Das Thema Einsamkeit stellt eine bedeutende gesellschaftliche Herausforderung dar und betrifft Menschen in jedem Lebensalter. Insbesondere Einsamkeit kann erhebliche Folgen für die Gesundheit haben und ist eng mit psychischen sowie körperlichen Erkrankungen verbunden. Die Stadt Dortmund hat die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Einsamkeit erkannt und gehandelt.
Dortmund war mit der Koordinierungsstelle landesweit Vorreiterin
Dortmund hat vergleichsweise früh eine Koordinierungsstelle gegen Einsamkeit eingerichtet, um gezielt Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Einsamkeit zu entwickeln und umzusetzen. Sie setzt sich aktiv dafür ein, Einsamkeit in der Gesellschaft zu erkennen, zu reduzieren und Betroffenen Unterstützung anzubieten. Sie dient als zentrale Anlaufstelle, um Menschen miteinander zu vernetzen, Hilfsangebote zu koordinieren und das Bewusstsein für das Thema Einsamkeit in der Öffentlichkeit zu schärfen.
Als erste Stadt in Nordrhein-Westfalen hat Dortmund eine eigene Stabstelle Einsamkeit, die sich dauerhaft mit dem gesamtgesellschaftlichen Problem beschäftigen soll. Der Stadtrat hatte dafür im Jahr 2022 grünes Licht gegeben. Die Beweggründe, die Koordinierungsstelle Einsamkeit einzurichten sind durch die Covid-19 Pandemie entstanden, da das Einsamkeitsempfinden gesamtgesellschaftlich stieg und die negativen Auswirkungen von Einsamkeit deutlicher spürbar wurden.
Neben der Tatsache, dass es einen seelisch und körperlich krank macht, hat Einsamkeit auch Auswirkungen auf das Miteinander, so Sabrina Janz, Beauftragte der Stelle seit Gründung. Fehlendes Vertrauen in Mitmenschen und den Staat resultieren in Misstrauen und kritischem Hinterfragen der Demokratie. Existenzielle Fragen, wie ob man sich auf andere verlassen und am Leben teilhaben kann, führen zu einem Isolationsgefühl, welches körperliche und psychische Erkrankungen begünstigt.
Vernetzung von Angeboten schafft Mehrwert
Die Stelle arbeitet eng mit lokalen Initiativen, Vereinen, sozialen Diensten und anderen Institutionen zusammen, um Maßnahmen zur Stärkung der Nachbarschaft und des Miteinanders zu fördern.
„Der Fokus lag zunächst auf der Bestandsanalyse: Was für Angebote gibt es bereits? Was sind die Strukturen? An welcher Stelle kann man bereits vorhandene Angebote weiterentwickeln?“, berichtet Sabrina Janz. Sie ist für die Koordinierungsstelle Einsamkeit zuständig – sie ist die Koordinierungsstelle.
Doch alleine steht sie nicht: Durch die Vernetzung mit verschiedenen Teams und Stellen entsteht ein Netzwerk. Mitglieder des Netzwerks sind beispielsweise die Behinderten- und die Inklusionsbeauftragte. Aber auch die Freiwilligenagentur, die Fachkoordination für Kinder- und Jugendthemen und die LSBTIQ-Koordinierungsstelle gehören dazu.
Miteinander soll es gelingen, alle zu verbinden und Angebote für jeden Menschen bereit zu stellen. „Neben den genannten Teams, ist auch die Freiwilligenarbeit ein wichtiger Schutzfaktor fürs Thema Einsamkeit“, so Sabrina Janz, die sehr dankbar für das Engagement der Ehrenamtlichen ist. Dieses Engagement stelle einen großen Mehrwert für das System dar.
Angebote sichtbar machen, sodass jede:r erreicht wird
In den ersten beiden Jahren war zunächst die Bestandsanalyse im Fokus. Neben der großflächigen Aufarbeitung der Strukturen wurde, in Kooperation mit dem Team „Nordwärts“ eine Umfrage durchgeführt, die in Form von einer Postkarte „Nachbarschaft zählt – deine Meinung auch!“ die Wünsche der Anwohner:innen und das Erleben in Bezug auf Einsamkeit wiederspiegeln sollen.
Die Postkarten mit der Aufschrift: „Was bewegt Nachbarschaft in Dortmund?“ werden an alle Menschen in Dortmund über die unterschiedlichsten Wege verteilt, mit dem Ziel, alle zu erreichen. Die Aktion läuft noch bis zum nächsten Jahr und dann werden Zahlen erhoben, mit denen man das Einsamkeitserleben versucht zu ermitteln.
„Die Teilnahme an Angeboten sollte für alle Menschen möglich sein. Es sollte weder ein Konsumzwang entstehen, noch sollten große finanzielle Unkosten auf die Teilnehmenden zukommen“ Sie fügt hinzu: “Jede:r kann einsam sein – betroffen sind außerdem besonders ältere Menschen und Menschen unter 30 Jahren.“
„Menschen sind in ihrer Vielfalt so unterschiedlich. Da muss man genau überlegen, wie man alle erreichen kann. Dazu entwickeln wir aber schon die unterschiedlichsten Ideen, Angebote digital sichtbar zu machen und auch Informationen analog weiterzugeben, wie beispielsweise durch Schaukästen“, so die Koordinatorin.
Risikofaktoren von Einsamkeit erkennen und Raum für Miteinander schaffen
Das frühzeitige Einrichten der Stelle liegt nicht an einer überdurchschnittlichen Betroffenenzahl in Dortmund: „Laut wissenschaftlicher Studien liegt das Einsamkeitserleben in NRW im deutschen Durchschnitt. Wie genau es in Dortmund aussieht, möchte ich genauer in Erfahrung bringen.“
Aus ihrer Sich gibt es bereits viele Angebote, wo Menschen Unterstützung erhalten, wie Senior:innenbüros, Lokal Willkommen Büros, Nachbarschaftszentren, Angebote von Wohlfahrtsverbänden und vieles weitere. „Die Hauptsache ist, Menschen kommen zusammen.“
Durch jährliche Bürgerbefragungen weiß Sabrina Janz, dass besonders Armut, Arbeitslosigkeit, Behinderungen und Fluchterfahrungen wichtige Faktoren für das Erleben von Einsamkeit sind.
Präventive Angebote sollen helfen, dass Menschen nicht erst vereinsamen: „Es muss nicht immer alles unter dem Einsamkeitsstern stehen. Es geht darum, dass Menschen soziale Verbindungen eingehen, indem sie z.B. zusammen Sport machen oder anderen Hobbies nachgehen“, so Janz. „Gleichzeitig sollten wir mehr über Einsamkeit sprechen, um das schambehaftete Thema zu enttabuisieren.“
Einsamkeit enttabuisieren: Herausforderungen erkennen, Lösungen finden, Gesellschaft stärken
Sie sieht auch die Herausforderungen, die das Thema mit sich bringt: „Die Herausforderung ist, das Thema in seiner Komplexität zu greifen. Es gibt viele Lösungswege und die größte Herausforderung ist es, das Thema auf verschiedenen Ebenen anzugehen“, so Janz.
Janz macht allerdings Mut, da sie der Zukunft positiv entgegen sieht: „Die Probleme wurden erkannt. Durch die Pandemie wurde es mehr in den Fokus der Wissenschaft und Gesellschaft genommen und umso mehr wir darüber sprechen und die Scham ablegen, umso mehr können wir uns als Gesellschaft unterstützen.“
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
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