Ausstellung zeigt bis 16. März 2025 acht künstlerische Positionen

I’m Not My Body: Aber wenn ich nicht mein Körper bin, was bin ich dann? Ideen gibt’s im Künstlerhaus

Fröhliche Eröffnungsrunde: Kuratorin Adriane Wachholz (3. v. l.) mit Künstlerhaus-Chefin Pia Wojtys (4. v. l.) und fünf von acht der ausstellenden Künstler:innen. Im Hintergrund eine großformatige Malerei von Thomas Zitzwitz (1. v. r.). Etta Gerdes

„Die Sprache offenbart uns eine tiefgründige Erkenntnis: Ich bin nicht mein Körper, ich habe einen Körper,“ erklärt Künstlerin Adriane Wachholz. Aber was ist dieses Mehr, das uns als Menschen ausmacht? Und wie ist das mit dem Körper in der Kunst? Mit der von ihr konzipierten Ausstellung im Dortmunder Künstlerhaus, will sie der Sache auf den Grund gehen.

Von Raum zu Raum: ein wilder Ritt der Assoziationen

Es ist eine große Frage, die der aktuellen Ausstellung „I’m Not My Body“ im Künstlerhaus zugrunde liegt – sie lautet im Grunde: Was ist der Mensch? Und damit nicht genug. Kuratorin und Künstlerin Adriane Wachholz lädt gleichzeitig ein, auch darüber nachzudenken, was denn die Kunst ist. Wachholz fragt: „Wie entsteht das Bild? Wie wird es zum Leben erweckt?“ Das sind viele Fragen auf einmal und – um es gleich zu sagen – eine Antwort gibt es nicht. Aber schöne Ideen.

Detail der Installation von Isabella Fürnkäs. Etta Gerdes

Isabella Fürnkäs bedient sich mit ihrem Werk der Philosophie. Sie hat eine Art Laborraum inszeniert. Mundgeblasene Glastropfen hängen von der Decke, gefüllt mit Ethanol.

Rote Farbspuren wecken Assoziationen an alchemistische Vorgänge und es scheint noch in den Gefäßen zu pulsieren. In die Glastropfen sind Worte eingraviert, „Rache“ zum Beispiel. Wurden hier Emotionen konserviert?___STEADY_PAYWALL___

Es wabert und raunt durch den Raum – über Kopfhörer hören Besuchende Auszüge aus Texten des französischen Philosophen Gilles Deleuze aus den 70er Jahren. Fürnkäs nennt ihre Arbeit auch „The Desiring Machines“ nach dem von Deleuze und Félix Guattari geprägten Begriff der „Wunschmaschine“. Alles zusammen genommen ein wilder Ritt der Assoziationen.

Interesse an Schwebezuständen, Volumen und Zwischenräumen

Konkreter wird es im großen Saal bei Andrea Knobloch – dabei liest sie auch gern mal aus dem Kaffeesatz. Ihre großformatigen Aquarelle basieren zum Teil auf verschütteter Flüssigkeit, eben auch mal einer Tasse Kaffee. Aus diesem Prozess entwickelt sie ihre Formen und Volumen, die mal Wolken und mal – etwas weniger betörend – an Gedärme erinnern.

„Eigentlich komme ich vom Aktzeichnen“, erzählt Knobloch „ich habe mich viel mit dem Körper auseinandergesetzt.“  Ihr Interesse gilt aktuell eher den Zwischenräumen und der Frage, was ist unter der Oberfläche? Ihre Gebilde wirken leicht, aber sie sind kompakt – ihre Malerei eher ver- als enthüllend.

Eröffnung der Ausstellung „I’m Not My Body“, im Hintergrund Arbeiten von Andrea Knobloch. Etta Gerdes

Auch Jorinde Voigt interessiert sich für Volumen. Elf Bilder ihrer Serie „Synchronicity“ wurden auf zwei Räume verteilt. Thema der Serie ist ihre Faszination für das Fliegen, sie erforscht Flugbahnen und Flugkörper.

Voigt arbeitet akribisch und gestaltet ihre schwarze Farbflächen vollständig mit Federn. Die Kompostionen werden durch Formeln und Hinweise auf Rotationsachsen oder auch Flugrichtungen ergänzt. Es ist der Versuch, die Leichtigkeit des Luftraums zu erfassen.

Schwebezustände beschäftigen auch Jeannette Schnüttgen, die den Zwischenraum ganz wörtlich nimmt. Sie hat einen Verbindungsgang im Künstlerhaus genutzt, um ihre Objekte aus Seilen und Watte zu präsentieren, bei denen man nicht weiß, ob sie anschwellen oder erschlaffen.

Der künstlerische Schaffensprozess als spirituelle Kommunikation

Und so geht es weiter durch das Künstlerhaus – stets auch begleitet durch die Malerei von Thomas Zitzwitz, dessen Bilder sich durch die gesamte Ausstellung ziehen. Seine „Farbräume“ sind eher Stimmungen, die Bilder selbst auch mal wie Körper inszeniert – an die Wand gelehnt, wie Objekte.

Blick in die neue Ausstellung im Künstlerhaus Dortmund: Vorn die Skizzenbücher von Bettina Scholz, an der Wand Malerei von Thomas Zitzwitz Etta Gerdes

Bettina Scholz zeigt ihre Skizzenbücher – und zeigt sie doch nicht. Jedenfalls nicht vollständig. Auf Stativen sind sechs der Bücher ebenfalls eher wie Objekte präsentiert, doch leider können Besuchende aus konservatorischen Gründen nicht selbst darin blättern. 700 Bilder könnte man entdecken – und wer öfter kommt, wird sicher etwas Neues sehen, denn während der Ausstellung wird immer mal wieder eine Seite umgeblättert.

Ganz für sich allein, auf dem Boden, präsentiert Jessica Maria Toliver ihre Arbeit „Lichtes Blau (Leaving The Sheets)“. In ihrem Objekt verbindet sie die Gegensätzlichkeit von Papier, Fotografie und Glas – es wirkt stabil und zerbrechlich zugleich. Für sie ist es ein ganz besonderes Werk, denn es basiert auf einer persönlichen, spirituellen Erfahrung: „Die Arbeit kam zu mir“, sagt Toliver und sieht eine direkte Verbindung zwischen ihrem Entstehungsprozess und dem Tod ihres Vaters.

Künstler:innen als Medium, der künstlerische Schaffensprozess als spirituelle Kommunikation – in diese Richtung geht auch die Videoarbeit „Earth Rhythms“ von Ayumi Paul, die den Rundgang abschließt. Die Künstlerin steht allein in der Landschaft, spielt Geige, dunkle Wolken ziehen auf – am Ende scheinen beide miteinander verschmolzen.

Kunst als Verbindung verschiedener Erfahrungs- und Geisteswelten erleben

Wenn also der Mensch mehr ist als sein Körper, dann ist vielleicht auch das Kunstwerk mehr – nämlich das Ergebnis der Verbindung verschiedener Erfahrungs- und Geisteswelten. Eine Idee, die Adriane Wachholz selbst nah liegt, denn sie beschäftigt sich auch mit Tiefenökologie, Astrologie oder Reiki. Nach 13 Jahren verläßt sie das Künstlerhaus und diese Ausstellung ist auch ihr Statement zum Abschied.

Labor im Untergrund: Zu ihrem Abschied aus dem Künstlerhaus zeigt Adriane Wachholz im Keller noch einmal eigene Arbeiten unter dem Titel „One Moment in Time“. Etta Gerdes

Parallel zur Ausstellung zeigt sie im Keller des Hause – dem sogenannten Laboratorium – auch noch mal eigene Arbeiten unter dem Titel „One Moment in Time“.

Den Mittelpunkt bildet eine Art Wirbel, darunter schillert Bismut – ein Material das sie fasziniert, denn „es ist leicht radioaktiv und hat eine Halbwertzeit von 19 Trillionen Jahren“, erklärt Wachholz. „Die großen Fragen von Zeit und Raum, Linearität und Vorstellungskraft, bewegen mich in meinem Schaffensprozess.“

Für das Finale hat sie sich noch einmal etwas ganz besonderes ausgedacht: eine Bildmeditation mit der Yoga-Lehrerin Suzanne Josek. „In dieser meditativen Erfahrung kommen wir – als Körper, Geist, Atem – den Kunstwerken und ihren Körpern auf vielfältigen Wahrnehmungsebenen näher“, verspricht das Programmheft. Wer es ausprobieren will hat am 16. März um 17 Uhr die Gelegenheit. „Wer weiß, vielleicht sind wir am Ende selbst ein (unvollendetes) Kunstwerk?“

Weitere Informationen

  • Die Ausstellung läuft bis 16. März 2025.
  • Geöffnet Donnerstag – Sonntag, 16 bis 19 Uhr, Eintritt frei
  • Künstlerhaus Dortmund, Sunderweg 1, 44147 Dortmund
  • zur Webseite des Dortmunder Künstlerhaus 

Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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