Von Claus Stille
Die Wenigsten von uns dürften nachvollziehen können, wie sich Fremdenhass auf der eignen Haut anfühlt. Die afrodeutsche TV-Moderatorin Mo (Monika) Asumang musste diese schreckliche Erfahrung machen.
„Die Kugel ist für dich, Mo Asumang. Die Kugel ist für dich.“
Einmal in einem ARD-Fernsehstudio teil man ihr mit: „Wir haben hier eine Morddrohung gegen Sie.“ Im dem den Fernsehleuten von einem Informanten zugespielten Song einer Neonazi-Band wird folgender Text gegrölt: „Die Kugel ist für dich, Mo Asumang. Die Kugel ist für dich.“
Asumang fühlt, wie ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Sie verfällt damals in Regungslosigkeit. Angst breitet sich in ihr aus. Alle ihre Sinne schalten auf Alarmbereitschaft. Der Sänger der Band, erfährt sie, beging in ihrem Kiez einst eine schwere Körperverletzung. Mit mulmigem Gefühl fährt sie mit ihrem Auto an diesem Abend nachhause.
Körperliche Angriffe durch Rassisten in ihrer Geburtsstadt Kassel
Nicht das erste Mal, das Mo Asumang mit Rassismus in Berührung kommt. Die Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers führte in ihrer Geburtsstadt Kassel den Job einer Fahrgastbefragerin durch.
Damals packte sie, nachdem er sie angepöbelt hatte, ein großer Kerl an der Kehle und hob sie in die Luft und würgte sie. Keiner der Fahrgäste sagte auch nur einen Mux oder griff gar ein.
Und als sie während der Studienzeit in Berlin mit Taxifahren Geld verdient, gerät sie an einen Mann, der in den Osten – ein Waldgebiet – gefahren werden will und unterwegs aggressiv wird: „Ihr seid zu viele hier. Ich müsst alle wieder gehen.“
Sie versucht sich zu verteidigen, denkt bei sich: Immerhin bin ich hier geboren! Und der kommt ja aus dem Osten.“ Am Ende würgt sie der Mann als sie ihn an die Luft setzen will. Knallt ihren Kopf auf die Karosserie des Taxis …
Wie einen dieser Rassismus schwächt und das Selbstbewusstsein nimmt
Einen harten Einstieg hatte Mo Asumang da für ihre Lesung in der Auslandsgesellschaft NRW in Dortmund gewählt. Das Publikum hält die Luft an.
Das aber müsse raus, verarbeitet und gesagt werden, so Mo Asumang. Weshalb sie das Buch „Mo und die Arier – Allein unter Rassisten und Neonazis“ geschrieben hat.
Sie hat erlebt, wie einen dieser Rassismus schwächt und das Selbstbewusstsein nimmt. Gerade „das Diffuse“ mache einen noch mehr Angst.
Bis sich Asumang schließlich sagt: „Ich muss aus diesem Diffusen raus!“ Sie habe sich damals sogar mehrfach dabei ertappt, wie sie in in den Kofferraum ihres Wagens schaute, ob da nicht ein Nazi drin läge.
Inzwischen kann sich Mo Asumang auch in Flüchtlinge, etwa aus Syrien, hineinversetzen. Die kämen ja nicht hier her, um anderen etwas wegzunehmen, sondern um nach Kriegserlebnissen endlich auch wieder etwas zu geben.
Die AfD tritt als Angstmacher und Einpeitscher ein
Freilich lasse aber momentan nicht nur die AfD den Eindruck entstehen bzw. nutze die Ängste von bestimmten Deutschen (nicht selten auch denen mit Migrationshintergrund), um zu suggerieren, die Flüchtlinge nähmen ihnen etwas weg. Das sagt die Autorin auf Fragen aus dem Publikum.
Die AfD suche geradezu die Ängstlichen, wie ja einmal Frauke Petry gesagt habe. Mo Asumang: „Sie halten sie in der Angst gefangen.“ Und sie hat ein erhellendes Beispiel: Ein Kind rufe nach der Mami und sage, da sei ein Monster unterm Bett. Die AfD würde antworten: „Da sind drei.“
Man erinnert sich: Mo Asumang wurde 1996 Deutschlands erste afrodeutsche TV-Moderatorin („Liebe Sünde“). Dass sie sage, sie sei Deutsche sei noch gar nicht solange her, bekennt sie. Das kennen wohl viele Menschen mit Migrationshintergrund, weiß sie. Als sie Vierzig war habe ihr Vater ein wenig spät gesagt: „Du musst dich überhaupt gar nicht entscheiden, wer du bist. Du kannst beides sein. Du bist dadurch Brückenbauer.“
Trotz rassistischer Anfeindungen: Humorvoll, klug mutig und tough
Bei ihrem Auftritt in Dortmund merkt man schon bald: Mo Asumang hat trotz rassistischer Anfeindungen und selbst nach gefährlichen physischen Angriffen ihren Humor nicht verloren. Sie ist eine kluge und toughe Zeitgenossin.
Aber bis sie offensiv und mutig gegen Rassismus angehen konnte, musste viel Zeit vergehen. Schließlich wagt sie ein spektakuläres und einzigartiges journalistisches Experiment.
Mutig und entschlossen sucht sie die offene Konfrontation mit rechten Hasspredigern – unter 3000 Neonazis auf dem Alex, bei einem rechten Star-Anwalt, in einem Brandenburger Gefängnis, unter braunen Esoterikern, auf einer Neonazi-Dating-Plattform, ja sogar bei Anhängern des Ku-Klux-Klan in den USA.
Sie begegnet Menschen, die sie hassen – und entlarvt sie dadurch. In Gera trotzt sie 750 Neonazis, die teilweise gewalttätig sind. Sogar ihrem Kameramann wird die Kamera ins Gesicht stoßen.
Nazis leben in Parallelwelten. Ein Vorwurf, den Nazis Migranten stets machten
Sie erfährt, Nazis entsprechen nicht unbedingt dem Bild, was man gemeinhin von ihnen hat. Vor allem wenn man nicht in der Gruppe mit ihnen zu tun hat. Da sei doch tatsächlich einer der Neonazis zu ihr gekommen, um mit ihr ein Selfie zu machen! Wahrscheinlich, Asumang, habe bislang niemand von denen zuvor mit einer Schwarzen gesprochen.
Mo Asumang meint, Nazis leben in Parallelwelten. Ein Vorwurf, den Nazis Migranten stets machten. Das Diffuse bekam, in dem sie sich den Rechten stellte, für Mo Asumang allmählich Konturen. „Von da an ging es mir besser.“ Und sie hat festgestellt: „Die Nazis sind eigentlich ein ganz buntes Völkchen.“ Und ganz unterschiedlich.
Dass sei ihr nicht nur durch die Begegnung mit dem Rechtsanwalt Jürgen Rieger aufgefallen. Es gebe eben Stars wie den und „mitdackelnde Mitläufer“. Ein Neonazi-Aussteiger – heute befreundet mit Mo Asumang – habe letztere als „Kanonenfutter“ bezeichnet. Aber es gebe halt auch immer mehr „die Schlägertrupps“, bestimmte Aufträge exekutierten.
Für den Grimme-Preis nominierte Filme und ein interessantes Buch
Asumang hat als Filmemacherin für Furore gesorgt. „Roots Germania“ und „Die Arier“ wurden beide für den Grimme-Preis nominiert. Sie arbeitet als Dozentin und Schauspielerin.
Zu ihrem Buch sagt sie: „Manche würden, was ich erfahren habe, Rassismus nennen, manche sagen Fremdenfeindlichkeit, und das wird es immer geben, viele erkennen es wieder als eine Form des Mobbing. Doch egal, wie man dazu sagt, es wird verübt von Menschen, die einen aus den unterschiedlichsten Beweggründen heraus klein machen, die einem das Selbstbewusstsein rauben wollen oder sogar das Leben“, so Asumang.
„Aber es gibt Gegenmittel. Die Beobachtungen, die der Leser in meinem Buch machen kann, sollen zeigen, wie man langsam lernt, die Kampfstrategien der Rassisten umzudrehen, ohne jedoch selbst diesem Hass zu verfallen.“
„Warum bist du eigentlich Nazi?“
Wie könne man dem Rassismus dem Abdriften nach Rechts begegnen, fragt jemand aus dem Publikum. Gut seien Gesellschaften, in den viel gestritten werde, antwortet Asumang: „Vielfalt bringt einfach mehr.“ Und die Demokratie in der wir leben sei doch toll. Nur muss die eben ge- und belebt werden, hört man heraus.
Mo Asumang spricht von ihrer Freundin, der 92-jährigen Esther Bejarano. Die Überlebende von Auschwitz hasse Nazis und könne nicht mit denen reden. Im Gegensatz zu Asumang. Sie kämpfe aber gegen sie, indem sie in Schulen geht und informiert. Gegen sie anschreibt oder ansingt. Und Asumang erinnert sich an das, was eine 15-jährige Mädchen ihren späteren Neonazi-Aussteigerfreund Chris fragte: „Warum bist du eigentlich Nazi? Was hast du davon?“ Das habe einen schmerzhaften Denkprozess bei diesem Chris ausgelöst.
Asumang: „Diese kleinen Momente müssen einfach erzeugt werden.“ Ein Knoten könne sich lösen. Ein Funke ausgelöst werden. Das könnten wir alle bewirken, davon ist Mo Asumang überzeugt. Anderes freilich müsse Polizei und Justiz überlassen werden. „Auch wenn du einen Nazi vor dir hast, musst du dir sagen: Du sieht da diesen Mensch.“ Ihr habe das geholfen. Vielleicht sei es schon viel, Alltagsrassismus zweimal im Jahr entschieden entgegenzutreten.
Ein Sachbuch, das in der Sprache eines Romans daherkommt
Ein interessanter Abend in der Auslandsgesellschaft, in der es hart zur Sache ging. Aber an dem die ZuschauerInnen bei Lesung und Diskussion auch eine humorvolle, kluge und mutige Autorin kennenlernen durften.
Den Zuschauern mochte an mehreren Stellen der Lesung ein kalter Schauer über den den Rücken gelaufen sein. Und womöglich vermittelte sich ihnen immerhin ein wenig, wie sich wohl Rassismus auf der eignen Haut anfühlen mag.
Mo Asumangs Buch „Mo und die Arier – Allein unter Rassisten und Neonazis“ dürfte sehr zu empfehlen sein. Die von Mo Asumang gelesenen Kapitel machten jedenfalls Appetit auf das Buch.
Das ein Sachbuch ist, aber – wie die Autorin nach Lesungen immer wieder zu hören bekommt – fast in der Sprache eines Romans daherkomme. Nach dem Gehörten ist dem zuzustimmen.
Mehr Informationen:
Zu der Veranstaltung hatte der Planerladen e.V. in Kooperation mit der Auslandsgesellschaft NRW e.V., dem Verein junger Deutsch-Afrikaner e.V. und der Alevitischen Gemeinde Dortmund eingeladen.
Die Veranstaltung wurde im Rahmen des Projektes KODIAQ als Dialogforum durchgeführt.
http://www.fischerverlage.de/buch/mo_und_die_arier/9783596034437
http://www.die-arier.com/mo.php