
80 Jahre ist es nun her, dass die sogenannten Karfreitagsmorde der Gestapo in Dortmund kurz vor Kriegsende ihren Lauf nahmen. Gegen das Vergessen der Opfer dieser Verbrechen fand am Karfreitag (18. April 2025) zum 21. Mal der Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf statt, der in die Bittermark führte. Dort schloss sich die eigentliche Gedenkveranstaltung an – ein Erinnern, das in diesem Jahr besonders scharfe Kritik an der aktuellen Politik übte.
Sieben Kilometer Gedächtnislauf vom Stadion Rote Erde zur Bittermark
Fußballtrikots, Borussia-Schals, Fahnen mit verschiedensten Fanaufschriften – eigentlich ein ganz gewöhnlicher Anblick einer Menschenmenge, die sich am Freitag vor dem Stadion Rote Erde, direkt neben dem Westfalenstadion, in schwarz-gelben Fanartikeln versammelt.

Doch anders als sonst spielte an diesem Tag nicht der BVB, auch wenn der Verein dennoch eine Rolle spielte. Anlass ist der 21. Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf.
Namensgeber ist Heinrich Czerkus, eines der Opfer der Karfreitagsmorde der Gestapo in Dortmund, bei denen zahlreiche Widerstandskämpfer:innen und ausländische Zwangsarbeiter:innen verhaftet, misshandelt und schließlich hingerichtet wurden.
Czerkus, der Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und selbst Widerstandskämpfer war, arbeitete zudem als Platzwart von Borussia Dortmund.
Um Czerkus und den weiteren 300 Menschen, die von der Dortmunder Gestapo zwischen dem 7. März und dem 9. April 1945 ermordet wurden, zu gedenken, nahmen zahlreiche Menschen an einer Gedenkaktion teil.
Sie wanderten, joggten und radelten den sieben Kilometer langen Weg vom Stadion Rote Erde durch den Rombergpark zum Mahnmal in der Bittermark – den Orten, an denen die Gestapo ihre Morde verübte. Drei dieser Mordaktionen fanden in der Bittermark statt, sechs im Rombergpark und eine am Bahndamm zwischen Hörde und Berghofen.
Bürgermeister Norbert Schilff mahnt zum Erinnern in der Bittermark
In der Bittermark angekommen, eröffnete um 15 Uhr Friedhelm Evermann, Sonderbeauftragter des Oberbürgermeisters für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, die Gedenkveranstaltung. Er begann seine Rede mit den Worten, dass das gemeinsame Gedenken der Opfer der Gestapo und des Krieges seit 80 Jahren in Dortmund stattfinde.

Zwar gebe es Stimmen, die forderten, mit den Schuldeingeständnissen und Gedenkfeiern aufzuhören, doch dies dürfe nicht geschehen. Die Verantwortung für das Erinnern werde weiterhin wahrgenommen, heute und in der Zukunft, ehe Bürgermeister Norbert Schilff das Wort auf der Bühne ergriff.
„Dortmund ist eine Stadt, die sich ihrer Geschichte stellt. Eine Stadt, die zeigt: Wir lassen uns nicht spalten. Denn nur wenn wir uns erinnern, wenn wir wachsam bleiben und wenn wir uns gegen Hass und Hetze stellen, können wir sicherstellen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt“, sagte Schilff. „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es sich nicht wiederholt, dafür schon“, mahnte der Bürgermeister mit den Worten von Max Mannheimer, einem Überlebenden der Konzentrationslager.
Eine Erinnerung, die nun in Stein gemeißelt ist
Auch Madame Nicole Godard, Präsidentin des Verbands der französischen Zwangs- und Arbeitsdeportierten, meldete sich zu Wort. Ihr Vater war französischer Zwangsarbeiter, der 1945 befreit wurde.

Sie betonte, dass das Gedenken nicht mit dem Krieg endete, sondern bis heute fortwährend und beständig sei. „Europa und die Alliierten hatten die braune Pest endlich zurückgeschlagen“, erzählte sie aus der Perspektive der befreiten Zwangsarbeiter, die 1945 nach Hause zurückkehrten.
Im Alltag hätten alle so getan, als hätte es diesen Albtraum nie gegeben. Die ehemaligen Zwangsarbeiter hätten die dunklen Jahre verdrängen müssen, um Platz für ein neues Leben zu schaffen, so Godard.
Im Laufe der Zeit sei das Bedürfnis, sich zu treffen, immer stärker gewachsen, erklärte die Präsidentin des Verbands. „Die von der Baracke“, wie sie sich selbst nannten, hätten begonnen, sich jährlich zu versammeln, sich in Verbänden zusammenzuschließen und Pilgerreisen zu ihrem Ort des Leidens zu organisieren.

Als Kind sei sie selbst Zeugin dieser Zusammenkünfte gewesen, die, wie sie betonte, paradoxerweise festliche und sehr gesellige Momente für alle gewesen seien.
„Dieses Denkmal, das Oberbürgermeister Dietrich Keuning zum Gedenken an die dreihundertfünfzig Opfer der Zwangsarbeit errichten ließ, symbolisierte das Recht, Erinnerungsarbeit zu leisten – die Erinnerung, die nun in Stein gemeißelt ist“.
Georg Deventer richtete scharfe Kritik an die AfD
Einen aktuellen Bezug zur Politik stellte Georg Deventer her, Vorsitzender des Fördervereins der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache / Internationales Rombergpark-Komitee e.V. So betonte Deventer, dass auch wenn mit dem Ende des Krieges eine vollständige Entnazifizierung in der Bundesrepublik nicht stattgefunden habe, der Leitgedanke „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ bis ins neue Jahrtausend hinein in der öffentlichen Debatte eine zentrale Rolle gespielt habe.

„Das hat sich in den letzten Jahren mit dem Aufstieg der AfD dramatisch geändert“, übte Deventer dabei Kritik an der Partei aus. In seinen weiteren Ausführungen erklärte er, dass in den Aussagen der rechtspopulistischen Partei zur deutschen Leitkultur erkennbar werde, dass die Partei versuche, an den Nationalsozialismus anzuschließen, insbesondere wenn beispielsweise das Abstammungsprinzip wieder für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft gelten solle.
„Die AfD ist gefährlicher denn je und im Bundestag sitzen Verfassungsfeinde, die dort die Privilegien genießen. Sie sind zwar demokratisch gewählt, aber selbst nicht demokratisch. Wir können nur davor warnen, dass die extremen Rechten weiterhin erstarken und sich bundesweit sowie europaweit vernetzen. Es ist dringend geboten, dem entgegenzutreten“, rief Deventer auf.
Funde an den Gräbern, die den Opfern wieder ein Gesicht geben
Abschließend widmete sich eine Gedenkaktion nochmals persönlich den beigesetzten Opfern in der Bittermark. 194 der Opfer, die auf diesem Gelände beigesetzt wurden, wurden damals anonym beerdigt. Die einzigen Hinweise auf ihre Identität sind persönliche Gegenstände, die bei der Umbettung gefunden wurden.

Daher stellten sich 194 Personen vor jedes Grab und zeigten ein Foto eines der bei der Umbettung gefundenen persönlichen Gegenstände der Opfer – ganz gleich, ob es eine Taschenuhr, eine Brille oder gar ein Ring war.
„Es sind die einzigen Spuren, die von ihnen geblieben sind. Aber sie erzählen ihre Geschichte. Sie geben den Opfern wieder ein Gesicht. Das ist ein starkes Symbol. Ein Symbol gegen das Vergessen“, merkte Schilff zu der Aktion an.
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