Der neue Dortmunder SPD-Unterbezirksvorstand steht vor einer großen Herausforderung: Er muss den Wahlkampf für die Land- und Bundestagswahlen organisieren. Doch die Umfragen sehen die Sozialdemokratie in einem Allzeittief. Daher wollen die Dortmunder das Thema soziale Gerechtigkeit noch stärker als bisher in den Mittelpunkt stellen.
SPD-Werte von Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit in den Fokus stellen
„Umfragewerte sind heute mehr denn je Momentaufnahmen. Lasst uns daher Antworten geben. Denn wir können sie geben“, betont die alte und neue Vorsitzende Nadja Lüders.
„Unsere Antworten orientieren sich an unseren Werten von Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Lasst uns Haltung zeigen und uns nicht beirren.“
Die SPD habe sich seit jeher für den sozialen Zusammenhalt eingesetzt. „Daher ist die Sozialdemokratie heute wichtiger denn je, um für den sozialen Zusammenhalt zu sorgen.“
Lüders sparte nicht mit Kritik am Wankelmut des Bundesvorsitzenden: „Ich würde mir auch mehr Verlässlichkeit von unserem Bundesvorsitzenden wünschen, dass das, was wir gestern noch für richtig erachtet haben, auch morgen noch gilt“, so Lüders. „Einen Kurs haben, den Kurs beibehalten und Haltung zeigen ist das Mittel der Wahl.“
Aufgabe der DemokratInnen: Die AfD zu entlarven
Nur so könne man auch die AfD-WählerInnen zurückgewinnen. „Nicht jeder, der die AfD gewählt hat, wird grundsätzlich eine rassistische Einstellung haben. Viele werden die AfD aus Protest gewählt haben, weil sie sich selbst als abgehängt und ausgegrenzt sehen“, so Lüders.
Daher hätten die DemokratInnen zwei Aufgaben: „Die AfD als rechtspopulistische – und ich bin mittlerweile der Auffassung, rechtsextremistische Partei, und ihre kruden Ansichten zu entlarven.
Und zweitens die, nicht nur über den sozialen Zusammenhalt zu reden, sondern genau diesen zu organisieren“, gibt sich Lüders entschlossen.
Abschaffung von Steuerprivilegien und Einführung der Vermögenssteuer
Sie erinnerte an die Forderungen zur Bundestagswahl 2013. Dort seien steigende Investitionen in Bildung, in bezahlbaren Wohnraum, Infrastruktur klar benannt.
Gleiches gelte auch für das Erreichen von Steuergerechtigkeit: Die Abschaffung von Steuerprivilegien, die Einführung der Vermögenssteuer und die Anhebung der Kapitalertragssteuern. Doch diese Ziele seien in der Großen Koalition nicht umzusetzen gewesen.
„Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir uns auf Bundesebene erneut darauf besinnen. Nicht das Mantra der Schwarzen Null bringt dieses Land nach vorne, sondern das Organisieren des sozialen Zusammenhalts“, so die Dortmunder Landtagsabgeordnete.
„Was nützt uns ein ausgeglichener Haushalt und die Senkung der Neuverschuldung, wenn unsere Gesellschaft mangels dringend erforderlicher Investitionen und mangels Umverteilung auseinander fällt“, warnte Lüders.
Scharfe Kritik der SPD-Basis am Spitzenpersonal der Partei in Berlin
Entsprechend deutlich war zuvor auch die Kritik am Kurs der Bundespartei und dem Auftreten der neuen Generalsekretärin Katarina Barley ausgefallen.
Sie wollte vor allem Mut machen, die Erfolge wie Mindestlohn, Rente mit 63 und Mütterrente offensiv zu feiern und für die bisher nicht erreichten Ziele um Unterstützung bei den WählerInnen zu werben.
Doch weder in der Analyse noch in der Ansprache vermochte sie die Dortmunder GenossInnen zu überzeugen. Vor allem ihre Verweise auf ihr Heimatland Rheinland-Pfalz und den Wahlerfolg dort wollte die Ruhr-SPD nicht gelten lassen.
Denn in fünf Ländern habe die SPD nur zwischen 10 und 15 Prozent geholt. „In den Ländern reden wir über ein Viertel der Bevölkerung“, warnte Marco Bülow.
Sozialer Arbeitsmarkt, Bildungschancen und Verteilungsgerechtigkeit
„Ja, wir müssen mehr über Erfolge reden, aber auch die Fehler zugeben, um den richtigen Kurs zu finden. Machen wir so weiter, ist der Sinkflug nicht beendet“, glaubt der Bundestagsabgeordnete.
„Wir müssen über einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose, Bildungschancen und Verteilungsgerechtigkeit reden.“
Auch seine Parlamentskollegin Sabine Poschmann stellt die Sorge, in Armut abzurutschen, in den Mittelpunkt. Denn die gesellschaftliche Spaltung drohe, wenn der Eindruck erweckt werde, dass zwar Geld für Flüchtlinge, aber nicht für andere Benachteiligte da sei.
„Die Forderungen sind nicht neu. Aber jetzt ist die Zeit, sie durchzusetzen. Wir müssen den Menschen mehr zuhören und zeigen, dass sie uns wichtig sind“, so Poschmann.
Ziel: Wieder Grundwerte der Solidarität in der Gesellschaft verankern
Noch deutlicher wurde Jens Peick: „Es täte der Partei gut, grundsätzliche Fragen zu stellen.“ Die Wahlergebnisse kämen nicht überraschend. „Wir müssen wieder die Grundwerte der Solidarität in der Gesellschaft verankern.“
Der Mensch und das Gemeinwesen gehöre in den Mittelpunkt der Betrachtung: „Wir brauchen Schwimmbäder für die, die keinen eigenen Pool haben. Wir brauchen den ÖPNV, für die, die kein Auto haben und eine gute Gesundheitsversorgung für die, die nicht privat versichert sind“, so Peick.
Natürlich gebe es den klassischen Arbeiter nicht mehr. „Aber wer heute Pakete zustellt, Gebäude reinigt oder in der Pflege arbeitet, der hat kaum 1000 Euro netto – trotz des Mindestlohns“, erinnerte der Parteivize. „Wir haben viele Leidtragende des gesellschaftlichen Umbaus und der Spaltung. Für die müssen wir kämpfen.“
Aber solange der Bundesvorsitzende die Vermögensteuer für erledigt erkläre und Freihandelsabkommen gut heiße, werde die SPD nicht auf die Beine kommen, betonte Peick unter dem tosenden Applaus der Mitglieder.
Kritik der Basis: Die Bundes-SPD hat ein tiefsitzendes Glaubwürdigkeitsproblem
Auch Schatzmeister Kai Neuschäfer verwies auf ein tiefsitzendes Glaubwürdigkeitsproblem. „Lasst uns lieber die Schwarze Null aufgeben, die Vermögenssteuer einführen und in Infrastruktur investieren, statt uns für einen ausgeglichenen Haushalt zu rühmen“, so Neuschäfer.
Nadja Lüders versuchte anschließend, beim Gast aus Berlin die Stimmung wieder etwas zu heben – auch wenn diese sich betont gelassen gab.
„Die Herzkammer der Sozialdemokratie schlägt schon mal laut und schon mal hart“, gab sie Barley mit auf den Weg. „Wir müssen uns gemeinsam auf den Weg machen – Kommune, Land und Bund.
Vor allem sieht Lüders den Bund aber in der Pflicht, die Kommunen finanziell zu entlasten und somit handlungsfähiger zu machen.
Kaum Überraschung bei den Neuwahlen – „Klatsche“ für Armin Jahl
Doch bevor an die anstehenden Wahlen im kommenden Jahr gedacht wurde, galt es den eigenen Vorstand neu zu wählen.
Im geschäftsführenden Vorstand gab es personell keine Überraschung: Nadja Lüders wurde mit 83 Prozent als Vorsitzende und Kai Neuschäfer als Schatzmeister (73 Prozent) wiedergewählt. Beide erreichten damit leicht schlechtere Werte als vor zwei Jahren.
Bei den beiden Stellvertretern könnte das Votum kaum unterschiedlicher ausfallen: Eine regelrechte „Klatsche“ gab es für Armin Jahl, dessen erneute Landtagskandidatur ebenfalls umstritten ist.
Er kam nur noch auf 55 Prozent – wohl gemerkt ohne Gegenkandidaten. Sein Ergebnis als Einziger verbessern konnte hingegen Jens Peick, der 84 Prozent der Parteitagsdelegierten hinter sich vereinen konnte.
Spannender war das Rennen bei den BeisitzerInnen – schließlich hatte der Parteitag zuvor eine Verkleinerung von 19 auf 10 Posten beschlossen. Bei 243 abgegebenen Stimmzetteln (mindestens fünf, maximal zehn KandidatInnen mussten angekreuzt werden) holten Indra Paas 160, Anja Butschkau 158, Alisa Löffler 156, Lars Wedekin 149, Aysun Tekin 131 und Phillipp Hoike 128 Stimmen.
Bezirksbürgermeister von Eving schaffte den Wiedereinzug in den Vorstand nicht
Wer nicht im ersten Wahlgang 50 Prozent der gültigen Stimmen erreichte, musste in den zweiten Wahlgang. Bei 226 abgegebenen Stimmzetteln dort holten Ute Cüceoglu 99, Harald Hudy 93, Fabian Ernstfeld 91 und Martin Schmitz 88 Stimmen.
Drei BewerberInnen, die bereits im alten Vorstand waren, fielen bei der Wahl durch. Doris Giebel, Sebastian Kopitz und Evings Bezirksbürgermeister Oliver Stens schafften den Wiedereinzug in den reduzierten Vorstand nicht mehr.
Stens wurde Opfer der schlechten Planung seines Stadtbezirks bzw. der persönlichen Eitelkeiten seiner Evinger: Gleich drei GenossInnen traten für einen der nur noch zehn Beisitzerposten an – bei zwölf Stadtbezirken insgesamt.
Mehr zum Parteitag auf nordstadtbogger.de:
Reader Comments
Thomas Meier
Hallo Freunde, ich drücke Euch die Daumen. Bitte an alle Bundespolitiker der SPD in Ruhe arbeiten und die CDU stören. Viele Grüße Thomas
Henrik Wittenberg
Am 5. Juni stimmt die Schweiz über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab. Auch in Deutschland ist der Vorschlag populär. Befürworter loben seine befreiende Wirkung, Gegner verdammen die Entwertung der Arbeit.
http://www.vorwaerts.de/grundeinkommen