Kirchturmbesetzung: Neonazis wegen Hausfriedensbruch und Nötigung angeklagt – Ermittlungen gegen Pfarrerin eingestellt

Nach der Aktion klickten die Handschellen - aber große Strafen sind nicht zu erwarten. Foto: Tomasz Niemic
Nach der Aktion klickten die Handschellen – gegen elf Neonazis wird nun ein Verfahren eröffnet. Foto: Tomasz Niemic

13 Monate nach der Besetzung des Kirchturmes der Reinoldikirche durch Neonazis hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Pfarrerin Susanne Karmeier eingestellt. Neonazi-Ratsherr Michael Brück hatte gegen sie Anzeige wegen Körperverletzung erstattet, weil die Pfarrerin die Kirchenglocken angeschaltet hatte. Stattdessen sind die Anklageschriften gegen insgesamt elf Neonazis fertig. Acht werden wegen Nötigung und Hausfriedensbruchs angeklagt, drei weitere wegen Beihilfe. Darunter ist auch Ex-Feuerwehrchef Klaus Schäfer.

Läuten der Turmglocken als eine Notwehrhandlung gegen die rechtswidrige Besetzung

Mit der Besetzungsaktion in der Reinoldikirche gelang ihnen ein PR-Coup. Aber die Aktion hatten sie geklaut. Bild: Marcus Arndt
Mit der Besetzungsaktion gelang ein PR-Coup. Aber die Idee war geklaut. Bild: Marcus Arndt

Die Ermittlungen gegen die Pfarrerin waren in den vergangenen Monaten von verschiedenen Seiten kritisiert worden. Nun hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt und das Läuten der Turmglocken als eine Notwehrhandlung gegen die rechtswidrige Besetzung des Kirchturmes gewertet.

Zudem war Brück – er hatte Anzeige erstattet – selbst kein „Geschädigter“. Doch auch seine Kameraden, die von der Polizei mit gefesselten Händen abgeführt wurden, hatten keine Schäden vorgebracht.

„Die gesondert Verfolgten haben selbst keine Strafanzeige erstattet. Es sind keine ärztlichen Atteste eingereicht worden. Es wurden auch keine Strafanträge gestellt“, heißt es in der Einstellungsverfügung. Sie hätten zudem den Turm in „Form einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung“ betreten. Warnhinweise, dass das Betreten auf eigene Gefahr erfolge und es laut schlagende Glocken gibt, waren deutlich sichtbar, machte Staatsanwalt Henner Kruse auf Nachfrage von nordstadtblogger.de deutlich.

Zudem konnte die Pfarrerin nicht wissen, dass die Neonazis zwischenzeitlich gefesselte Hände hatten. Sie war im Kirchturm nicht anwesend. Dieser Vorwurf richtet sich daher gegen die Beamten. Das Verfahren war zwischenzeitlich eingestellt worden, wird derzeit aber erneut geprüft.

Das wichtigste Indiz für eine gefährliche Körperverletzung – die „Waffe“ – wurde nicht als solche eingestuft. Die Kirchenglocken könnten nicht als „gefährlicher Gegenstand“ gewertet werden.

Gegen insgesamt elf Neonazis wird Anklage erhoben – Michael Brück ist nicht darunter

Klaus Schäfer war auch bei der Aktion zur Kirchenbesetzung dabei. Foto. Tomasz Niemiec
Klaus Schäfer war auch bei der Aktion zur Kirchenbesetzung dabei. Foto. Tomasz Niemiec

Fertig sind hingegen die Anklagen gegen die Neonazis. Acht Neonazis werden wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung angeklagt. Genötigt wurden durch die Verbarrikadierung der Kirchturmstür die anderen BesucherInnen, die zwar Eintritt bezahlt hatten, aber den Kirchturm bzw. die Aussichtsplattform nicht betreten bzw. verlassen konnten.

Gegen drei weitere Aktivisten, die am Boden vor der Reinoldikirche Flugblätter zu der Aktion verteilten, wird wegen Beihilfe ermittelt. Unter den Angeklagten befindet sich auch Ex-Feuerwehrchef Klaus Schäfer.

Nicht angeklagt ist Michael Brück. Er hatte weder an der Besetzung selbst teilgenommen, noch war er mit Flugblättern angetroffen worden. Er hatte lediglich die Anzeige erstattet und so das Verfahren gegen die Pfarrerin in Gang gebracht.

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