Vor einem Jahr übernachteten hier noch mehr als 1000 Menschen im Freien. 166.000 Flüchtlinge kamen hier allein im vergangenen Jahr an. Jetzt wohnt niemand mehr hier – das Gelände der Landeserstaufnahmeeinrichtung (EAE) in Hacheney wurde faktisch zum 17. September geschlossen.
300.000 Flüchtlingen und viele schlaflose Nächte für die Verantwortlichen
Vereinzelt kommen auch heute noch Flüchtlinge an, die vom Wachdienst zur EAE an der Buschmühle verwiesen werden.
Doch auch dort hat die Stadt seit 1. Oktober nicht mehr das Sagen – das Land hat jetzt selbst die Verantwortung für die Zeltstadt an der B54 übernommen, bis auch diese zum 30. Juni 2017 geschlossen wird.
Fünf Jahre lang gab es die EAE in Hacheney: Wie viele schlaflose Nächte diese Einrichtung der Ordnungsdezernentin Diane Jägers und Ordnungsamtsleiterin Beate Siekmann bereitet hat, wissen die beiden resoluten Frauen nicht mehr.
Klar ist nur, dass sich seit dem Start im November 2011 über 300.000 Asylsuchende in der Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney gemeldet haben. Die meisten kamen im vergangenen Sommer und Herbst.
Es war eine Zeit der ständigen Überbelegung und des strukturierten Chaos. 300 Plätze und 50 Reserveplätze hatte die Einrichtung offiziell. Doch es waren – viel zu häufig – viel zu viele Menschen.
Bis zu 1500 Flüchtlinge kamen am Tag – bei einer Kapazität von 350
Mit großem Engagement, viel Sorgfalt und hoher Professionalität bewältigten Stadt, European Homecare als Betreiber der EAE sowie viele weitere HelferInnen diese Situation.
Diane Jägers erklärte nicht ganz ohne Wehmut: „Es ist schon eine enorme Leistung, dass wir hier ohne Zwischenfälle bis zu 1.500 Menschen pro Tag aufgenommen haben.“ Zum Vergleich: Heute kommen noch etwa 60 Flüchtlinge pro Tag in der Dortmunder EAE an.
Die Aufgabe einer Landeserstaufnahme besteht darin, Flüchtlinge aufzunehmen, zu registrieren und zeitnah auf verschiedene Kommunen zu verteilen. Dortmund hat zwei zwischenzeitlich EAE-Standorte im Auftrag des Landes betrieben.
Beate Siekmann erinnerte sich an die große Herausforderung, die die Aufnahme und Weiterleitung der Flüchtlinge damals für alle bedeutete. Es musste an so vieles gedacht werden, z. B. auch an Röntgengeräte zur medizinischen Betreuung.
Etwas Wehmut nach der Schließung: In die Arbeit ist viel Herzblut geflossen
„Die Beschaffung und Errichtung der Röntgencontainer waren eine ziemliche Kraftanstrengung“, so die Ordnungsamtsleiterin. Heute zeugt nur noch ein großer heller Fleck auf dem Pflaster von den Containern. Sie sind längst abgebaut, so wie die Gebäude freigezogen sind.
„Neben den großen Aufgaben, die wir damals bewältigen mussten, war die Arbeit auch spannend. Der Zusammenhalt der Mitarbeiter und Helfer war sehr stark, wir hatten einen hohen Gestaltungsspielraum, weil es ja nie zuvor so eine Situation gegeben hatte“, erzählte Siekmann und gab zu, dass viel Herzblut in die EAE Hacheney hineingeflossen ist.
Mittlerweile hat das Team von Murat Sivri – European Homecare hat beide Einrichtungen betrieben – Hacheney geräumt. Die Einrichtung ist verschwunden. Lediglich im Verwaltungsgebäude stehen noch Möbel und Computer. Sie wurden vom Land finanziert und werden künftig vom Team der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) genutzt.
Zentrale Ausländerbehörde wird Mitte Oktober nach Hacheney ziehen
Was hingegen künftig mit den Gebäuden, bzw. mit dem Grundstück passieren soll, ist noch nicht endgültig entschieden. Klar ist nur, dass ab dem 15. Oktober 2016 zunächst die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) in zwei Etappen in eines der Gebäude auf dem Grundstück zieht.
Dort werden die beiden Büroetagen sowie das Untergeschoss, wo früher die Registrierung stattfand, für die ZAB genutzt. 45 städtische Bedienstete werden hier künftig arbeiten.
Sie ziehen aus dem Stadthaus-Komplex am Friedensplatz aus. Der frei werdende Platz wird dringend für die Kommunale Ausländerbehörde benötigt, die aus allen Nähten platzt. Dort arbeiten teilweise drei beschäftigte in einem Raum – und das noch bei Besucherverkehr.
25 Jahre Erfahrung und hohe Expertise: Dortmund kämpft für den ZAB-Erhalt
Diane Jägers ist noch zuversichtlich, das Land doch noch überzeugen zu können, die ZAB in Dortmund zu belassen. Sie soll am 31. Dezember 2017 ihren Betrieb einstellen. Die Stadt – ebenso wie auch große Teile der Kommunalpolitik – fordern allerdings den Erhalt der ZAB in Dortmund.
„Wir würden sie gerne weiter betreiben. Wir haben 25 Jahre Erfahrung und eine hohe Expertise. Es ist schwer zu vermitteln, warum wir sie nicht weiter betreiben dürfen“, hatte Jägers jüngst im Verwaltungsvorstand deutlich gemacht.
Bisher steht die Entscheidung des Innenministeriums, nur noch da eine ZAB zu haben, wo auch eine EAE ist. Das ist ein Novum: Jahrelang gab es in Dortmund und Köln Zentrale Ausländerbehörden, ohne dass es dort eine Erstaufnahme gab.
„Die Entscheidung leuchtet uns fachlich nicht ein“, erneuerte Jägers ihre Kritik. Doch vielleicht ist dazu noch nicht das letzte Wort gesprochen. Denn die Kritik kommt von allen Seiten – unter anderem von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Hacheney wird wohl doch nicht für die Unterbringung von Flüchtlingen benötigt
Die Beschäftigten der ZAB müssen sich allerdings keine Sorgen um ihre Zukunft machen. Ihre Expertise ist sehr gefragt. Sollte die Dortmunder Einrichtung wirklich abgewickelt werden, könnten sie mit Sicherheit am möglichen neuen Standort in Unna-Massen oder in Bochum arbeiten. Aber auch in der kommunalen Ausländerbehörde würden sie mit Kusshand genommen, hatte OB Ullrich Sierau mehrfach deutlich gemacht.
Wie es auf dem Gelände in Hacheney weiter geht, ist noch nicht entschieden. Die Überlegung, die mittlerweile freigezogenen Gebäude vorübergehend zur Unterbringungen von kommunal zugewiesenen Flüchtlingen zu nutzen, ist nicht mehr aktuell. Denn der Bedarf an Plätzen ist deutlich zurückgegangen.
Selbst nach der Abwicklung von Übergangseinrichtungen wie den Traglufthallen ist der Druck nicht mehr so groß. Und daher macht die Stadt bei der Unterbringung von Flüchtlingen keine Kompromisse mehr. Sie will nur noch Häuser mit der Möglichkeit der Selbstversorgung eröffnen.
Doch dafür müssten erst Küchen und Waschküchen in die Gebäude eingebaut werden, um sie vielleicht noch ein Jahr zu nutzen. Das rechnet sich nicht. Das letzte Wort dazu ist noch nicht gesprochen. Allerdings liegt das nicht in der Zuständigkeit des Dezernates von Diane Jägers, sondern von Sozialdezernentin Birgit Zoerner.
Perspektive: Abriss aller Gebäude und Ausweisung als Bauland
Perspektivisch will die Stadt das Areal als Bauland für Ein- und Zwei-Familien-Häuser ausweisen.„Wir sind eine wachsende Stadt und haben Bedarf an Wohnbauflächen“, verdeutlichte OB Ullrich Sierau bereits vor einigen Wochen.
„Wir decken ihn peu à peu.“ Die Baugebiete Erdbeerfeld, Hohenbuschei und Phoenixsee seien weitestgehend zugelaufen.
„Wir haben schon Bedarf an weiteren Flächen. Da bietet sich Hacheney an. Doch das konnte planungsrechtlich bisher nicht vorbereitet werden“, so Sierau. Das soll sich im kommenden Jahr ändern. Darüber wird dann der Rat entscheiden.
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Stadt DO
Bürgerinfoveranstaltung zu städtebaulichen und verkehrlichen Entwicklungen in Hacheney
Mit verschiedenen Stadtentwicklungsprojekten, wie alte Feuerwache Hörde mit Standort für die Leichtathletik, Zeche Crone und die Nachnutzung der bisherigen Erstaufnahmeeinrichtung (EAE), stehen im Stadtteil Dortmund-Hacheney umfangreiche Entwicklungen an.
Aus diesem Grund laden Oberbürgermeister Ullrich Sierau und Bezirksbürgermeister Sascha Hillgeris gemeinsam mit der Planungsverwaltung der Stadt Dortmund alle interessierten Bürgerinnen und Bürger am Donnerstag, 9. Februar 2017, um 19 Uhr zu einer Bürgerinformationsveranstaltung in die Aula des Goethe-Gymnasiums, Stettiner Straße 12, in Dortmund-Hörde ein, um sich über die aktuellen Planungsstände zu informieren.