Im NS-Regime wurden schwule Männer verfolgt. Wer überlebte, hatte später kaum Chance auf Wiedergutmachung. Die Ausstellung in der Gedenkstätte Steinwache wirft einen Blick auf antihomosexuelle Gesetzgebung und wird am Donnerstag, 23. Januar, um 19 Uhr eröffnet.
Queere Menschen wurden in Zeiten von Diktatur, Monarchie und Demokratie verfolgt
Es sind Plakatwände mit zum Teil schockierenden Fotos und Informationen: Kastrationen als „Heilmittel“ , Verfolung und kaum Wiedergutmachung. Die Ausstellung „Im Namen des Volkes – Paragraph 175 StGB im Wandel der Zeit“ zeigt die Verfolgung homosexueller Männer und die Entwicklung der Gesetzgebung, die erschreckend spät geändert wurde. Sie wirft aber auch einen Blick auf die persönlichen Geschichten der Verfolgten.
Queere Menschen in Deutschland wurden mit dem Paragraphen 175 verfolgt, sowohl in Zeiten von Diktatur und Monarchie als auch in der Demokratie. „Gerade heute ist es wichtig, daran zu erinnern, dass demokratische Verhältnisse allein noch keinen Schutz von Menschenrechten garantieren. Es braucht auch streitbare Demokrat*innen, die für die Rechte von Minderheiten eintreten“, sagt Paul Klammer, Geschäftsführer von SLADO.
Der Dachverband der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initiativen in Dortmund. Der Verein kooperiert mit der Steinwache bei dieser Ausstellung. „Lange Zeit waren Schwule, Lesben, Bisexuelle, trans*, inter* und andere queere Menschen dabei auf sich selbst gestellt. Auch daran wird in der Ausstellung erinnert.“
Geschichte antihomosexueller Gesetzgebung
Erst im Jahr 1969 wurden die Paragraphen 175 und 175a StGB erstmals liberalisiert und erst 1994 als Folge der deutschen Wiedervereinigung endgültig aufgehoben. Das Centrum Schwule Geschichte (Köln) schlägt mit der Ausstellung einen Bogen quer durch die Geschichte antihomosexueller Gesetzgebung auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Die Ausstellung richtet ein besonderes Augenmerk auf das Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens.
„Das Dortmunder Polizeigefängnis, die Steinwache, war ein zentraler Ort staatlicher Verfolgung im Nationalsozialismus. Betroffen waren auch hunderte schwule Männer, die teilweise von hier aus in Konzentrationslager deportiert wurden“, so Dr. Markus Günnewig, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache. Er weist besonders auf die junge Geschichte der Abschaffung des Paragraphen.
„Als 1992 die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache eröffnet wurde, war Homosexualität immer noch illegal. Die Geschichte des Hauses spiegelt also in ganz besonderer Weise die Geschichte des repressiven staatlichen und gesellschaftlichen Umgangs mit sexueller Vielfalt.“
Vorträge über Lebensgeschichten und zur Verfolgung durch Behörden
Zur Eröffnung der Ausstellung erzählt Kurator Marcus Velke nicht nur die Biographien von verfolgten Männern nach dem sogenannten „Schwulenparagraphen“, sondern beleuchtet auch die Auswirkung auf die Lebensgeschichten von Lesben und Trans*, die ebenfalls Opfer von Verfolgung, Diskriminierung und Gewalt wurden. Um 19 Uhr startet der Vortrag in der Gedenkstätte, Steinstraße 50. Die Ausstellung wird bis zum 30. April 2025 in der Steinwache gezeigt.
Am Dienstag, 4. Februar, gibt es um 19 Uhr ein Vortrag über das Verfolgungsprogramm der Machthaber. In der NS-Zeit gingen Polizei und Justiz massiv gegen homosexuelle Männer vor: Paragraph 175 des Strafgesetzbuches, der homosexuelle Handlungen mit Gefängnis bedrohte, wurde 1935 erheblich verschärft, bis 1945 kam es zu etwa 50.000 Verurteilungen. Der Historiker Dr. Alexander Zinn beleuchtet in seinem Vortrag die Verfolgung, die sich immer weiter radikalisierte, die Rolle von Polizei, Justiz und Bevölkerung sowie die Auswirkungen auf die Betroffenen.