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Eine überraschend gut besuchte Aktion zur Bundestagswahl organisierte SLADO Dortmund eine Woche vor der Bundestagswahl. SLADO e.V. ist der Dachverband der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initiativen in Dortmund. „Wähl Liebe“ ist eine deutschlandweite Aktion der CSD-Bewegung. In 55 Städten gehen sie auf die Straße, um dafür zu werben, bei der kommenden Bundestagswahl das Kreuz für Menschenrechte und für Rechte von queeren Menschen zu setzen.
Community verzeichnet zunehmenden Hass und queerfeindliche Gewalt
Mehrere hundert Menschen demonstrierten in Dortmund vor der Reinoldikirche. Viele hatten bunte Plakate mit originellen Parolen dabei. Es war eine Mischung aus Trotz, Wut und Zuversicht, die die Menschen auf die Straße trieb. Die politische Großwetterlage ist von Spannungen geprägt und das hat auch Folgen für die Lage von queeren Menschen.
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„Wir erleben ja gerade eine Zeit, in der sehr viel Hass ausgeschüttet wird. Es ist eine Zeit der Polarisierung und die Sorge ist natürlich, dass sich das auch gegen uns richtet“, berichtet Paul Klammer von SLADO im Gespräch mit Nordstadtblogger.
„Insgesamt sehen wir in den vergangenen Jahren einen Zuwachs an Gewalt gegen queere Menschen und neuerdings haben wir die Sorge, dass unsere Rechte und Errungenschaften der letzten Jahre wieder zurückgedreht werden“, verweist Klammer auf die queerfeindlichen Positionen von Rechts.
Transaction Dortmund übt scharfe Kritik an CDU und AfD
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„Liebe Mitstreiter:innen, die CDU hat mit der AfD die Brandmauer eingerissen. Wir befürchten weitere Angriffe auf die Menschenwürde“, warnte Payton Gall von Transaction Dortmund leidenschaftlich in seiner Rede auf der Kundgebung.
„Die AfD lehnt queere Selbstbestimmung ab und schürt Hass. Queerfeindliche Gewalt und Bedrohungen nehmen zu. Und die CDU öffnet der AfD die Tür, um das Selbstbestimmungsgesetz abzuschaffen. Wir fordern kämpferische Solidarität gegen diese Hetze. Wählt Liebe und Solidarität“, forderte Payton Gall.
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„Wählt Demokratie und Vielfalt. Die Bedrohung queerer Rechte kommt aus rechtspopulistischen Kreisen. Wir fordern Menschenrechte für alle, unabhängig von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität“, ergänzte Georg Deventer vom Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus.
„Eine Ausstellung in der Steinwache erinnert an die Verfolgung queerer Menschen. Wir müssen verhindern, dass sich Geschichte wiederholt. Am 23. Februar haben wir die Wahl, wie es weitergeht. Lassen wir Vielfalt zu und wählen keine Spalter“, so Deventer, der auch Vorsitzender des Fördervereins der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache ist.
„Wir bieten der Gesellschaft Liebe, Akzeptanz und Zusammenhalt“
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Zum Abschluss sprach Paul Klammer erneut: „Danke, dass ihr in der Kälte ausharrt. Es ist kalt geworden in unserem Land, nicht wegen der Temperaturen, sondern wegen des Hasses. Queere Menschen kennen das. Doch wir haben viel erreicht. Die Kraft der queeren Bewegung zeigt sich in jedem von euch. Wir fordern: Wähl Liebe!“
„Wir bieten der Gesellschaft Liebe, Akzeptanz und Zusammenhalt. Seit über 50 Jahren kämpfen wir für eine Gesellschaft ohne Diskriminierung. Wir haben viel erreicht, aber es bleibt viel zu tun. Der Fortschritt ist bedroht. Wir müssen klare Grenzen setzen gegen Extremismus und für eine bessere Gesellschaft“, forderte der SLADO-Vertreter unter dem Applaus der Teilnehmenden.
„Es braucht Bildung, ein gerechtes Gesundheitswesen und Schutzgesetze. Wir fordern den Schutz queerer Menschen im Grundgesetz. Sprecht mit anderen über die Wahl. Jede Stimme für eine menschenfreundliche Politik zählt. Danke, dass ihr hier seid. Bleibt mutig, laut und stolz“, so Klammer.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
Reaktionen
Ein Lichtermeer für Demokratie und Vielfalt! Kundgebung in Dortmund vor der Bundestagswahl (PM)
Donnerstag, 20.2.2025 ab 18 Uhr in der Dortmunder Innenstadt, Kampstr./Petri-Kirche
Nach dem 5. Jahrestag des Hanauer Anschlags mit neun Todesopfern und den jüngsten Anschlägen wollen wir ein Zeichen gegen Hass und Gewalt – egal aus welcher Richtung – setzen. Wir sind entsetzt über die Taten und wir trauern um die Opfer der Anschläge. Aber wir lassen uns nicht in rassistische Vorverurteilungen und einen Generalverdacht gegen alle Geflüchteten treiben. Wir stehen für ein friedliches Zusammenleben in Vielfalt.
Das Lichtermeer vor der Bundestagswahl soll zeigen, dass wir für eine demokratische und bunte Gesellschaft einstehen. Wir wollen deutlich machen, wie wertvoll eine vielfältige Gesellschaft und unsere Demokratie ist. So wertvoll, dass wir sie nicht rechtsextremen Populisten überlassen und zusehen, wie zunichte gemacht wird was wir in Jahrzehnten gemeinsam aufgebaut haben.
Wir alle brauchen Ermutigung in diesen schwierigen Tagen angesichts einer unsicheren Zukunft. Die Kundgebung besteht darum aus Reden, Gedenken und Musik eines DJ. Höhepunkt ist das Lichtermeer, ein Zeichen unseres gemeinsamen Engagements. Wir lassen uns nicht entmutigen. Dortmund bleibt tolerant und weltoffen, und bunt statt braun- blau! Unser Land braucht jetzt kämpferische Demokrat*innen, mehr denn je! Kommt alle, kommt massenhaft! Zeigen wir, wo diese Stadt steht!
Steh auf, mach mit – Dein Licht für die Demokratie!
Es sprechen u.a.: Friedhelm Evermann, Sonderbeauftragter des Oberbürgermeisters für Vielfalt, Toleranz und Demokratie; Tim Hammerbacher, AWO für die Wohlfahrtsverbände; Friedrich Stiller, Ev. Kirche und Klaus Waschulewski, DGB, für den Arbeitskreis sowie Vertreter*innen des AStA der TU-Dortmund und des Dortmunder Jugendring.
Nordstadtblogger-Redaktion
Auf mehrfache Nachfrage bzw. Wunsch fügen wir als weitere „Kommentare“ die drei Reden von der Demo am Samstag jetzt auch im Wortlaut ein – so wir sie von den Redner:innen bekommen haben.
Redebeitrag von Payton Gall (TransAction Dortmund)
Liebe Mitstreiter*innen für eine solidarische Gesellschaft!
Wir haben alle das Ergebnis der Sitzung des Bundestages vor 2 Wochen mitbekommen. Die Merz CDU hat mit Ankündigung die so genannte Brandbauer eingerissen und versucht jetzt die berechtigten Proteste gegen diesen Tabubruch und gegen diese Menschenfeindlichen Ansichten kleinzureden.
Wir als eine Gruppe queerer Aktivist*innen befürchten, dass die nächsten Angriffe auf die Menschenwürde uns bald bevorstehen und nach dem 23. Februar eingeleitet werden. Die AFD hatte schon immer jede queere Bestrebung für Selbstbestimmung und Schutz kategorisch abgelehnt und schreit immer am lautesten von der “Gender Ideologie”, welche unsere Kinder verstümmeln würde und Deutschland in den Untergang stosse.
Seit Jahren steigt die Anzahl an queerfeindlichen Gewalttaten, genauso wie auch die Zahl von obdachlosen Queers, Queers in unsicheren Lebensverhältnissen und Queers in Armut. CSDs werden immer häufiger bedroht, Regenbogenflaggen werden abgerissen oder beschmiert und die Zahl der täglichen Beschimpfungen kann eigentlich nur geschätzt werden.
Die AFD ist und bleibt mit ihren Menschenfeindlichen Aussagen auf jeder Bühne, die sie bekommt, der Haupt-Brandstifter für diese Gewalt!
Die CDU hat nun die Tür geöffnet nach der Wahl zusammen mit der AFD das hart erkämpfte Selbstbestimmung Gesetz wieder abzuschaffen. In den 6 Jahren von 2015 bis 2021 hat die CDU entgegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts an dem Transsexuellengesetz festgehalten, obwohl dieses die Menschenwürde verletzte.
In den Debatten im Bundestag wurden von der AFD und von der CDU immer die gleichen ausgedachten Feindbilder vorgeschoben; Beide haben schon angekündigt, das Selbstbestimmungs-Gesetz wieder abzuschaffen; Beide stellen sich gegen die Aufnahme von queeren Identitäten in den Artikel 3 des Grundgesetzes; Beide werden auch die Ehe-Für-Alle angreifen.
Wir können im Angesicht dieser direkten Angriffe auf unsere Rechte und unsere Leben nur eines fordern: kämpferische Solidarität!
Gemeinsam müssen wir den queerfeindlichen Arschlöchern, Konservativen und Faschist*innen entgegentreten, egal ob auf der Straße oder im Parlament! Deswegen wählen wir nächste Woche Liebe, also Parteien, die bei dieser Menschenverachtenden Hetze nicht mitmachen, aber nicht nur das!
Wir wählen auch Solidarität als unsere Waffe! Wir stehen zusammen mit allen anderen, die unter der CDU und der AFD leiden werden. Wir unterstützen uns gegenseitig bei unseren Protesten und lassen einander nicht im Regen stehen.
Schulter an Schulter gehen wir Queers gegen Rassismus und Armut auf die Straße. Und wo es nötig sein wird, werden wir auch zusätzlich den Widerstand wählen. Wir sagen ganz klar Nein! Keinen Schritt weiter nach Rechts! Wir stehen hier an einem Abgrund und blicken in eine schreckliche Zukunft, wenn wir uns weiter treiben lassen. Daher sagen wir ganz klar: Wir werden erst ruhen, bis es keine Diskriminierten, Ausgestoßenen, Verurteilten, Verletzte oder Tote mehr zu betrauern gibt!
Queers in die Offensive, Faschist*innen in den politischen Tod!
Redebeitrag von georg Deventer (AKgR)
Grußwort 15.02.25 – SLADO / CSD Demo der queeren Bewegung in Dortmund
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung.
„Wähl die Liebe“ so lautet heute der Aufruf von SLADO und dem Team des CSD. „Wähl Demokratie und Vielfalt“, so möchte ich ergänzen. Im Namen des Arbeitskreis Dortmund gegen Rechtsextremismus und als Vorsitzender des Fördervereins Gedenkstätte Steinwache- Intern. Rombergparkkomitee möchte ich heute unsere Solidarität bekunden.
Die Bedrohung der Rechte queerer Menschen stammt maßgeblich aus der Agitation rechtspopulistischer und rechtsextremer Kreise. Das ist die gleiche menschenfeindliche Haltung, die auch gegen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und anderer Minderheiten gerichtet wird.
Was wollen wir ? Die Einhaltung der Menschenrechte für alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität.
Was wollen wir ? Mehr Gleichberechtigung und ein friedliches, tolerantes Miteinander
Seit vielen Jahren erinnern wir am Antikriegstag an der Steinwache gemeinsam auch an die Opfer queerer Menschen, an ihre Verfolgung, Ermordung, an das große Leid, das der Nationalsozialismus auch hier so vielen Menschen zugefügt hat.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine sehenswerte Ausstellung in der Steinwache hinweisen, zur Geschichte des § 175, zur gesellschaftlichen und politischen Ächtung sowie zur strafrechtlichen Verfolgung queerer Menschen. Diese Ausstellung ist auch eine Mahnung, die Rechte queerer Menschen nicht einzuschränken. Die Ausstellung ist in der Steinwache noch bis Mai zu sehen.
Wir haben die Verantwortung, die Lehren daraus zu ziehen und das sich die Geschichte nicht wiederholt. Die Gefahren liegen heute in den Programmatiken rechter Demagogen, die unverhohlen die erkämpften Rechte queerer Menschen wieder einschränken wollen. Die Gefahren liegen aber auch in der Gleichgültigkeit in unserer Gesellschaft, zuzulassen, dass Stigmatisierung und Intoleranz wachsen.
Wir haben am 23. Februar die Wahl, wir haben eine richtungsweisende Wahl, wie es in unserem Land weitergeht. Lassen wir Unterschiedlichkeit zu, geben wir allen Menschen die Chance für ein Leben in Würde und Freiheit. Und wählen wir alle Demagogen und Spalter nicht in unsere Parlamente.
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, am 20. Februar – nächste Woche Donnerstag veranstalten wir vom AKS DO gegen Rechtsextremismus von 18-20 Uhr nördlich von der Petrikirche an der Kampstraße eine Kundgebung für Demokratie und Vielfalt. Wir laden dazu herzlich alle ein, ein Licht mitzubringen und Zeichen zu setzen unter unserem Motto : Ein Lichtermeer für Demokratie und Vielfalt.
Mit Zuversicht und Glückauf
Georg Deventer
Redebeitrag von Paul Klammer (SLADO)
Danke, dass ihr solange in der Kälte ausharrt. Es ist kalt geworden in unserem Land. Nicht, weil die Temperaturen gefallen sind. Sondern weil es wieder hoffähig geworden ist, Menschen aufgrund unveränderlicher Merkmale pauschal zu verurteilen. Weil wir jeden Tag Hassbotschaften hören. Wir queere Menschen kennen das: aufgrund unserer geschlechtlichen Identität oder aufgrund unserer sexuellen Orientierung fällen Menschen Urteile über uns. Es ist uns aber – und vor allem den vielen Menschen, die vor uns kamen, zu verdanken, dass diese Urteile über uns im öffentlichen Diskurs jetzt für viele Jahre keine große Rolle mehr gespielt haben.
Das wir das erreicht haben, das zeugt von der Kraft der queeren Bewegung. Das ist die Kraft der CSD-Bewegung. Ich möchte, dass ihr diese Kraft spürt. Schaut euch den Menschen links von euch an. Schaut euch den Menschen rechts von euch an. Was seht ihr? Ihr seht Menschen, die stolz auf sich sein können. Ihr seht mutige Menschen, die heute hier auf die Straße gehen, damit es anderen Menschen in Zukunft besser geht, nicht schlechter. Ihr seht Menschen, die für ein besseres Leben einstehen. Das ist die Kraft der queeren Bewegung!
Wir gehen heute hier auf die Straße mit einer Forderung: Wähl Liebe!
Ja, wir sind wütend. Ja, wir sind besorgt. Ja, wir haben auch Angst. Darüber wird noch zu sprechen sein. Aber wir haben etwas Besseres zu bieten als Wut und Sorgen und Angst.
Wir bieten dieser, unserer Gesellschaft Liebe, Akzeptanz und Zusammenhalt an. Das ist die Kraft der queeren Bewegung. Und ihr seid der lebende Beweis dafür. Seit mehr als 50 Jahren gehen queere Menschen auf die Straße – für ihre Rechte, aber auch für eine andere Gesellschaft. Nämlich für eine Gesellschaft, in der Menschen eben nicht nach unveränderlichen Merkmalen diffamiert, verdächtigt und verurteilt werden. Für eine Gesellschaft, in der wir akzeptieren, dass andere Menschen anders sind. Für eine Gesellschaft, in der wir wertschätzend und offen miteinander umgehen.
Die Menschen, die vor uns dafür auf die Straße gegangen sind, haben viel riskiert: ihre Karriere, ihre Familie, ihre Gesundheit – und manche von ihnen auch ihr Leben. Aber am Ende haben sie mehr erreicht, als sie träumen konnten. Und sie haben die Gesellschaft zum Besseren verändert: Wenn lesbische Mütter und schwule Väter als verantwortungsvolle Eltern wahrgenommen werden, dann hilft das allen Eltern, ihre Rollen freier zu gestalten. Wenn trans* Personen offen in ihrer wahren Identität leben können, dann hilft das allen Menschen, mutig zu sich selbst zu stehen. Wenn queere Menschen in allen Lebensbereichen selbstverständlich und sichtbar sind, sei es als Busfahrer*in, als Künstler*in, als Manager*in oder in der Politik, dann ist das eine Einladung an alle, das eigene Leben authentisch zu leben. Das ist das bessere Leben, für das Aktivist*innen gekämpft haben!
Das alles ist nicht von allein so gekommen. Bis vor gut 30 Jahren wurden schwule Männer als gesellschaftsschädlich wegen ihrer Liebe verurteilt. Bis in die 1990er Jahre hinein wurde lesbischen Müttern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen, wenn sie sich von ihrem Ehemann getrennt haben, um mit einer Frau zu leben. Bis vor 17 Jahren wurden trans* Personen dazu gezwungen, ihre Ehe scheiden zu lassen, bevor sie ihren Geschlechtseintrag ändern konnten. Von den zahllosen Zurücksetzungen, abrupten Karrierebrüchen, zerrissenen Freundschaften, Kummer, Gewalt und Schlimmerem will ich heute gar nicht sprechen. Die Beispiele zeigen deutlich, wie Gesellschaft und Politik vor noch nicht allzu langer Zeit in ihrer Mehrheit auf queere Menschen geblickt haben: als Bedrohung für Sicherheit, Ordnung und Moral. Das ist noch nicht so lange her! Aber es ist vorbei!
Warum ist es vorbei? Weil Menschen wie ihr auf die Straße gegangen sind. Weil Menschen wie ihr gegen alle Widerstände ihr Recht eingefordert haben. Ein Recht, das niemand anderem etwas wegnimmt. Weil sie ein Umdenken in der demokratischen Mitte ausgelöst, ohne das keine politische Veränderung möglich ist. Weil Menschen wie ihr [-] ihr Leben mit offenem Visier und mit dem vollen Risiko gelebt haben und allen gezeigt haben: Hier bin ich und ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut. Nur so entstehen Liebe, Akzeptanz und Zusammenhalt.
Und doch bleibt jetzt so viel zu tun. Und gerade jetzt ist dieser Fortschritt bedroht wie noch nie. Es gibt zum ersten Mal seit vielen Jahren eine Zählmehrheit in den Wahlumfragen für Parteien, die queere Rechte und Errungenschaften einschränken wollen. Dieser Wahlkampf ist in weiten Teilen geprägt von einer Menschenfeindlichkeit, die wir nicht akzeptieren können! Menschen werden wieder aufgrund ihrer unveränderlichen Merkmale pauschal verdächtigt und verurteilt. Wer auch nur ein bisschen von der queeren Geschichte versteht, die ich gerade skizziert habe, der versteht, warum uns das Angst macht.
Spätestens mit dem Antrag von CDU und CSU zur Migration, der vor zwei Wochen im Bundestag eine Mehrheit gefunden hat, ist klar: politische Mehrheiten gegen gesellschaftliche Minderheiten sind wieder möglich in unserem Land. Und zum ersten Mal ist eine Bundestagsmehrheit nur mit Hilfe einer rechtsextremen Partei, der AfD, zustande gekommen. Wir sagen hier: Das war ein Fehler! Es war ein Fehler, weil der Antrag kein Problem löst. Es war ein Fehler, weil er der AfD eine Bedeutung verschafft, die ihr nach ihrem Handeln in unserer Demokratie nicht zugestanden werden darf. Es war ein Fehler, weil dieser Antrag sich pauschal gegen eine Gruppe von Menschen richtet und ihnen aufgrund eines unveränderlichen Merkmals, nämlich ihrer Herkunft, Rechte abspricht. Nämlich das Recht, in Deutschland Schutz vor Verfolgung zu suchen.
Für mich ist das vor allem deshalb so irritierend, weil wir hier in Dortmund etwas anderes erleben. Im Dortmunder Rat halten die Parteien des demokratischen Spektrums, von Linke bis zur CDU die Abgrenzung zur extremen Rechten aufrecht. Und alle Parteien unterstützen die queerpolitischen Fortschritte der vergangenen Jahre. Es geht also auch anders.
Und trotzdem macht die Entscheidung im Bundestag vielen queeren Menschen Angst. Denn sie zeigt: Mehrheiten gegen Menschen sind in diesem Land wieder möglich. Und es geht in diesem Wahlkampf viel um diese Angst. Viele Politiker*innen versuchen, mit Angst Wähler*innen zu mobilisieren. Auch nach dem Anschlag am Donnerstag in München werden sie weiter auf Angst setzen. Versteht mich nicht falsch: Auch queere Menschen brauchen Sicherheit und Schutz vor Gewalt. Nur was uns als queere Menschen wirklich bedroht, darüber spricht kaum jemand.
Queerfeindliche Gewalt geht von einem Weltbild aus, das Männer über Frauen stellt, das starre Rollenmuster propagiert und Gewalt zur Durchsetzung für legitim erklärt. Solche Weltbilder finden sich eben nicht nur bei islamistischen Attentätern, sondern ganz besonders bei der extremen Rechten, aber in Teilen eben auch bis weit in die sogenannte gesellschaftliche Mitte. Diese Weltbilder bedrohen nicht nur queere Menschen, sondern ganz viele, die keinen Bock haben auf Machogehabe, auf das Kleinmachen von Frauen, die keinen Bock auf Gewalt haben und ihr eigenes Leben frei und selbstbestimmt leben wollen. Deswegen ist auch inakzeptabel, dass jemand, der in Deutschland im Jahr 2025 Bundeskanzler werden will, in Abrede stellt, dass es mehr als Geschlechtsidentitäten als Frauen und Männer gibt.
Was können wir tun, um diese Weltbilder zu verändern? Was können wir tun, um eine bessere Gesellschaft für alle zu schaffen? Darüber redet in diesem Wahlkampf kaum jemand. Deswegen tun wir es heute hier.
Wir fordern mehr Liebe in der Politik. Und Liebe heißt auch: Klare Grenzen setzen. Keine Zusammenarbeit mit extremen Parteien, die die Demokratie beschneiden wollen. Klare Kante gegen Islamismus, Antisemitismus und Rassismus. Klare Kante gegen Behindertenfeindlichkeit, gegen Sexismus und gegen Queerfeindlichkeit.
Nur wenn es uns gelingt, diese Ausschlüsse zurückzudrängen, dann werden wir als Gesellschaft vorankommen. Was braucht es dafür? Wir brauchen eine gute Bildungspolitik, die nicht nur in der Schule, sondern in allen Bereichen des Lebens vermittelt, wie alle zu einem friedlichen Miteinander beitragen können. Das ist zum Beispiel das Bundesprogramm Demokratie leben!, das auch viele queere Initiativen fördert. Nicht alle Parteien wollen das weiter fördern.
Wir brauchen ein Gesundheitswesen, das Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität, ihrer Herkunft, ihrem Wohnort oder ihrem Geldbeutel adäquat versorgt.
Wir brauchen eine wirksame Regulierung von Social-Media-Plattformen, in denen ungehindert die übelste Hetze, insbesondere gegen queere Menschen, verbreitet wird und die Herzen vergiftet.
Wir brauchen Gesetze, die uns wirksam vor staatlichen und privaten Übergriffen schützen. Deswegen muss das Selbstbestimmungsgesetz erhalten und nachgebessert werden. Deswegen muss das neue Gewaltschutzgesetz so erweitert werden, dass auch trans* und nichtbinäre Menschen geschützt sind. Deswegen muss das Familienrecht endlich reformiert werden, damit lesbische Mütter von Anfang an die rechtlichen Eltern ihrer Kinder sind.
Und wir brauchen ein Grundgesetz, das queere Menschen wirksam schützt, vor denen, die unsere Rechte offen infrage stellen. Wir begehen in diesem Jahr, in zwölf Wochen, das Ende des Zweiten Weltkriegs und das Ende des Faschismus in Deutschland. 80 Jahre ist das her. Und nach 80 Jahren stehen queere Menschen, stehen Schwule, Lesben und trans* Personen als einzige Gruppe der von den Nazis verfolgten und ermordeten Menschen immer noch ohne einen expliziten Schutz durch das Grundgesetz da. Die Aufforderung geht an alle Parteien: Erweitert den Artikel 3 des Grundgesetzes und schützt endlich Menschen vor Diskriminierung und Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität!
Von diesen Themen hören wir in diesem Wahlkampf wenig bis nichts. Dabei würden sie unsere Gesellschaft voranbringen. Deswegen müssen wir über diese Themen reden. Heute hier, morgen, vor der Wahl und nach der Wahl. Denn eine solche Politik stärkt den Zusammenhalt. Sie verringert Gewalt und Härte. Sie trägt dazu bei, dass alle Menschen besser leben. Eine Gesellschaft, in der sich niemand verstecken muss, eine Gesellschaft, in der Menschen keine Angst haben müssen, in der Schule gemobbt zu werden, im Krankenhaus unzureichend versorgt zu werden, in Geschäften und auf Behörden respektlos behandelt oder abgewiesen zu werden – eine solche Gesellschaft hilft allen Menschen, nicht nur queeren Menschen. Eine Gesellschaft, in denen das Recht und die Stärke unserer Verfassung auf der Seite der Menschen ist, das wünsche ich mir und das fordere ich von den demokratischen Parteien.
Was braucht es dafür? Es braucht politische Initiativen. Es braucht eine laute Zivilgesellschaft. Es braucht die Suche nach Lösungen zwischen den demokratischen Parteien. Aber vor allem braucht es euch: Es kommt auf jede und jeden von euch an. Schaut euch den Menschen links von euch an. Schaut euch den Menschen rechts von euch an. Was seht ihr? Ihr seht Menschen, für die ihr etwas bewegen könnt. Denkt an eure Freund*innen. Denkt an die Menschen, die heute nicht hier sein können, weil sie sich nicht aus dem Haus trauen, weil sie krank sind, weil sie gerade arbeiten. Diese Menschen brauchen euch.
Was könnt ihr tun? Es bleibt nicht viel Zeit, um jetzt etwas zu verändern. In einer Woche ist Bundestagswahl. Sprecht heute und jeden Tag bis zur Wahl eine Person an und fragt sie, ob sie am 23.2. wählen geht. Wenn sie nicht wählen will, dann bittet sie, sich das nochmal zu überlegen. Erzählt ihnen, was euch gerade bewegt und warum es für euch wichtig ist, wählen zu gehen. Wenn sie noch nicht weiß, wen sie wählen will, dann helft der Person. Macht mir ihr den Wahlomat. Schickt ihr Wahlprüfsteine oder redet einfach darüber, wie ihr zu eurer eigenen Entscheidung kommt.
Das ist wirklich wichtig. Jetzt zählt jede Stimme. Jede Stimme für eine menschenfreundliche Politik hilft dabei, dass die Fortschritte der vergangenen Jahre erhalten bleiben. Jede Stimme macht deutlich, dass wir mit am Tisch sitzen und man mit uns rechnen muss, wenn es um unsere Rechte und um Menschenrechte in unserem Land geht.
Ich danke euch, dass ihr hier seid! Bleibt mutig, bleib laut, bleibt proud.