Der „Sachstandsbericht Zuwanderung aus Südosteuropa 2024“ beschreibt für Dortmund die Folgen der Zuwanderung aus Südosteuropa seit 2013. Der Bericht befasst sich mit dem Jahr 2023. So ist der Anteil der in Dortmund lebenden Menschen aus Bulgarien und Rumänien (die so genannte „EU2-Bevölkerung“) leicht angestiegen, die Wanderungsdynamik hat sich verringert. Der Großteil der Menschen bringt Ressourcen und Engagement mit. Seit Beginn der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit hat sich die Integration der EU2-Bürger:innen in den Arbeitsmarkt deutlich beschleunigt. Dennoch steht immer noch nicht ausreichend Geld zur Verfügung, um die erfolgreich erprobten Maßnahmen für größere Gruppen verlässlich anzubieten. Land und Bund müssen sich der Verantwortung stellen die erfolgreichen Ansätze unterstützen.
Anteil der EU2-Bürger:innen stieg um 2,7 Prozent auf insgesamt 12.040 Personen
Ende Dezember 2023 waren in Dortmund 320 EU2-Angehörige mehr gemeldet als Ende 2022. Das entspricht einem Anstieg um 2,7 Prozent auf insgesamt 12.040 Personen. Zum Vergleich: 2022 hatte der Anstieg bei 7,2 Prozent gelegen, im Jahr 2015 noch bei 20,1 Prozent. Der Anteil der EU2-Bürger:innen an der Dortmunder Gesamtbevölkerung ist 2023 leicht auf 2 Prozent gestiegen (2022: 1,9 Prozent).
Der Bericht belegt regelmäßig die im interkommunalen Vergleich deutlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Städten. Die höchsten Bestandszahlen an EU2-Zuwander:innen melden nach wie vor München (circa 31.000), Duisburg (knapp 26.500) und Nürnberg (über 23.200).
Die größten Zuwächse im Vergleich der Jahre 2022 und 2023 verzeichnen erneut Duisburg (+ 811), Nürnberg (+ 784) und Gelsenkirchen (714). Die Bevölkerungsanteile waren 2022 unverändert in Offenbach (7,5 Prozent), Duisburg (5,2 Prozent) und Gelsenkirchen (4,5 Prozent) am höchsten.
Die Wanderungsdynamik hat sich im Laufe der Jahre deutlich verringert
Die Wanderungsdynamik resultiert aus der Gesamtzahl der Zuzüge von EU2-Angehörigen in die Stadt Dortmund hinein und deren Fortzügen aus Dortmund heraus. Während 2014 noch insgesamt 14.000 und 2015 immerhin noch 10.500 Zu- und Abwanderungen gezählt wurden, waren es von 2019 bis 2022 jährlich noch rund 5.000. 2023 hat sich die Zahl noch einmal auf knapp 4.500 verringert.
Für viele der aus den EU2-Staaten zugewanderte Menschen ist es nach wie vor schwierig sich in Dortmund schnell zurecht zu finden, etwa wenn die sprachlichen, schulischen und beruflichen Voraussetzungen oder ein Krankenversicherungsschutz fehlen, zeigt der Rückblick auf das Jahr 2023.
Es werde aber auch deutlich, dass der Großteil der Menschen Ressourcen und Engagement mitbringt. „Wir sehen, dass viele der EU2-Bürgerinnen und -Bürger eine hohe Bereitschaft mitbringen, sich einzubringen. Sie sind ehrenamtlich aktiv, teils innerhalb, teils auch außerhalb ihrer Community“, so Stadträtin Nienaber-Willaredt.
Potenziale erkennen und unterstützen ist eines der Ziele der Dortmunder Gesamtstrategie
„Wir haben in Dortmund ein hervorragend ausgebautes Gesamtangebot, das wir seit vielen Jahren gemeinsam mit den freien Trägern, dem Ehrenamt, Vereinen und Selbstorganisationen umsetzen und immer weiter verbessert haben. Da, wo wir unsere Angebote verlässlich umsetzen können und den Menschen bedarfsgerecht begegnen können, haben wir messbare Erfolge“, so die Stadträtin.
Nienaber-Willaredt verweist darauf, dass sich seit dem Beginn der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit die Integration der EU2-Bevölkerung in den Arbeitsmarkt deutlich beschleunigt habe. Die Zahl der Beschäftigten sei mittlerweile auf 3.959 gestiegen, 86 Prozent davon seien sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Für 2.650 Familien sei die Überleitung in eine Krankenversicherung gelungen.
In den Kitas und Kinderstuben werden inzwischen über 300 Kinder mit rumänischer oder bulgarischer Staatsangehörigkeit betreut. 479 Plätze in Brückenprojekten für Kinder in besonderen Lebenslagen seien regelmäßig belegt. Das zeige, dass die Angebote angenommen würden.
„Insgesamt haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, an den Fähigkeiten der Menschen anzusetzen. Das hilft bei der Integration in Kita und Schule genauso wie bei der beruflichen Bildung. Und selbstverständlich profitieren Kinder und Jugendliche davon, wenn sie ihre Eltern als erwerbstätige, aktive und integrierte Mitglieder der Gesellschaft wahrnehmen. Es bestätigt sich immer wieder, dass der Arbeitsmarkt dann als ‚Integrationsmotor‘ für die gesamte Familie funktioniert“, so Nienaber-Willaredt.
Nicht ausreichend Geld zur Verfügung für Fortschritte an zentralen Stellen
Es stehe noch immer nicht ausreichend Geld zur Verfügung, um die erfolgreich erprobten Maßnahmen verlässlich anzubieten: „Es ist ein mühsames Geschäft: wir haben Pilotansätze in unterschiedlichsten Bereichen erprobt und wirksame Angebote entwickelt. Am Ende brechen die meisten Förderungen weg, so die zuständige Dezernentin.
„Ständig kämpfen wir darum, dass Land und Bund sich ihrer Verantwortung stellen und uns so ausstatten, dass wir erfolgreiche Ansätze endlich verstetigen können“, bedauert und kritisiert sie.
Ein Beispiel dafür sei die Arbeitsmarktintegration: Hier habe der Druck der Städte über den Deutschen Städtetag 2023 dazu geführt, dass das Bundesarbeitsministerium und die Bundesagentur für Arbeit einem EU-Modellvorhaben in bundesweit fünf Städten zugestimmt haben. Neben Dortmund sind auch Hamburg, München, Frankfurt und Mannheim dabei.
Dortmund steht im Vergleich zu den anderen fünf Modellstädten gut da
Die fünf Modellstädte erproben, wie die Erwerbsintegration von Unionsbürger:innen innerhalb der Strukturen der Arbeitsverwaltung verbessert werden können. In Dortmund setzen die Arbeitsagentur, das Jobcenter und die Stadt den Ansatz gemeinsam mit den freien Trägern um.
„Schon nach wenigen Wochen hatten wir 20 Familien in der Betreuung, die mit ausreichend bedarfsgerechter Unterstützung gute Chancen hatten, einen Arbeitsplatz zu finden. Das, was hier funktioniert, soll dann in Verfahrensschritte gegossen und zu Kooperationen entwickelt werden, damit die bewährten Strukturen der Arbeitsagentur und des Jobcenters optimal genutzt und angepasst werden“, so die Stadträtin.
Das Dortmund im Vergleich zu den anderen Modellstädten gut da stehe, führt Nienaber-Willaredt auf die ohnehin guten Kooperationsstrukturen zurück. Allerdings bleibe abzuwarten, ob die Ergebnisse des Modellvorhabens tatsächlich auch zu den notwendigen Anpassungen des Regelsystems führen werden.
Das „Förderprogramm Südosteuropa“ steht auf der Streichliste
Der Sachstandsbericht verweist darauf, dass aktuell das „Förderprogramm Südosteuropa“ auf der Streichliste des Landes steht. Ziel des 2017 gestarteten Programms ist die Förderung der gesellschaftlichen Integration von EU-Bürger:innen.
In Dortmund wurden verschiedene muttersprachliche Beratungsangebote in den Bereichen Bildung, Qualifizierung und Arbeitsmarktintegration, wichtige Steuerungsaufgaben und Fortbildungen finanziert.
Dies soll von der Landesregierung nur noch bis Ende 2024 finanziert werden. Dortmund hat gemeinsam mit anderen NRW-Städten in einer Anhörung des Integrationsausschusses NRW deutlich gemacht, dass die Städte keine Möglichkeit haben, solche wegbrechenden Förderungen zu kompensieren. „Es bleibt abzuwarten, ob die Landesregierung den Fachargumenten folgen wird“, so die Dezernentin.
Aus verwahrlosten Immobilien sind bis Ende 2023 insgesamt 28 Wohnungen entstanden
Weiter bedeutet der Sachstandsbericht: 2023 lag die Zahl der Neuanmeldungen für einen Schulplatz im Dienstleistungszentrum Bildung, die 2022 noch bei 3.026 gelegen hatte, bei insgesamt 1.856 Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis 18 Jahren.
Die anhaltend hohen Zuzüge schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher gingen mit herausfordernden Unterrichtsbedingungen einher. Trotzdem konnten gute Ansätze weitergeführt und zunehmend verankert werden.
Auch die Quartiere wurden 2023 weiter gestärkt. Verwahrloste Immobilien in der Dortmunder Nordstadt wurden von der Stadt im Erbbaurechterworben und über Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen mit Langzeitarbeitslosen saniert (Ankauf- und Inwertsetzungs-Strategie).
Dabei kooperiert die Stadt mit der 2019 gegründeten Viertelwerk gGmbH. Auf diesem Wege sind bis Ende 2023 insgesamt 28 Wohnungen entstanden und neu vermietet worden.
Anstrengung und gute Netzwerkarbeit vor Ort bewirken Erfolge
Nienaber-Willaredt verweist darauf, dass noch deutliche Anstrengungen notwendig seien, um die Folgen der EU-Erweiterung auf örtlicher Ebene zu stemmen. Allerdings ermutigten auch die Erfolge: „Wir haben Enormes geschafft und sehen in unterschiedlichen Bereichen gute Entwicklungen. Das liegt an unserer guten Netzwerkarbeit hier vor Ort, in die sich so viele Fachleute einbringen und in ganz herausragender Weise kooperieren.“
Und weiter: „Das liegt aber auch an den Zuwanderinnen und Zuwanderern, die engagiert an ihren eigenen Perspektiven arbeiten und sich trotz zahlreicher Rückschläge nicht entmutigen lassen. Wir sehen, dass mehr und mehr auf dem Arbeitsmarkt ankommen und einen Beitrag gegen den Arbeitskräftemangel leisten. So gelingt es auch, kriminelle Strukturen zurückzudrängen und Ausbeutung und Armut zu bekämpfen“, so die Dezernentin.
„Wir brauchen aber die Unterstützung von Land und Bund, die ja einen Großteil der Rahmenbedingungen setzen. Dafür machen wir uns weiter stark. Hier zu guten Lösungen zu kommen, ist auch mit Blick auf die Westbalkan-Erweiterung längst überfällig“, betont Nienaber-Willaredt.