Bis zu 120 Menschen konnten im „Adlerhaus“ in der westlichen Innenstadt unterkommen. Es war die erste Einrichtung für Flüchtlinge, die die Stadt Dortmund im Herbst 2014 neben der zentralen Unterbringungseinrichtung in Lütgendortmund ans Netz brachte. So überraschend wie die Schaffung der Einrichtung war die Wahl der Betreiberin: Der Verband der Migrantenorganisationen (VMDO).
1800 Menschen haben vorübergehend im Adlerhaus gewohnt
Manche Menschen blieben nur zwei Wochen, andere sechs Monate in den Räumen der ehemaligen Abendrealschule. Insgesamt 1800 Menschen waren hier auf „Durchgangsstation“ in ein neues Leben. Die letzten 21 BewohnerInnen sind am Freitag ausgezogen – sie wurden auf vier andere Häuser verteilt.
Haupt- und Ehrenamtliche sowie UnterstützerInnen und Freunde nahmen jetzt gemeinsam Abschied. Doch nicht jedem war zum Feiern zumute: Nur vier von 18 Hauptamtlichen kommen in anderen Projekten und Einrichtungen unter – 14 werden arbeitslos. Auch für 15 Langzeitarbeitslose aus dem Programm „Soziale Teilhabe“ ist perspektivisch Schluss.
Die Ehren- und Hautamtlichen haben turbulente Zeiten erlebt – denn die Einrichtung musste binnen weniger Tage quasi von 0 auf 100 hochgefahren werden. „Wir haben aus dem Nichts einen Ort geschaffen, an dem sich die Menschen wohl gefühlt haben“, betont Dr. Ümit Kosan, Geschäftsführer des VMDO.
MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund konnten viel einbringen
Wesentlichen Anteil daran hatten auch die MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund: „Sie brachten Sprachen, Sensibilität, Empathie und das Wissen mit, wie es in einer neuen Gesellschaft ist“, berichtet Gesa Harbig.
„Keiner von uns hat geahnt, was das bedeutet, mit dieser neuen Zielgruppe zu arbeiten“, erinnert Christina Kaiser, stv. Geschäftsführerin der VMDO-Tochter gGID (Gemeinnützige Gesellschaft für interkulturelle Dienstleistungen mbH). Sie hatte in der Anfangszeit den Aufbau des Hauses sowie anschließend den Betrieb geleitet. „Uns ging es darum, ein Wir-Gefühl zu erzeugen.“ Dies sei gelungen.
Daran hatten auch die zahlreichen Ehrenamtlichen wesentlichen Anteil: Das große Interesse überhaupt zu kanalisieren, war eines der Hauptprobleme: Mehr als 2000 Menschen meldeten sich in den ersten 14 Tagen via Facebook, um dort zu helfen. Mit der Schließung des Adlerhauses geht ein neues Kapitel in der Arbeit des VMDO zu Ende.
Fast 8000 Flüchtlinge in Wohnungen: „Die Integration fängt ja jetzt erst richtig an“
Kleiderkammer, Sprachkurse und Kinderbetreuung wurden initiiert. Das Adlerhaus war für viele der später entstandenen Einrichtungen ein Vorbild. Viele Vereine, Institutionen und PolitikerInnen kamen, um sich über die erfolgreiche Arbeit zu informieren.
Nicht nur das Adlerhaus – auch viele weitere Übergangseinrichtungen in Dortmund sind in den vergangenen Monaten wieder geschlossen worden. Von den 9000 Flüchtlingen in Dortmund wohnen nur noch knapp 1300 in Übergangseinrichtungen. Der größere Teil hat mittlerweile Wohnungen gefunden. Doch die Arbeit geht weiter: „Die Integration fängt ja jetzt erst richtig an“, betont Kosan.
Wie es mit der Immobilie der ehemaligen Abendrealschule weiter geht, ist offen. Bevor 2014 die Entscheidung fiel, dort eine Übergangseinrichtung einzurichten, sollte das Areal an den Spar- und Bauverein verkauft werden. Doch das musste warten: Bis 2018 sollte hier vom VMDO die Flüchtlingseinrichtung betrieben werden. Damit ist nun vorzeitig Schluss.
Die Folgenutzung für die ehemalige Abendrealschule ist völlig offen
Doch der VMDO wie auch andere im Stadtbezirk Aktive – zum Beispiel die Urbanisten – hätten Interesse daran, das Haus weiter zu nutzen, um dann neue Impulse für die Stadtteilarbeit zu setzen.
Auch eine andere vorübergehende Nutzung wäre vorstellbar: Sollte die Notschlafstelle für obdachlose Männer an der Unionstraße an gleicher Stelle neu gebaut werden, müsste eine Übergangseinrichtung her. Im Adlerhaus könnte das unproblematisch realisiert werden – die gesamte Infrastruktur wäre bereits vorhanden.
Doch das sind nicht mehr als erste Gedankenspiele – noch gibt es keine konkreten Planungen für die Unionstraße (Nordstadtblogger berichtete). Der Ball liegt nun wieder bei der Stadt Dortmund. Die Liegenschaftsverwaltung muss sich damit nun neu beschäftigen.
Klar ist bisher nur eins: Ein Abriss wäre nicht ohne weiteres möglich: Wesentliche Teile des Gebäudes stehen unter Denkmalschutz – u.a. der Pavillon sowie auch Wandgestaltungen im Inneren der ehemaligen Abendrealschule.
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