Offenheit gegen Andersartigkeit: Sandra Wiesners emotionale Performance „I am interested. fine. you.“ beeindruckt im U

Sandra Wiesners Perfomance: I am interested.fine.you im Dortmunder U
Sandra Wiesner präsentierte ihre Perfomance: I am interested.fine.you im Dortmunder U.

„Meine Kunst soll nicht nur Wände schmücken oder „nette“ Unterhaltung sein. Sie soll auf etwas aufmerksam machen, den Betrachter in einen inneren Monolog, sowie an seine Grenzen bringen, ohne mit dogmatischem Zeigefinger vor ihm zu stehen“, sagt Sandra Wiesner.

Die Künstlerin möchte den Betrachter in seiner Gefühlswelt erreichen, ihn mit seinen eigenen Gedanken, Ängsten konfrontieren und in das Geschehen mit einbeziehen.

Sandra Wiesner konfrontiert die Besucherinnen und Besucher mit ihrer Nacktheit

Sandra Wiesners Perfomance: I am interested.fine.you im Dortmunder U
Die Box in der Hochschuletage des Dortmunder U.

In ihrer Foto-Performance „I am interested. fine. you.“ ist ihr das in den Räumen der Hochschuletage im Dortmunder U gelungen.

Wiesner interessiert sich für die Mechanismen der zwischenmenschlicher Bewertung.  „Wonach werten wir, welche Grundlage hat unsere Kategorisierung und wie wertvoll ist diese in einem Miteinander, in dem Symmetrie und Asymmetrie über Charaktereigenschaften stehen?“

Asymmetrien weist auch ihr Körper auf, den sie den ahnungslosen Besucherinnen und Besuchern des Projektes zur Betrachtung und Bewertung zeigt. Grund ist eine angeborene sehr seltene Gefäßerkrankung namens Klippel- Trenaunay-Weber- Syndrom.

Knapp vierzig Personen sind der Aufforderung Wiesners gefolgt, um an der Performance  der Kunststudentin teilzunehmen. Weitere zwanzig Besucher haben es nicht geschafft, an diesem Abend an der Pforte des U vorbei zu kommen, wofür sich die Geschäftsleitung entschuldigte.

Die anderen bilden eine Schlange vor der aus Stoffbahnen errichteten, rechteckigen Box, in der nun für eine Stunde Sandra Wiesner unbekleidet steht. In der Box selbst befindet sich noch eine Kamera auf einem Stativ.

„Die erste Hürde liegt in dieser Performance im Angesicht der Nacktheit. Wir leben in einer durchaus sexualisierten Welt und doch besteht eine Scham gegenüber all dessen, was damit in Verbindung steht“, notiert die Kunststudentin in ihrer Projektbeschreibung

Die Teilnehmer der Performance bekamen einen Einblick in ihr Wertungsverhalten

Sandra Wiesners Perfomance: I am interested.fine.you im Dortmunder U
Die Besucher der Performance warten vor der Box.

Nach und nach betreten die Besucher, nach Aufforderung, die Box und werden über schriftliche Anweisungen informiert, welches ihre Aufgabe in dieser Performance ist.

Innerhalb von zwei Minuten sollen sie nun nach Betrachtung, Stellen an ihrem Körper finden, die sie für interessant erachten und mit Klebepunkten markieren. Als Unterstützung innerhalb des Projektes, dokumentierte Fotografin Mareile Vaags das Ergebnis dieser Interaktion zwischen Betrachter und Objekt nach jedem Besuch in der Box.

Das Objekt Sandra Wiesner selbst, ist auch Beobachterin. „Viele waren mit dieser Situation vollkommen überfordert“, hat sie festgestellt. „Zum Einen bekamen die Besucher einen Einblick in ihr Wertungsverhalten.

Nicht nach „gut oder schlecht“, „schön oder hässlich“ zu werten war die eine Konfrontation, zum Anderen bestand ein gewisser innerer Konflikt zwischen Scham und Neugier“, so ihre Beobachtung.

Männer agieren teilweise anders als Frauen: „Sie haben meist nicht bewusst hingeschaut und zuletzt die Punkte nach Raster gesetzt.“

Viele Besucherinnen und Besucher verließen das Dortmunder U nach der Aktion sehr nachdenklich

Duo Echonea, Sandra Wiesner und Susanne Schütz präsentieren "Boxes" im Depot. Sandra Wiesner
Sandra Wiesner studiert an der TU Dortmund Kunst.

Die Reaktionen, Handlungen und persönlichen Erfahrungen der Besucherinnen und Besucher sind für Wiesner von großen Interesse.

Die Einträge in das Gästebuch und viele Gespräche nach der Performance dokumentieren das.

„Ich erhoffe mir mit dieser Performance, Offenheit gegenüber Andersartigkeit zu erreichen bzw. die Besucher für voreilige Wertungen sensibilisieren zu können“, zieht Sandra Wiesner ein Fazit.

Das ist ihr gelungen. Viele verließen das Dortmunder U nach der Aktion sehr nachdenklich und schrieben erst Tage später ihren Eindruck, der im positiven Sinne sehr viel ausgelöst hat.

Die Aufnahmen werden in einer Foto-Zeitschrift, welcher innerhalb eines Seminares der beiden Fotografen Katja Stuke und Oliver Sieber aus Düsseldorf an der TU Dortmund ensteht, gezeigt und hoffentlich auch noch in einer weiteren Ausstellungssituation.

Was Wiesner sich beim Anblick der Bilder erhofft, hat der italienische Maler, Aktions-Objektkünstler Michelangelo Pistoletto folgendermaßen ausgedrückt:

„Der Betrachter, der vor diesen Bildern steht und sie anschaut, sieht sich als ein Teil eben dieses Bildes, sieht sich im Inneren des Werkes wiedergespiegelt und kann sich nicht der Tatsache verschließen, Protagonist zu sein, wie auch Zeuge eines Augenblicks eigener Geschichte, eigenen Lebens.“

Schon die Performance „Boxes“ im Depot in der Nordstadt sorgte für emotionale Grenzerfahrungen

Duo Echonea, Sandra Wiesner, links, und Susanne Schütz präsentieren "Boxes" im Depot
Das Duo Echonea – Sandra Wiesner und Susanne Schütz – im vergangenen Jahr im Depot.

Die emotionalen Auseinandersetzung des Besuchers mit einer vorgegebenen Situation war auch schon Thema einer anderen Performance, die im letzten Jahr zusammen mit Susanne Schütz unter dem Pseudonym „ECHONEA“ im Depot an der Immermannstraße zu sehen war.

Sandra Wiesner studiert seit 2013 an der TU Kunst, mit dem Schwerpunkt Malerei bei Prof. Jan Kolata. Seit 2015 hat sie ein Atelier an der Kaiserstraße.

Mehr Infos über Sandra Wiesner auf nordstadtblogger.de:

Das Künstlerduo ECHONEA ruft mit ihrer Performance „Boxes“ in der Nordstadt zu mehr Zwischenmenschlichkeit auf

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