Von Roland Klecker
Es gibt eine Vielzahl von Grenzen: Geografische Grenzen, wirtschaftliche Grenzen, Zollgrenzen, Grenzen von Eigentum, kulturelle Grenzen, Grenzen des guten Geschmacks. Grenzen trennen, bieten aber auch Berührungspunkte und fordern auf, sie zu überwinden.
60 teils renommierte und teils noch unbekannte FotokünstlerInnen sind dabei
So vielschichtig wie der Begriff „Grenzen“ definiert werden kann, ist auch sein Interpretationsspielraum. Und so haben unter diesem Oberthema über 60 teils renommierte, teils noch unbekannte FotokünstlerInnen ihre sehr unterschiedlichen Werke zum neuen f²-Festival für zeitgenössische Fotografie Dortmund zusammen getragen.
An acht über die Stadt verteilten Standorten werden vom 22. Juni bis 16. Juli diese über 1000 fotografische Arbeiten der Öffentlichkeit präsentiert.
Seit den Zeiten der Hertener Fototage (zuletzt 2001) hat es im Ruhrgebiet kein wirklich bedeutendes Fotospektakel mehr gegeben. Diese Lücke wollen die Veranstalter des f²-Fotofestivals schließen, der Depot e.V. – Kulturort Depot und FREELENS e.V. – Verband der Fotografinnen und Fotografen.
Es ist sicher ein starkes Vorbild, das man sich hier als Maßstab gesetzt hat. Aber schon jetzt ist abzusehen dass allein das Programm und die Anzahl der Aussteller und Exponate das neue, in biennalem Rhythmus geplante Festival auf eine Stufe stellt mit den anderen derzeit in Deutschland stattfindenden Veranstaltungen der Foto-Szene.
Neues nationales Fotografie-Highlight soll in Dortmund entstehen
Es wird sich also wohl wunderbar einreihen in die Riege der anderen bedeutenden Fotografie-Highlights wie das Umweltfotofestival Horizonte Zingst, den Oberstdorfer Fotogipfel, die Biennale für aktuelle Fotografie Mannheim-Ludwigshafen-Heidelberg, die Darmstädter Fototage oder das F-Stop-Festival Leipzig.
„Kein kleines Ziel, kein einfacher Einstieg“, wie Claudia Schwenk vom Depot e.V. betont. Warum gerade in Dortmund? „Man darf nicht unterschätzen welch intensiven Einfluss Dortmund auf die nationale und internationale Fotografie hat“, merkt Peter Lutz (Studio im Depot) an.
In der Tat, „die Fachhochschule und die TU stellen mehr Absolventen im Fachbereich Fotografie als jeder andere vergleichbare Standort in Deutschland“, so Kathryn Baingo (FREELENS e.V.).
Um dem weit gefassten Oberthema gerecht zu werden und eine möglichst grenzüberschreitende, breit gefächerte Auswahl an Ausstellern und Werken zu präsentieren wurden von der Festivalleitung namhafte Kuratoren und Agenturen im In- und Ausland aufgefordert, Fotokünstler für die Ausstellung vorzuschlagen.
Die Liste mit den TeilnehmerInnen liest sich wie ein Who’s Who der Fotoszene
Diese Vorschläge führten zu bekannten Namen. Deren Liste liest sich wie ein Who’s Who der Fotoszene wie Esther Haase, Robert Knoth, Uwe H. Martin, Cristina de Middel, Tom Nagy und Alice Smeets, die alle am 1. und 2. Juli in einem großen Vortragsprogramm über ihre Arbeiten und aktuellen Projekte berichten.
Dabei werden viele Spielarten der Fotografie bedient, so finden der Fotojouralismus und die dokumentarische Fotografie genau so ihren Platz wie Landschaftsbilder oder Stillleben.
Die 44309 Street//Art Gallery zeigt zum Beispiel die bewegende Serie „Escaping Death“. In der Reportage begleitete Felix Kleymann Syrer auf der Flucht, von Syrien bis nach Deutschland. Die Auslandsgesellschaft ist der Standort für „Home Stories“, eine Dokumentation über den Alltag von Flüchtlingen in Dortmund.
„Every Day Is Like Sunday“ lautet das Thema im Künstlerhaus. Leitmotiv ist, angelehnt an den Songtext von Morissey, die Ambivalenz zwischen Alltag und Feiertag, zwischen Normalität und Experiment, zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Fest und Langeweile.
Die multimediale Installation „Poppy – Trails of Afghan Heroin“ wird ein Höhepunkt sein
Einer der Höhepunkte des Festivals ist ganz sicher die multimediale Installation „Poppy – Trails of Afghan Heroin“.
Über zwanzig Jahre haben Robert Knoth und Antoinette de Jong die Spur des Heroins verfolgt, die auf der ehemaligen Seidenstraße von Afghanistan über Zentralasien, Russland und den Balkan nach Ostafrika, Dubai und Westeuropa führt und sich in den Straßen von London verliert.
Diese einzigartige fotografische Meisterleistung zeigt brutale Bandenkriege, tödliche Sucht, illegale Geldwäsche, skrupellose Korruption sowie käufliche Liebe gepaart mit der epidemieartigen Ausbreitung von AIDS.
„Poppy“ dokumentiert auf beeindruckende Weise die dunkle Seite der Globalisierung, die sich in den Gesichtern von Dealern, Gefangenen, Prostituierten, Süchtigen, Grenzsoldaten und Polizisten spiegelt.
Das Druckwerk brachte den Fotografen 2013 den deutschen Fotobuchpreis in Gold ein.
Insgesamt 30 Studierende zeigen 120 Arbeiten in „Die Grenzen der Fotografie“
Neben den renommierten FotokünstlerInnen wird sich aber auch in großer Zahl der Nachwuchs präsentieren: Fachhochschule und TU Dortmund schickten in einer Kooperation, der ersten ihrer Art, insgesamt 30 Studierende in „Die Grenzen der Fotografie“. Die jungen KünstlerInnen präsentieren ihre ca. 120 Werke im Dortmunder U und in der Werkhalle am Union Gewerbehof.
Die Studierenden der Folkwang Universität ließen sich auch nicht lang bitten. Das Projekt von zehn Fotografen der Essener Universität der Künste heißt „X Dualismen“ und findet seinen Platz im Projektspeicher/Export33.
Die Ausstellungen in den einzelnen Veranstaltungsräumen beginnen an mehreren Tagen hintereinander, so dass es prinzipiell möglich ist allen Eröffnungen beizuwohnen. Den Anfang macht am 22. Juni das Depot mit der Eröffnung des Festivals und der Ausstellung „Die Grenzen des Wachstums“, durch den Schirmherrn des Festivals, Oberbürgermeister Ullrich Sierau.
Workshops, Radtouren, Abschlussparty und ein Buchsalon gehören zum Rahmenprogramm
Das ganze Programm sowie eine übersichtliche Terminplanung finden sich auf der Webseite www.f2-fotofestival.de. Dort finden sich auch weitere Informationen über das umfangreiche Rahmenprogramm.
Es werden Workshops angeboten, u.a. mit Dr. Martin Mettner („Erfolg als FotografIn – Neue Wege zu mehr Anerkennung und Aufträgen“) und Kristin Dittrich („Curating Photography“). Filme, Führungen, geführte Radtouren, ein Buchsalon und eine ordentliche Abschlussparty runden das Programm des Festivals ab, das auch eine Plattform zum Austausch und Netzwerken bietet.
Die Leitung der Veranstaltung liegt in den Händen von Kathryn Baingo (FREELENS e.V.), Peter Lutz (Studio im Depot), Pascal Amos Rest (u.a. TU Dortmund) und Claudia Schenk (Depot e.V.).
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Depot Dortmund
DIE GRENZEN DES WACHSTUMS – FOTOAUSSTELLUNG IM RAHMEN VON F2_FOTOFESTIVAL
Im Jahr 1972 erschien die Studie ‚Grenzen des Wachstums‘ des Club of Rome, die zum Inbegriff für die Folgen einer zügellosen Weltwirtschaft wurde, der Ausbeutung von Umwelt und Natur, der Zerstörung von Lebensraum und der Zunahme von sozialer Ungleichheit. Die dort aufgezeigten Szenarien wurden immer wieder kontrovers diskutiert. Damals wie heute stehen Fragen um die Endlichkeit der Ressourcen, einer nachhaltigen und sozial gerechten Wirtschaft im Zentrum der Debatten. Die Ausstellung zeigt Sichtweisen aus der Fotografie, über die zunehmenden Probleme sowie als Antwort darauf neue Modelle und Lebensweisen.
KünstlerInnen:
Mandy Barker, Manuel Bauer, Stéphanie Buret, Dornith Doherty, Barbara Dombrowski, Micha Ende, Stefan Enders, Satoshi Fujiwara, André Giesemann, Peter Ginter, Alessandro Grassani, Frauke Huber, Karina Juárez, David Klammer, Kai Löffelbein, Gerd Ludwig, Uwe H. Martin, Simon Norfolk, Jorge Panchoaga, Pablo Piovano, Ewa Priester, Johannes Puch, Daniel Schulz, Claudius Schulze, Vlad Sokhin, Vladimir Wegener, Mario Wezel
Die KünstlerInnen wurden durch folgende Gastkuratoren ausgewählt:
Peter Bitzer, Lars Boering, Anja Bohnhof, Lois Lammerhuber, Kristin Dittrich, Margot Klingsporn, Peter Liedtke, Peter Lindhorst, Martina Mettner, Rolf Nobel, Ute Noll
Eröffnung: Do., 22. Juni 2017 um 19 Uhr
Ort: Kulturort Depot
Führungen durch die Ausstellung mit Peter Lutz am Fr., 7. Juli um 18 Uhr und am Sa., 8. Juli um 16 Uhr.
Eintritt frei. Vortrag des Fotografen Micha Ende am Fr., 7. Juli um 19 Uhr. Eintritt frei.