Von Stella Venohr
Wie erwartet poltert Sigmar Gabriel direkt los. Wer behaupte, das Gründerprogramm „exist“ würde nicht weiter finanziert „verbreitet dummes Zeug“. Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister befindet sich auf einer Tour durchs Ruhrgebiet. Am Dienstag besuchte er das BioMedizinZentrum Dortmund. Dort trifft Wirtschaft auf Wissenschaft – in dem Zentrum sitzen Unternehmen, die ihren Urspung in der Biomedizin oder Biotechnologie haben.
Herausforderung: Es fehlt meist die Bereitschaft, Privatkapital zu investieren
Direkte Fragen, das war Sigmar Gabriels Kennzeichen im BioMedizinZentrum Dortmund. Er will es genau wissen: Was macht den Erfolg des Technologiezentrums in Dortmund aus? Was fehlt im internationalen Bereich?
Mit so viel Nachfragen haben seine Gegenüber – Albrecht Ehlers, Kanzler der TU Dortmund und Peter Nussbaumer, Geschäftsführer des Lead-Discovery-Centers – wohl nicht gerechnet.
Unumstritten ist in dieser Runde die Tatsache, dass es den Dortmundern an Kreativität nicht mangelt. „Die Ideen sind da“, sagt Peter Nussbaumer. „Es gibt aber zu wenig finanzielle Risikobereitschaft.“ Sein Unternehmen erforscht und validiert die Ideen, dafür benötigt man Kapital.
„Es werden viele kleine Initiativen mit wenig Geld bedacht, aber es bräuchte eine große Initiative mit viel Geld“, so Nussbaumer. Beispiel dafür seien die USA. Dort sei die Risikobereitschaft Privatkapital zu investieren viel höher.
„Die Fantasie der Deutschen endet in der Regel beim nächsten Sparkassenfond.“
Das sieht auch der Vizekanzler so: „Die Fantasie der Deutschen endet in der Regel beim nächsten Sparkassenfond.“
Sigmar Gabriel sieht einen Weg darin, die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investoren mit Privatkapital anzupassen. Einen öffentlichen Fond den die Regierung finanziert, wie in de USA, sieht Gabriel hingegen nicht als Lösung.
Trotzdem verspricht er zum Abschluss der Diskussion die Ideen mit nach Berlin zu nehmen und hat auch gleich noch die Selbsterkenntnis: „Danke, ich habe heute wirklich was gelernt.“
Lokalpatriotismus darf beim Besuch im Pott nicht fehlen
Nach einen Rundgang durch das BioMedizinZentrum betreibt der SPD-Chef dann doch noch werbewirksamen Lokalpatriotismus. „Das hier ist ,Best of NRW´“, so Gabriel.
Auf die Frage nach einem möglichen Soli-Pakt für das Ruhrgebiet bezieht er auch klar Stellung. „Ich bin sehr dafür, denn das Ruhrgebiet stemmt zur Zeit zweimal Strukturwandel, einmal den eigenen und dann noch den im Osten“, sagt der Wirtschaftsminister. „Hannelore Kraft hat recht, wir dürfen nicht mehr nach Himmelsrichtungen fördern.“
Die Minister geben sich in Dortmund derzeit die Klinke in die Hand
Für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel war Dortmund nur ein Teil seiner zweitägigen Reise durch das Ruhrgebiet. Dafür bereist er unter anderem Witten, Oberhausen und Essen.
Ganz klar, dass er sich hier in seiner Sommerpause schon einmal für den Wahlkampf des kommenden Jahres bereit machen will. Schließlich ist der Pott immer noch die Heimat der SPD.
Der Besuch von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bleibt nicht der einzige politische Flair, der in den nächsten Tagen in Dortmund Einzug erhalten wird.
Am Montag kommt Barbara Hendricks, Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Auch mehrere Landesminister machen derzeit Station in der Ruhr-Metropole.
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LINKE NRW
KRITIK: SPD hat das Ruhrgebiet zurückgelassen
Dass sich der SPD Vorsitzende Siegmar Gabriel auf seiner Sommertour im Ruhrgebiet umschaut, veranlasst Die Linke zu bissigen Kommentaren. Wir hatten schon gedacht, die SPD hätte das Ruhrgebiet komplett vergessen, bemerkt Landessprecher Christian Leye. Dabei sei die SPD maßgeblich für die Missstände in ihrer einstigen Hochburg verantwortlich.
„Es ist ja schön, dass sich die SPD jetzt im Vorwahlkampf wieder an das Ruhrgebiet erinnert. Die Menschen hier brauchen aber keine Sommerbesuche, sondern Investitionsprogramme gute Arbeit und funktionierende Städte. Dafür hätte die SPD viele Jahre Zeit gehabt“, erklärt der gebürtige Bochumer und Landessprecher der Linken, Christian Leye.
Die Linke erinnert daran, dass inzwischen jeder fünfte Mensch im Ruhrgebiet arm ist. Das von SPD und Grünen eingeführte Hartz-IV Gesetz betreffe in einigen Städten beinahe jedes zweite Kind. Mit Hartz IV und ‚Arbeitsmarktreformen‘ habe die SPD die Lohnstruktur beschädigt. Niedriglöhne, prekäre Beschäftigung und Minijobs seien nun für viele Menschen die einzige Chance auf ein Berufsleben.
In den Jobcentern sind oft 40 Prozent der ausgeschriebenen Stellen Leiharbeit. Die Verleihbetriebe siedeln inzwischen oft direkt neben den Jobcentern. Das ist insbesondere den SPD-Gesetzen zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes zu verdanken.
Die Ruhrgebietskommunen seien dank der ungerechten Verteilung von Einnahmen und Aufgaben pleite, während Steuergeschenke an Multimillionäre, Banken und Konzerne verteilt würden.
„Die Zustände im Ruhrgebiet sind eine direkte Folge auch der SPD Politik in Bund und Land. Was also will Herr Gabriel sich da ansehen? Die Früchte seiner Arbeit?“ fragt Leye.
Linke & Piraten
Kritik am „Ferienprogramm“ der Minister
Derzeit geben sich sozialdemokratische Bundes- und Landesminister in Dortmund die Klinke in die Hand. In der vergangenen Woche besichtigte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel das Biomedizin-Zentrum in Dortmund. Am Montag besuchte Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, die Dortmunder Nordstadt. Auch mehrere Landesminister machen aktuell Station in der
Ruhrgebietsmetropole.
„Schade, dass die Minister angesichts der Bundestags- und Landtagswahl im kommenden Jahr nur in Vorwahlkampfzeiten den Weg nach Dortmund finden. Viele Menschen in Dortmund wünschen sich aber kein derartiges Ferienprogramm, sondern echte Entlastungsprogramme für die Finanzen unserer Stadt, die dank der ungerechten Verteilung von Einnahmen und Aufgaben extrem angespannt sind“, sagt Carsten Klink, der finanzpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN.
Klink weiter: „Die Menschen wünschen sich auch ein Reformprogramm bei den Soziallasten. Die Minister hätten die direkten Folgen verfehlter sozialdemokratischer Agenda 2010 und Hartz-Politik bei ihren Touren gut besichtigen können: Mehr als 21.000 Kinder, also fast 30 Prozent der unter 15-jährigen, erhalten in Dortmund Sozialgeld im Rahmen des SGBII (Hartz IV). Ebenso boomt die prekäre Arbeit auch in Form von Leiharbeit in Dortmund. Die Langzeitarbeitslosigkeit mit rund 18.000 Betroffenen könnte hingegen durch einen von Bund und Land finanzierten öffentlich-geförderten Beschäftigungssektor gesenkt werden.“
Auch der so genannte Ruhrplan von Vize-Kanzler Sigmar Gabriel zur Förderung der Ruhrgebietsstädte sei mehr Phantom als Wirklichkeit, kritisiert Carsten Klink. Bei diesem Plan würden letztlich bereits laufende bundesweite Programme im Nachhinein als Ruhrplan ausgegeben. So wie man es auch oft beim lokalen Nordwärts-Programm der Stadt Dortmund erlebe.
„Dortmund braucht kein Ferienprogramm der Promi-Politiker, sondern konkrete Änderungen im politischen Handeln der Verantwortlichen. Gerade Gabriels vielen hehren Worten müssen auch mal Taten folgen“, fordert der linke Ratsvertreter Carsten Klink.