Der DGB fordert politische Verantwortung für mehr Lebensqualität und gute Arbeit ein

Forderungen und Vorschläge zur Kommunalwahl in Dortmund:

Die Dortmunder Gewerkschaften haben sich Gedanken gemacht, in welchen Themenfeldern der Kommunalpolitik dringender Handlungsbedarf besteht und dazu eigene Lösungsansätze und Forderungen formuliert. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Der Kommunalwahlkampf ist in vollem Gange: Die Parteien arbeiten an ihren Wahlprogrammen, die Kandidierenden an ihren Plakaten. Der DGB hat jetzt den Parteien und Initiativen Wünsche und Forderungen an die Hand gegeben, zu den Themen, die die Gewerkschaften bewegen. „Das geht über Tarifverträge und Tarifbewegungen hinaus. Wir wollen auch die Lebensqualität verbessern und haben dazu über alle Gewerkschaften hinweg Themen gesetzt, die den einzelnen besonders wichtig erscheinen“, erklärt IG Metall-Chefin Ulrike Hölter. Die Kernfrage: „Was bedeutet für uns gute Arbeit? Wie kann sie entstehen und wie kann sie sich verändern?”

Bei der Inneren Sicherheit wird die Stadt mehr gefordert

„Als Gewerkschaft der Polizei ist uns die innere Sicherheit ein besonderes Anliegen. In Dortmund haben wir daher einen Themenschwerpunkt ,Sicherer Hauptbahnhof und Sicherheit in der Innenstadt‘. Da würden wir uns wünschen, dass in der Kommunalpolitik mehr Unterstützung durch die Arbeitsaufteilung stattfindet“, betont Nils Jäger von der GdP. „Die Kommunen müssen mehr in ihrer originären Zuständigkeit tun, zum Beispiel bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs, damit wieder mehr Kapazitäten bei der Polizei frei werden und zur Gefahrenabwehr eingesetzt werden können“, so Jäger. 

Nils Jäger (Gewerkschaft der Polizei / GdP) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Das Positive aus Sicht der Gewerkschaft: „Man sieht ganz klar, dass das Thema angekommen ist“, sagt er mit Blick auf die Arbeitsschwerpunkte und die polizeiliche Videobeobachtung auf der Südseite des Hauptbahnhofs. Das sei auch sehr wichtig, da das „subjektive Sicherheitsgefühl nicht so hoch“ sei, so der Polizeibeamte. 

Zudem fordert die GdP die Stadt auf, auch bei entsprechenden Veranstaltungen wieder stärker „ihre originäre Zuständigkeit“ wahrzunehmen. Ein Dorn im Auge sind dem Gewerkschafter Großveranstaltungen, wo sich die Stadt zu sehr auf die Polizei verlasse, anstatt verstärkt eigene Kräfte und Sicherheitspersonal bei Einlasskontrollen einzusetzen.  

Zudem brauche der kommunale Ordnungsdienst mehr Personal und ausgeweitete Einsatzzeiten: „Die Polizei muss häufig auch schon zu Tagesdienstzeiten Aufgaben wahrnehmen, für die eigentlich die Ordnungspartner zuständig wären. Da wünschen wir uns mehr Unterstützung in der Stadt – auch in den Außenbereichen.“ Das Thema Hauptbahnhof bewegt nicht nur die GdP, sondern auch die Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft EVG: „Sie haben das Thema auch explizit aufgegriffen und die Situation problematisiert – deutlich vor den aktuellen Vorfällen“, betont Klaus Waschulewski vom DGB. 

Kritik: „Für Familien ist nicht genug Wohnraum vorhanden”

Ein ganz anderes Thema treibt die IG BAU um: „Das Wohnen ist uns sehr wichtig, und dass es bezahlbar bleibt. Dortmund war eine Stadt, in der man bezahlbare Wohnungen fand. Das hat sich sehr stark verändert. Daher ist unser Anliegen, dass da mehr getan wird. Es wird kaum noch gebaut“, so Gabriele Henter, die Vorsitzende der IG BAU Bochum-Dortmund. 

Die Dortmunder Stadtentwicklungsgesellschaft (DSG) hat im Frühjahr zwei Neubauvorhaben  gestartet. Foto: Dortmunder Stadtentwicklungsgesellschaft

Ihre Kritik: Die Stadt müsse – gemeinsam mit der kommunalen Wohnungsgesellschaft DOGEWO sowie der neuen Dortmunder Stadtentwicklungsgesellschaft (DSG) – das Thema Neubau verstärkt in den Mittelpunkt stellen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. 

„Es geht nicht nur um Leute mit einem Wohnberechtigungsschein, sondern auch um Familien aus der Mittelschicht, die heute praktisch die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen aufwenden müssen. Das kann es nicht sein“, findet Henter. Häufig seien in den Familien beide Partner:innen gefordert, erwerbstätig zu sein, um sich eine ausreichend große Wohnung überhaupt leisten zu können. 

„Und für Familien ist auch überhaupt nicht genug Wohnraum vorhanden”, kritisiert die IG Bau-Vorsitzende. Sie blickt auf neu geschaffenen Wohnraum für Studierende, wo 700 Euro für ein Mikroapartment gezahlt werde und „Riesen-Paläste“ im Geschäftsbereich entlang der B1 entstehen. „Ich bin gespannt, ob die alle belegt werden. Ich sehe auch woanders Leerstand im Bürosegment“, so Henter. 

Dortmund als Negativbeispiel: Bauen muss schneller möglich sein

Die Gewerkschafterin fordert ein Umdenken: „Wir müssen sehen, ob da Umwandlungen stattfinden und Baurecht großzügiger und schneller ausgelegt werden kann“, so die Chefin der IG Bau. „Das ist ein Manko auf städtischer Seite. Dortmund gehört zu den Städten, die hier in der Region schlecht angesehen sind. Statt sechs Wochen braucht Dortmund mitunter 1,5 Jahre für eine einfache Bauvoranfrage“, kritisiert sie die fehlende Geschwindigkeit bei der Bearbeitung von Bauanträgen.

Gabriele Henter ist Vorsitzende der IG BAU Bochum-Dortmund. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Auch auf die Tarifbindung bei öffentlichen Bauanfragen sei zu achten: „Das Subunternehmertum muss ordentlich ins Visier genommen werden. Da werden die Leute verramscht, die fast alle scheinselbstständig sind. Wo ist denn da die Aufsichtsbehörde?” forderte Henter die Kommune zum Handeln auf.

Das Thema ist für den DGB auch in anderen Bereichen wichtig: „Bei den Vergaberichtlinien ist Dortmund gut aufgestellt. Es wird auch abgefragt, ob eine Tariftreue vorliegt – sie lassen sich das auch bestätigen. Aber man muss da auch mal nachgucken und nachprüfen, insbesondere bei Subunternehmen.“

Insbesondere beim Catering für Kitas, Schulen und die Offenen Ganztagsschulen werde oft nur der günstigste Anbieter genommen. Tariftreue habe dort keinen Stellenwert, unterstrich Gabriele Henter. 

Die Gewerkschaften fordern das NRW-Tariftreuegesetz ein

Die Gewerkschaften haben daher auch eine Checkliste für die Arbeit im Rat erstellt, die das Handlungsfeld Tarifbindung und Auftragsvergabe beleuchtet. „Ist der Auftragnehmer wirklich tarifgebunden, oder orientiert er sich nur daran? Und stimmt es, was er da ankreuzt und wird das nachgehalten? Es gibt oft Hinweise, dass schon vor Auftragsvergabe klar ist, dass das jeweilige Unternehmen als schwarzes Schaf aufgefallen ist“, verdeutlicht Klaus Waschulewski.  

Klaus Waschulewski (DGB) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Auf lokaler Ebene ist das am dringendsten – dort ist die Politik am nächsten an den Kindern und Menschen dran. Ich möchte nicht, dass Kinder durch Personal mit Essen verköstigt werden, das am untersten Rand verdient“, so Henter.

Daher würde sich der DGB freuen, wenn das NRW-Tariftreuegesetz endlich Wirklichkeit würde: „Es ist ein gutes Jahr her, dass Hendrik Wüst ein Tariftreuegesetz angekündigt hat. Noch ist es nicht über die Ankündigung hinaus gekommen. Aber wir hoffen, dass es umfassend ausgestaltet wird und nicht nur für Landesbetriebe, sondern auch für die kommunale Auftragsvergabe gelten wird“, erklärt Waschulewski. 

Das Klinikum soll eine Facharztstelle für Abtreibungen schaffen

Ein ganz anderes Thema hat der DGB-Frauenausschuss aufgeworfen: Der Abtreibungsparagraphen 218 sei zwar ein bundespolitisches Thema, aber kommunal gebe es Möglichkeiten, Frauen zu helfen, betonte Ada Schnittfeld, Vorsitzende des Ausschusses. Es gebe immer weniger Frauenärzt:innen, die noch Schwangerschaftsabbrüche vornähmen, da die Praxen zunehmend ins Visier von Schmähkampagnen von Abtreibungsgegnern gerieten. 

Ada Schnittfeld ist Vorsitzende des DGB-Kreisfrauenausschusses in Dortmund. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Die Menschen können die OB-Kandidat:innen fragen, ob man in den städtischen Kliniken zum Beispiel eine Arztstelle einrichten kann, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Wir haben in Dortmund nur noch zwei bis drei Frauenärzte – und auch nicht die Jüngsten“, so Schnittfeld. 

Eine Stelle im Klinikum sei ein geschützterer Raum und gebe den Frauen mehr Sicherheit und Unabhängigkeit – nicht wenige würden sich außerhalb von Dortmund – teils sogar im Ausland behandeln lassen, weil es keine freien Termine gebe, so Schnittfeld.

Unabhängig von diesem Thema hat das Gremium gemeinsam mit den Frauenverbänden und dem Forum Frau und Wirtschaft bereits Wahlprüfsteine an die Parteien verschickt. Am 27. Juni wird es auch eine Veranstaltung dazu geben.

Die Gewerkschaften fordern ein städtisches Haus der Weiterbildung

Das Thema „Weiterbildung und lebenslanges Lernen“ stellt die IG Metall in den Mittelpunkt: Das Thema sei zentral für Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk, denn „sie unterliegen einem großen Wandel“, verdeutlicht Ulrike Hölter. Das Thema der CO2-Reduzierung, aber auch die Digitalisierung verändere Arbeitsweisen und Berufsbilder.  

Ulrike Hölter (IG Metall) Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

„Die Endprodukte verändern sich, es gibt Transformationen in den Betrieben, der Leistungsdruck steigt und die Anforderungen verändern sich ständig. Daher brauchen wir ein besseres Weiterbildungsangebot der Stadt an seine Menschen“, so die Bevollmächtigte der IG Metall.  

„Dortmund ist in Strukturwandel erfahren. Die Menschen müssen auch den Mut haben, sich in andere Bereiche zu entwickeln. Wir brauchen daher ein Haus der Weiterbildung, wo Agenturen, Hochschulen und Träger der Weiterbildung ihre Angebote zusammentragen und für Menschen in Veränderungprozessen da sind“, verdeutlicht Hölter.

Dies komme auch dem Bereich der Arbeitsmigration zugute: „Wir haben hier viele Menschen mit Migrationsgeschichte, deren Qualifikationen oft nicht anerkannt werden oder die nicht mit guten Deutschkenntnissen aufwarten können. Da muss nachgeschärft werden“, so Hölter. „Arbeit ist der beste Weg zur Integration. Die Menschen lernen unterschiedliche Lebenswirklichkeiten kennen und entwickeln im Betrieb auch Respekt voreinander. Da könnte sich die Stadt einbringen – nicht nur beim Bürokratieabbau.“

ver.di stellt die Daseinsvorsorge mit allen Facetten in den Mittelpunkt

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di stellt die Daseinsvorsorge mit allen Facetten in den Mittelpunkt: „Bei allen Herausforderungen, ob Klimawandel oder demographischer Wandel, gilt es Rahmenbedingungen zu schaffen, die Menschen gut zu versorgen und als Stadt attraktiv zu bleiben, um Zuzug zu ermöglichen“, fasst Klaus Waschulewski die Positionen und Themen zusammen. Da gehe es auch um Wohnen, Integration und natürlich um gute Arbeit. „Wir müssen Menschen ein Leben ermöglichen, das lebenswert ist, damit sie ihren Teil für die Gesellschaft leisten können.“

Visualisierung: Wirtschaftsförderung Stadt Dortmund

„Gewerkschaftsarbeit macht sich nicht nur an Tarifverhandlungen fest. Wir sehen auch eine politische Verantwortung für die Lebensqualität in den Kommunen: Schafft die Stadt Teilhabe und versorgt alle Menschen mit den lebensnotwendigen Dienstleistungen? Sichert sie in einem ausreichenden Maße Chancengleichheit, Gerechtigkeit und Sicherheit? Dies und mehr sind alles Punkte, die unmittelbar die Lebenswirklichkeit unserer Mitglieder berühren“, fasst Hölter nochmals die Hintergründe für die Broschüre zusammen.

Ergänzend wurden in der Broschüre auch Anregungen und Meinungen von Dortmunder Beschäftigten zur Zukunft der Arbeit aufgeführt. Diese wurden im vergangenen Jahr im Rahmen der Initiative „to:DO Dortmunds neue Arbeit“ gesammelt. „Wenn „Neue Arbeit“ zukünftig auch „Gute Arbeit“ sein soll, darf sie nicht nur aus dem Blickwinkel des Arbeitgebers gestaltet werden, sondern muss auch die Beschäftigten mit einbeziehen“, so Ulrike Hölter.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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