufrechterhalten werden kann, müsste die AWO also einen zweiten Mitarbeiter vorhalten?
Fragen über Fragen! Doch eines steht für mich fest: Bei aller Sympathie für die von J.Fischer angestossenen Polemik, halte ich den Schritt der AWO für gerechtfertigt, die Richtigkeit der Aussagen der AWO zu den Rahmenbedingungen in der Branche vorausgesetzt.
Anke Staar
Sehr geehrter Herr Fischer und sehr geehrte Frau Moning,
eigentlich wollte ich mich hierzu nicht weiter äußern, den im Kern machen Sie sich beide richtige und wichtige Gedanken dazu, auch wenn an manchen Punkten offensichtlich Informationen fehlen. Da aber Herrn Fischer sich offensichtlich auch beim WDR über mich beschwert hat und scheinbar ein ähnlich großes Interesse dran hat wie wir, dass die Beschäftigung der AWO Mitarbeiter doch irgendwie fort geführt werden sollte und die Schüler ihren vertrauten Begleiter nicht verlieren, würde ich Sie beide gerne auf die Veranstaltung der Stadteltern, SIG, LE und GLGL am 3.5.2018 am RSG Dortmund um 19 Uhr hinweisen wollen- „Handlungsrahmen Schulbegleitung in Dortmund- Wie geht es weiter?“. Hier wird die Schulverwaltung den ersten Handlungsrahmen vorstellen und kann sicherlich Fragen zur Vergabe und Beschäftigung machen. Denn 22,50 € wäre der korrekte Satz den die Stadt derzeit maximal bezahlt, lag viele Jahre deutlich darüber, doch viele Träger bekommen derzeit weniger als 18,50 € . Manche Träger zahlen tatsächlich nicht nach Tarif oder während Krankheitausfall des Kindes oder des Beschäftigten und auch nicht wenn Unterricht ausfällt oder in den Ferien etc.., der fördern keine Qualifikation etc.. So verdienen viele Vollzeitbeschäftigte gerade einmal knapp 1000 Euro brutto. Nicht die AWO zahlt zuviel oder hat mehr bekommen, sondern durch den wirtschaftlichen Druck, werden die Träger im Preis gedrückt oder unterbieten sich und geben diesen Druck an die Beschäftigen weiter, weil es leider zu wenig Mischformen gibt. Zudem hat die AWO nicht von heute auf morgen die Kündigung ausgesprochen, sondern ist schon sehr frühzeitig im vergangen Jahr auf ihre Mitarbeiter zugegangen und hat sie immer über den Verhandlungsstand mit der Stadt Dortmund informiert. Durchaus würden wir uns wünschen, dass alle Träger in die Lage versetzt werden ordentlich unbefristete, Tarifangebundene Arbeitsverträge machen zu können, doch genau diese Verantwortung liegt derzeit bei den Kommunen, die mit den Kosten aus dem BTHG alleine gelassen werden. Lohndumping mit prekären Beschäftigungen darf nicht weiter gefördert werden, dass mindert die Qualität der Begleitung der Kinder spürbar. Doch all die wichtigen Aspekte, die dabei berücksichtigt werden müssten, kann man nicht in einem kurzen Leserbrief schreiben oder in 2 Minuten Interview wiedergeben. Nicht grundlos und da dürfen Sie, Herr Fischer, sicher sein, beschäftigen wir und als Stadteltern und als SIG- NRW e.V. (Schulbegleiter Interessengemeinschaft) nun seit Jahren mit dieser Thematik und haben mit allen Betroffen (Schüler, Eltern, Begleiter, Lehrer uvm.) gemeinsam dazu einen Forderungskatalog an die Stadt Dortmund gerichtet. Auch uns liegt das Interesse der Beschäftigten ebenso am Herzen, wie insbesondere allen die betroffen Kinder wichtig sind! Denn ich berichte nicht von meiner „privaten“ Meinung, sondern von den Ergebnissen, die wir gemeinsam mit den Beteiligten im Rahmen des Projektes „Schulbegleitung mit Qualität in NRW“ erarbeitet und entwickelt haben, auf Grundlage der bestehenden Gesetze und angedachten ab 2020 ! Beste Grüße AS
J.Fischer
Dann hoffen wir mal dass all diese Handlungsrahmen, Forderungskataloge und Stuhlkreise mehr als heiße Luft für die Betroffenen produzieren….Im konkreten Fall geht es darum, dass die AWO in der öffentlichen Darstellung – auch durch Ihre Interviews – mit dem ständigen Hinweis auf übergeordnete Rahmenbedingungen geschont wird. Auch die immer gleichen unsäglichen Erfahrungsberichte mit den immer gleichen Schulbegleitern (ist langzeitarbeitslos, ungelernt, ohne jegliche Qualifikation eigentlich ein positives Auswahlkriterium um Schüler zu betreuen – was will man durch solche Berichte erreichen?!) sind in dieser Hinsicht kontraproduktiv. Auf der anderen Seite weiß AWO nämlich genau was sie macht: in der Öffentlichkeit stellt man sich bräsig als der einzig wahre Streiter für das Wohl der Arbeiter dar und hinten rum stellt man dann diesen langjährig beschäftigten kleinen Arbeitern am Gründonnerstagnachmittag die Kündigung zu, wohlwissend, dass dann schon viele in den Osterferien sind und nicht mehr rechtzeitig reagieren können bzw. eine fristgerechte Meldung beim Jobcenter unmöglich ist – so sieht‘s doch aus ! Also: Pflicht ist der AWO, Jobcenter, Stadt, Sozial-NGOs im konkreten Fall ganz genau auf die Finger zu schauen – Kür ist: Stadteltern, workshops, Forderungskataloge und der ganze sonstige Veranstaltungstralala…