`Nachhaltigkeit ist out, alles folgt dem Primat der Wirtschaft!` So zumindest ließe sich der Tag des Wahlsiegs von Donald Trump zusammenfassen. Doch es geht auch anders – das belegten die geladenen Gäste mit ihrem Engagement, beim 38. Bürgerforum Nord trifft Süd. Das Motto des Abends lautete „Nachhaltigkeit von unten – Initiativen vor Ort“ und präsentierte dem Publikum einen bunten Strauß an Projekten, die unsere Konsumgewohnheiten zumindest hinterfragen. Zu Beginn hatte Uwe Martinschledde von den „Ne#e PCycle PIr@ten“ das Wort: Alte Computer sind für die Initiative keineswegs alt, denn sie besitzen kein Verfallsdatum. Investiere man Arbeit, Wissen und Engagement, könnten alte PCs schnell wieder einen neuen Anstrich bekommen und benutzbar werden.
2015 starteten die Computerenthusiasten mit der kostenfreien Bereitstellung von Computern und Freifunk in Notunterkünften, um Geflüchtete beim Ankommen zu unterstützen. Hieraus ergab sich ein Tandem-Projekt, bei dem Geflüchtete ihr IT-Wissen an Jugendliche der Ne#e PCycle PIr@ten vermittelten und selbst auf diese Weise ihre Deutschkenntnisse verbesserten. Mittlerweile suchen die Ne#e PCycle PIr@ten regelmäßig Senior*innenheime auf, um den Bewohner*innen das Internet näher zu bringen. Aufmerksamkeit erregte das Projekt durch die Spende von alten aufbereiteten Rechnern an eine Schule im Senegal. Aktuell findet das Projekt eine Wiederholung in Kamerun, in Kooperation mit dem VKII e.V. – Verein für kamerunische Ingenieur*innen und Informatiker*innen. Die Gruppe selbst sei jedoch lt. Martinschledde absichtlich nicht als Verein oder ähnliches eingetragen, um keine Zeit mit Formalitäten und Papierkram aufbringen zu müssen. „Am Rechner schrauben, Linux drauf spielen und abgeben. Fertig!“
Beim nächsten Podiumsgast drehte sich alles rund ums Rad: Die seit 2010 bestehende Velokitchen steht nach Aussage von Alex Rickel für mehr Fahrradmobilität für die Nordstädter*innen. Die Velokitchen ist eine Fahrradselbsthilfewerkstatt mit angeschlossener Küche und befindet sich im Schüchtermannblock. Überregional bekannt ist sie insbesondere für ihr (veganes) Bananencurry, mit dem sie auch auf Festivals unterwegs ist, dessen Rezept aber streng gehütet wird. Neben dem Essen ist das Thema Fahrradfahren dauerhafter Bestandteil des Konzeptes, denn dies sei in Dortmund äußerst problematisch. Dem pflichtete das Podium bei: „Es ist erstaunlich, dass Fahrradstreifen einfach enden. Das macht man ja bei Straßen auch nicht“, warf Uwe Martinschledde ein.
Die Velokitchen stellt auch in Gedenken und als Mahnung sogenannte Ghostbikes auf, wo Fahrradfahrer*innen zu Tode kamen. Von der Stadt fordert sie ein neues Verkehrskonzept, denn „es reiche nicht aus rote Fahrstreifen auf die Straßen zu malen. Rot ist keine Politik, sondern nur eine Farbe.“ Da jede*r mobil sein möchte, um die Welt zu erkunden und seinen Radius zu erweitern, wird die Selbsthilfewerkstatt von vielen Menschen genutzt, unabhängig von Herkunft. „Wir sind Teil der Nordstadt und so divers wie der Stadtteil.“
Das SÖZ! – Sozial ökologische Zentrum war die jüngste Gruppe, die sich an diesem Abend vorstellte, denn sie existiert erst seit dem letzten Jahr. Nach langer Suche nach passenden Räumlichkeiten fand sie schließlich ihren Platz in der ehemaligen Markusgemeinde am Rand der Nordstadt. Ein spektakulärer Ort mit einem Kirchturm, der heute das SÖZ-Wahrzeichen ist, einem Gemeindecafe, der alten Saalkirche und einem 2.000 Quadratmeter großen Garten. Gefördert von der Stadt bietet das SÖZ der Nachbarschaft und interessierten Gruppen einen Ort für eigene Projekte und Ideen an. Grundpfeiler des SÖZ sind aktuell Gruppen wie Fridays for Future, die Feministische Müttergruppe und der deutsch-somalische Freundeskreis. Speziell der Garten hat es manch Gruppen angetan. So haben die Naturfreunde Nord schon ein eigenes Hochbeet gebaut und mit der nahegelegenen Kita wird ebenfalls eine Zusammenarbeit geplant. Nachvollziehbar, denn „ein eigener Garten in der Nordstadt ist ja nicht so häufig. Und sicherlich nicht nur ich würde mich freuen häufiger mit einem Kaffee im Grünen zu sitzen,“ wie Payton vom SÖZ erklärte.
Abschließend stellte Sascha Bender FRIDAs Umsonstladen am Nordmarkt vor. Der aus der Occupy-Bewegung Anfang der 2010er Jahre hervorgegangene Laden verfolgt das Ziel der Solidarökonomie und orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen. Das Konzept alte und gebrauchte Dinge anzunehmen und diese kostenlos an andere weiterzugeben, kommt sehr gut an. So ist FRIDAs Umsonstladen mittlerweile dreimal die Woche geöffnet. Insbesondere an Markttagen kommen Marktbesucher*innen, Personen aus der Nachbarschaft und andere, die das Konzept gut finden. „Ist das wirklich alles umsonst?“, sei eine Frage, die regelmäßig und ungläubig gestellt werde, doch mittlerweile ist das Konzept des Ladens im Stadtteil und darüber hinaus bekannt. Aktuell ist geplant das Angebot des Ladens auszubauen und Gegenstände, die nicht regelmäßig gebraucht werden, als Ausleihe anzubieten. Neben dem Umsonstladen findet regelmäßig eine Arts and Crafts Night statt, wo gemeinsam gebastelt, genäht und Kunst hergestellt wird.
Trotz der Nachrichten am Morgen konnte der Abend eine positive Quintessenz vermitteln: Engagement im Feld der Nachhaltigkeit richtet sich an grundlegende Bedürfnisse und betrifft dementsprechend eine weitaus größere Zielgruppe als vermeintlich gedacht. Dies zeigten die vier aktiven Gruppen, die sich und ihre Idee, wie nachhaltiges und gutes Leben im Kleinen und von unten organisiert funktionieren kann.