Die Partei „Dava“ zieht ein Jahr nach ihrer Gründung in den Wahlkampf – und mit ihr heftige Diskussionen. Kritiker:innen sprechen von Verbindungen zur türkischen AKP und zu islamistischen Organisationen. Es stellt sich die Frage: Wer beeinflusst den deutschen Wahlkampf wirklich?
Die „Dava“ sieht sich selbst als Vertreterin von „Minderheiten“ in Deutschland
Im Januar 2024 gründete sich in Deutschland die „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ kurz „Dava“. Die Partei versteht sich als Repräsentantin all jener Gemeinschaften, „die durch ihre harte Arbeit, vielfältige Kultur und ihr soziales Engagement wesentlich zum Aufbau und zur Entwicklung Deutschlands beigetragen haben“, erklärt sie auf ihrer Webseite.
Ihre Schwerpunkte setzt die „Dava“ nach eigenen Angaben auf eine pluralistische Gesellschaft: „Wir verpflichten uns zu einem Europa, in dem Diskriminierung, Antisemitismus, Nationalismus und Rassismus keinen Platz haben“, heißt es in dem Programm der jungen Partei. ___STEADY_PAYWALL___
Ein starker Gegensatz zu der Kritik, die es seit der Gründung der Partei hagelt. Max Lucks, Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, nannte die „Dava“ im „zdf heute“ Interview im Januar 2024 eine „türkische Version der AfD“, an deren Spitze sich ehemalige Vorsitzende antisemitischer und islamistischer Organisationen befänden.
Musk, Putin und Erdogan: Wie der deutsche Wahlkampf beeinflusst wird
Und tatsächlich: Nicht nur der AfD wird der Einfluss durch populistische Politiker anderer Länder vorgeworfen, sondern auch die „Dava“ sieht sich damit konfrontiert. Ein großer Kritikpunkt: Die Partei stehe der türkischen „AKP“, der Partei Erdogans, nahe – sowohl inhaltlich als auch personell.
Die drei Spitzenkandidaten der „Dava“ zur Europawahl entstammten dem „AKP“-Netzwerk in Deutschland, zu dem der religiöse Dachverband DITIB und die bundesweit aktiven Bewegungen „Union Internationaler Demokraten“ (UID) sowie „Milli Görus“ zählen. Letztere rechnen die Verfassungsschutzämter dem „legalistischem Islamismus“ zu.
Medienberichten zufolge soll der Dava-Vorsitzende Mehmet Teyfik Özcan zudem bis August 2023 regelmäßig Artikel bei einem deutschen Ableger des türkischen Staatssenders publiziert haben.
Bei der Europawahl erzielte die „Dava“ 148.000 Stimmen
Michael Stübchen, Vorsitzender der Innenministerkonferenz erklärte ebenfalls im „zdf heute“ Interview, eine solche Partei werde „ausschließlich im Sinne ihrer türkischen Mutterpartei agieren.“ Das ist nichts Neues: Expert:innen beobachten seit den 2000er Jahren eine verstärkte Lobby-Arbeit der „AKP“ in Deutschland.
Im Sommer trat die „Dava“ – damals noch als politische Vereinigung – zur Europawahl an. Sie erzielte 148.000 Stimmen. Zur Bundestagswahl im Februar ist sie grundsätzlich zugelassen und auch bei der nordrhein-westfälischen Kommunalwahl im September werden Wählende ihr Kreuz bei der „Dava“ machen können.
So verwunderte es auch nicht, dass die „Dava“ am vergangenen Freitag (10. Januar 2025) am Rande einer Versammlung in der Dortmunder Innenstadt Unterschriften sammelte. Die Kundgebung sprach sich gegen „Waffenlieferungen für die Massentötung in Palästina“ aus.
„Dava“ nahe Kundgebung Dortmund am vergangenen Freitag
An der Spitze nahmen laut Polizei zwanzig bis dreißig Personen an der Veranstaltung teil. Sie riefen „von der Welle bis zur Welle, Kriegsverbrecher in die Zelle“ und forderten die Inhaftierung des rechtsextremen israelischen Premierministers Netanyahu und der deutschen Außenministerin Anna-Lena Baerbock (Grüne).
Ein Redner sagte, er erlebe eine Entfremdung von den „etablierten Parteien“ und fühle sich von „den Medien“ enttäuscht. Besonders schlimm sei, dass Menschen nicht mehr das sagen könnten, was sie wollten, sagte er und verwies dabei auf den Auflagenkatalog der Polizei. Diese Auflagen untersagen jedoch nur Aussagen, die strafrechtlich relevant sind. Beispielsweise solche, mit volksverhetzendem Inhalt.
Während der Kundgebung interviewten Journalisten des Senders „Kanal 7“ die Teilnehmenden und Redner:innen der Kundgebung. Der Fernsehsender mit Sitz in Istanbul ist Teil der „Istanbul Metropolitan Municipality president“, der staatlichen Agentur, deren Inhaber Präsident Erdogan ist.
Kundgebung hatte Bezug zum „Pro-Palästina-Camp“ in Dortmund
Deutlich wurde auf der Veranstaltung auch die Nähe zum „Pro-Palästina-Camp“, das mehrere Monate lang an der TU Dortmund stattgefunden hatte. Zum Ende der Kundgebung wurde ein Video abgespielt, das „Mimi“ – eine Organisatorin des Camps – zusammengeschnitten habe.
Dem Pro-Palästina-Camp wurde vorgeworfen, islamistische Influencer willkommen zu heißen. Darüber hinaus sollte ein spontaner Besuch Greta Thunbergs im Camp stattfinden, den untersagte die Polizei jedoch.
In einem „Instagram-Live-Video“ erklärte einer der Organisatoren des Camps, der Auftritt Thunbergs sei untersagt worden, weil „Papa, also Israel“ den Polizeipräsidenten persönlich dazu angewiesen habe. Jüdische Studierende fühlten sich durch das Camp auf dem Campus der Universität unsicher.
Mehrheit der Deutschtürken hatte 2023 Erdogan gewählt
Bei der türkischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2023 wurde über das zukünftige Parlament und den Präsidenten abgestimmt. In Deutschland waren etwa 1,5 Millionen Menschen dazu berechtigt, an der türkischen Wahl teilzunehmen.
In der ersten Runde konnten weder Erdogan, noch sein Herausforderer Kilicdaroglu die absolute Mehrheit erlangen. Hätten allein die „deutschen“ Stimmen gezählt, wäre Erdogan bereits in der ersten Runde als Gewinner aus der Wahl hervorgegangen – mit 65 Prozent.
Aus einer Statistik der „Anatol Agency“ geht außerdem hervor, dass 2023 mehr Menschen aus dem Ausland, als aus der Türkei selbst, für den konservativ-islamischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan abgestimmt haben.
Wie erfolgreich die neue deutsche „Dava“-Partei, der Nähe zu Erdogan unterstellt wird und die sich konkret an muslimische Menschen in Deutschland richtet, bei den kommenden Wahlen in Deutschland abschneidet, wird sich zeigen. Doch ihr Auftreten stellt bereits eine zentrale Frage in den Raum: Wie umgehen mit Parteien, die autoritären Regimen nahestehen?
Quellen:
- Zahlen Dava Europawahl: www.bundeswahlleiterin.de
- Bericht von zdf heute zur Gründung der „Dava“: www.zdf.de
- Wahlergebnis Türkei: www.kas.de
- Tiefergehender Bericht zur Parteispitze der „Dava“: www.libmod.de
- Bericht über „Pro-Palästina-Camp“: www.ruhrbarone.de
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
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