SERIE (4): Arbeitsbedingungen der Bäcker um 1900 – Katastrophale Hygiene und Mäuse im Brot

Eine Backstube im Jahr 1895. Foto: NGG
Eine Backstube im Jahr 1895 – es spiegelt die vielfach schlechten Arbeitsbedingungen nicht wider. Foto: NGG

Anlässlich des 150. Jahrestages der Gründung der ersten deutschlandweiten Gewerkschaft  – dem Allgemeinen Deutschen Zigarrenarbeiterverein – wird Nordstadtbogger.de in den nächsten Wochen aus der 165-jährigen Geschichte der Dortmunder Sektion berichten, aus der später die NGG entstanden ist.

Die Volksbewegung im Revolutionsjahr 1848 brachte auch die Bäckergesellen auf die Beine. Im Mittelpunkt standen immer die Arbeitsbedingungen. Zu den Forderungen gehörten der 12-Stunden-Tag und die Verbesserung der Unterkünfte für Bäckergesellen, die in Kost und Logis wohnten.

Die Entlohnung der Bäckergesellen ließ zu wünschen übrig

„Das Bäckerbein“ - Zeitgenössische Zeichnung
„Das Bäckerbein“ –
Zeitgenössische Zeichnung

Die Räume lagen im Keller, auf dem Dachboden oder direkt über dem Backofen. „Es stinkt ganz abscheulich im Schlafraum, ein kleines Fenster geht nach dem Klosett des Meisters, daher der Gestank. Gewaschen wird sich in der Backstube“, klagte ein Magdeburger Bäcker 1906.

Eine Umfrage des Verbandes der Bäcker und Berufsgenossen aus dem Jahr 1904 gibt Aufschluss über die Verhältnisse in den Backstuben − auch der Stadt Dortmund. Fragebögen kamen aus ganz Deutschland zurück. Mit Hilfe der Ergebnisse wollte der Verband mit Eingaben an den Reichstag und an die Regierungen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen fordern.

Die Arbeitszeit erreichte bis zu 17 Stunden pro Tag

In Dortmund beteiligten sich Beschäftigte aus 15 Betrieben an der Umfrage. Die Arbeitszeit erreichte bis zu 17 Stunden pro Tag, außerhalb der erlaubten Arbeitszeit mussten die Gesellen Brot austragen und sonstige Arbeiten verrichten.

Die Entlohnung der Bäckergesellen ließ in den meisten Dortmunder Bäckereibetrieben zu wünschen übrig. In den Schlafräumen, die häufig zu klein waren, fehlte oft das Mobiliar und wo es vorhanden war, mussten mehrere Personen in einem Bett schlafen. Nicht selten wurden die Räume als „feucht, dunkel und kalt“ beschrieben.

Scharfe Kritik an hygienischen Zuständen in den Backstuben

Außerdem wurden die hygienischen Zustände bemängelt. „Als Schweinerei muss es bezeichnet werden, dass in einem Betrieb einmal Brot, in welchem junge Mäuse verbacken waren, verkauft worden ist“, so der Bericht. Ein weiterer Betrieb sehe „einem Schweinestall sehr ähnlich; durch denselben wird das Pferd zum Stall getrieben“.

Der Verband der Bäckergesellen kümmerte sich auch um die Situation der Lehrlinge. In einer Petition an den Reichstag aus den Jahr 1887 forderten die Bäckergesellen die Volksvertreter auf, die Zahl der Lehrlinge pro Betrieb gesetzlich zu regeln, die Arbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag zu begrenzen, die Sonntagsarbeit zu verbieten sowie die Koalitionsfreiheit der Arbeiter sicher zu stellen.

Arbeitslosigkeit: Viele Lehrlinge statt Übernahme als Geselle

Die Arbeitnehmervertreter kritisierten, dass die Bäckermeister möglichst viele Lehrlinge einstellten, um den Gehilfenlohn zu sparen. Die Folge sei, dass die Bäckergesellen von Arbeitslosigkeit bedroht seien.

Die früheren Teile der Serie auf nordstadtblogger.de:

Reader Comments

  1. Christine Heiß

    Hallo,meine Urgrosseltern hatten eine Grossbäckerei in Magdeburg oder in Schönebeck.Der Name war Rudolf Schreiber….ich würde gerne wissen,ob er noch irgendwo erwähnt ist,wo die Bäckerei war.Können Sie mir da weiterhelfen?

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