Von Leopold Achilles
„Die Geschichte eines Mannes, der zur Frau wird, mehr als 350 Jahre lebt und dabei kaum altert“, auf das kann man die Geschichte von und mit „Orlando“ herunter brechen. Das Theaterstück nach Virginia Woolf wird am Sonntag, 11. Februar 2018, um 18.30 Uhr das erste Mal im Schauspielhaus Dortmund aufgeführt. Unter der Regie von Laura N. Junghanns erwarten die Zuschauer ein imposantes Bühnenbild, Live-Musik und den wohl längsten Liebesbrief der Literatur.
Geschichte von Orlando geht im Schauspielhaus weiter – Handlungsstrang führt in die Gegenwart
Im Buch „Orlando – Eine Biographie“ entwirft Virginia Woolf den Lebensweg eines Menschen, der im 16. Jahrhundert im elisabethanischen England als Mann geboren wird und im Jahr 1928, bei Erscheinen des Romans, immer noch lebt – und zwar als Frau. In diesen vierhundert Jahren verändert sich die Welt in eine industrialisierte und kapitalistische. Die Herrschenden wechseln und es kommt ein anderer Zeitgeist auf.
Orlando, die Hauptfigur, nimmt mal aktiv teil, mal lebt er oder sie sehr zurückgezogen, immer ist Orlando jedoch ein äußerst scharfer Beobachter, der sich nicht scheut den seine Meinung zu sagen.
Am Schauspielhaus Dortmund geht die Geschichte unter der Regie von Laura N. Junghans weiter. Gemeinsam mit Maria Eberhardt, Natalie Nordheimer, Dirk Baumann und aniYo kore. Letztere sind Melody und Réne. Die Band aus der Dortmunder Nordstadt die bereits seit ihrer Gründung 2010 unterwegs.
aniYo kore sorgen für die Musik: „Wir versuchen immer Neues zu finden“
Das Duo hat seinen Sound über die letzten Vier Alben von den Wurzeln des trip-hop zu einem musikalischen Ufo entwickelt und wird bei Orlando das erste Mal an einer derartigen Produktion teilhaben.
Die beiden Musiker sind beim gesamten Stück für die musikalische Untermalung zuständig und dabei gleichzeitig Teil des Arrangements, erzählen sie. „Das ist etwas neues – etwas unheimlich interessantes“ beschreiben Réne und Melody ihren Part an Orlando.
Gemeinsam mit der Regisseurin Junghans wurden Neun neue Songs der Band besonders für das Theaterstück arrangiert. AniYo kore sind während jeder Probe Teil von Orlando gewesen, erzählt Junghans. Für sie stehen, mit den Drei SchauspielerInnen, die beiden Musiker, also Fünf Darstellende, auf der Bühne.
Das Duo aus der Dortmunder Nordstadt steht während den Vorstellungen mit zwei Synthesizern, einer MPC und einer Gitarre sowie einem Bass und den eigenen zwei Stimmen auf der Bühne. Sie schaffen damit den gesamten Sound des Stücks. „Wir nehmen einen Teil des Arrangements ein“ und „Die Musik ist wie ein Uhrwerk.“ erklären die beiden Musiker.
Zuschauer erwartet ein besonderes Bühnenbild und sitzen alle unter einem Baum
Maria Eberhardt und Laura N. Junghans haben das besondere Bühnenbild für Orlando gemeinsam erarbeitet: ein aus Licht geschaffener Baum ist das Hauptobjekt des Bühnenbilds. „Es ist ein Versuch, Raum für seltsames zu schaffen“ versucht Junghanns zu erklären, was man wohl nur persönlich am eigenen Leib, bei einer der Vorstellungen erleben kann.
Aus dem Buch von Virginia Woolf geht der Baum als wichtiger Teil der Erzählung hervor, erklärt die Regisseurin. „Orlando verbringt viel Zeit unter dem Baum und Woolf baut dort Zeitsprünge ein, außerdem schreibt Orlando selbst ein Buch über einen Baum“.
Das Stück im Schauspielhaus wird, wie Junghanns erklärt, keine stringente Erzählform inne haben: „Es geht viel um Gefühl, Liebe, Poesie und um den Versuch das erfahrbar zu machen“.
100 Minuten große Metaphern, Bilder und Ruhe: „Dieser Abend könnte gut acht Stunden lang sein“
Die eigentliche Geschichte von Orlando aus dem Buch „Orlando – eine Biographie“ wird am Schauspiel Dortmund mit einem zweiten Handlungsteil ergänzt. Nämlich mit dem Briefwechsel der Virginia Woolf. Tausende Seiten mit der Feder geschrieben, weitere Hunderte auf der Schreibmaschine verfaßt. Woolf’s Freundin Vita Sackville-West spielt in diesen Briefen eine große Rolle. Die Autorin schuf mit ihrem Roman Orlando, eine Liebeserklärung an Sackville-West.
Außerdem wird es Fremdtexte in Form von Gesetzestexten geben die den Handlungsstrang in die Gegenwart spinnt. Die Stadt Orlando und das dort, im Juni 2016, begangene Attentat, die 49 getöteten Menschen werden auf einfühlsame Weise mit in das Stück eingebaut, erklären Dramaturg Dirk Baumann und Regisseurin Junghanns. „Wir haben uns gefragt was die gegenwärtige Lage ist und daraus eine Szene gebaut“.
Laura N. Junghanns erklärt:„Die Verbindung zu Orlando der Stadt und dem grausamen Attentat vom 12. Juni 2016 im Pulse Club ist, neben der Namensgleichheit, ein Symbol und gleichzeitig ein Fakt, welch Hass es immer noch gegen queere Menschen gibt – heißt, gegen Menschen, die sich in irgendeiner Form von der Heteronormativität unterscheiden. Das Stück „Orlando“ wird Themenfelder bearbeiten, welche am Schauspiel Dortmund zum ersten Mal im Mittelpunkt stehen: gender, queer-culture und Feminismus.
Utopie für das Duo von aniYo kore: Premiere von Orlando ist gleichzeitig Releasetermin
AniYo kore werden am 11. Februar nicht nur bei der Premiere auf der Bühne stehen, sondern auch einen Tonträger veröffentlichen. Neun Songs, die im Theaterstück ihren Einfluss finden, werden unter dem Namen “Wild Geese“ auf CD veröffentlicht.
„Für uns ist es eine Utopie zeitgleich mit der Premiere das Album mit der Musik zu veröffentlichen“ erzählen Melodie und Réne freudestrahlend. Einen ersten Eindruck von der CD und der Musik während des Theaterstücks vermittelt der bereits veröffentlichte Song “Now“ von aniyo kore.
„Die sensibelste Theaterarbeit die ich je gemacht habe“ – Laura N. Junghanns
„Dieser Abend könnte gut Acht Stunden lang sein“ lacht Junghanns während des Pressegesprächs. Das Buch hat viel “Ich’s“, viele Schichten, „das Stück kommt aus großen Metaphern, Bildern und viel Ruhe“ so Junghanns und schließt ab: „Für mich ist es wohl eine der sensibelste Theaterarbeiten die ich je gemacht habe“.
All diese Gefühle wird es am Sonntag, 11. Februar 2018, um 18.30 Uhr im Studio des Schauspielhauses zu erleben geben. Weitere Vorstellungen finden am 16. Februar, 11. März, 21. April, 27. April, 02. und 13. Mai, 08. und 23. Juni und am 08. und 11. Juli 2018 statt.
Mehr Informationen:
- Ein ausführliches Interview mit der Band findet sich auf dem Blog des Schauspiel Dortmund: blog.schauspieldortmund.de
- Homepage des Theaters: www.theaterdo.de
Besetzung:
- Mit: Ekkehard Freye, Marlena Keil,Friederike Tiefenbacher
- Live-Musik: aniYo kore
- Regie: Laura N. Junghanns
- Bühne: Maria Eberhardt
- Kostüme: Natalia Nordheimer
- Dramaturgie: Dirk Baumann
- Bühnenmeister: Gero Wendland
- Licht: Stefan Gimbel
- Ton: Chris Sauer
- Regieassistenz: Bjarne Gedrath
- Ausstattungsassistenz: Yaroslava Sydorenko
- Inspizienz: Ralf Kubik
- Soufflage: Ruth Ziegler
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Theater Dortmund
SpielBar mit Backstage-„Orlando“
Zur nächsten SpielBar im Schauspiel Dortmund lädt das Ensemble der „Orlando“-Produktion zu einem besonderen Abend ein: „O, Orlando – Behind the Scenes“ am kommenden Freitag, 13. April, bietet eine gesellige Talk-Show-Atmosphäre mit live-Musik von aniYo kore und Texten aus dem Roman „Orlando – Eine Biographie“.
Ekkehard Freye, Marlena Keil und Friederike Tiefenbacher geben Einblicke in die Geschichte des „wahren“ Orlando, den heimlichen Liebschaften von Virginia Woolf und der Probenarbeit zum Theaterabend „Orlando“. Die SpielBar am 13. April beginnt um 22 Uhr und bietet eine bunte Mischung aus Fakten, Gerüchten, 100% handgemachter Musik sowie einen exklusiven Einblick in den vielschichtigen Kosmos Orlandos.
Karten für 5,- Euro gibt es an der Vorverkaufskasse im Opernhaus (Platz der Alten Synagoge), unter http://www.theaterdo.de und 0231/50-27222.
Gerd Wüsthoff
Mit dem Mittwoch, 07. November 2018, ab 19.30 Uhr (Einführung), ist „Orlando“ wieder im Spielplan des Schauspielhauses Dortmund. Weitere Termine folgen. Gerd Wüsthoff