Der Doppel-Haushalt für die Jahre 2025/2026 setzt weiter auf Investitionen

„Die Lage hat sich dramatisch verändert”: Dortmund schlittert tief in die roten Zahlen

Oberbürgermeister Thomas Westphal und Stadtdirektor Jörg Stüdemann brachten den Doppelhaushalt ein. Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Oberbürgermeister Thomas Westphal und Kämmerer Jörg Stüdemann haben den neuen Doppel-Haushalt für die Jahre 2025 und 2026 in den Rat eingebracht. Das umfangreiche Zahlenwerk offenbart vor allem eins: Die Zeiten werden rauer, die finanzielle Situation immer schwieriger und die Zukunft ungewisser. Nach vergleichsweise positiven Jahresabschlüssen in den vergangenen Jahren rutscht das neue – 3,7 Milliarden Euro schwere – Zahlenwerk tief in die roten Zahlen. Damit muss sich die Stadt erstmals den Haushalt wieder von der Bezirksregierung genehmigen lassen. Das Positive: Der Haushalt ist nach Einschätzung der Stadtkämmerei aber genehmigungsfähig und setzt weiterhin massiv auf Investitionen in die Zukunft der Stadt Dortmund.

Finanzielle Probleme: „Die Lage hat sich dramatisch verändert”

Stadtkämmerer Jörg Stüdemann hat den vier Bände starken Haushaltsplan-Entwurf am Donnerstag (26. September) in den Rat der Stadt eingebracht. Anschließend werden die politischen Fraktionen darüber beraten und ihre eigenen Schwerpunkte setzen.

Es ist der 16. und letzte Haushaltsplan von Jörg Stüdemann – im kommenden Jahr geht er in Rente. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Am 12. Dezember soll er als Doppelhaushalt verabschiedet werden. Es ist der 16. und letzte Haushaltsplan unter Stüdemanns Führung – zum 30. September 2025 geht der dienstälteste Dezernent der Stadt in den Ruhestand.

Der Rat hatte im Februar 2024 entschieden, dass für die kommenden beiden Haushaltsjahre 2025 und 2026 ein „Doppelhaushalt“ nach § 78 Abs. 3 der Gemeindeordnung NRW aufgestellt werden soll.  „Es war ausdrücklich der Wunsch der Ratspolitik, im Jahr der Kommunalwahl nicht noch diffizile Haushaltsdebatten führen zu müssen. Das haben wir einlösen können“, sagte Stadtdirektor Jörg Stüdemann bei der Vorstellung des Zahlenwerks. 

Grafik/Tabelle: Kämmerei der Stadt Dortmund

Es ist zwar nicht der erste Doppelhaushalt. Aber die Herausforderungen, überhaupt ein solides Zahlenwerk aufbauen zu können, waren mehr als schwierig: „Es ereilt uns, was viele Kommunen ereilt. Wir hatten sehr sehr große Schwierigkeiten, die Haushalts-Plandaten zusammen zu bringen”, so der Kämmerer im Vorfeld der Ratssitzung. 

„Denn die Lage hat sich dramatisch verändert”, verwies er auf die finanziellen Herausforderungen und Unwägbarkeiten. Insbesondere die Zinsbelastung sei deutlich gestiegen. Nun rächt sich, dass entgegen aller Ankündigungen das Land NRW als einziges Bundesland keine Altschuldenregelung getroffen hat, die seit Jahren vor allem von den besonders klammen Ruhrgebietskommunen gefordert wurde. 

Dortmund muss mehr als zwei Milliarden Euro über Zinsen finanzieren

Die Zinsbelastungen werden sich vervierfachen. Grafik/Tabelle: Kämmerei der Stadt Dortmund

Weil die Altlasten seit 2008/2009 noch über Kredite finanziert und abgetragen werden müssen, werden die deutlich gestiegenen Zinsen immer mehr zum Problem. Waren es früher 34 bis 36 Millionen Euro Zinsbelastung, die die Stadt über Jahre während der Niedrigzins-Phase zu stemmen hatte, schießen diese Kosten nun nach oben.

Aktuell auf das Doppelte, perspektivisch auf bis zum Vierfachen dessen, kündigte Stüdemann an. Die Liquiditätskredite belaufen sich aktuell auf 1,3 Milliarden Euro – mehr als 300 Millionen Euro weniger als noch vor einigen Jahren. Hinzu kommen noch Investitionskredite in Höhe von rund 800 Millionen Euro. 

Stellten das Zahlenwerk vor: Mara Kalinasch (Kämmerei), Philip Cordes (Teamleiter in der Stadtkämmerei), Ralf Rüddenclau (Leiter der Stadtkämmere)i und Stadtkämmer Jörg Stüdemann.
Stellten das Zahlenwerk vor: Mara Kalinasch (Kämmerei), Philip Cordes (Teamleiter in der Stadtkämmerei),
Ralf Rüddenclau (Leiter der Stadtkämmere)i und Stadtkämmer Jörg Stüdemann. Foto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Nachdem die Stadt in den vergangenen Jahren wegen der positiven Jahresabschlüsse auch Schulden abbauen konnte, ändert sich das nun drastisch: „Hier sind die guten Jahre augenscheinlich vorbei. Jetzt haben wir sehr hohe Fehlbedarfe – entsprechend hohe Liquiditätskredite müssen wir einplanen, die nach hintenraus anwachsen, weil wir langfristig geplant haben“, berichtet Kämmerei-Mitarbeiterin Mara Kalinasch. „Die Zinssicherungen fallen weg.“

„Pro Jahr fällt ein Zehntel der Kredite aus der Zinssicherung raus. Wir konnten uns maximal zehn Jahre binden. Die neu zu finanzierenden Kredite gibt es nur zu höheren Konditionen“, ergänzt Ralf Rüddenclau, Leiter der Stadtkämmerei. Allerdings seien nicht alle Kredite negativ zu bewerten.  „Wir investieren unheimlich viel in die Zukunft“, sagte er beispielsweise mit Blick auf den Schul- und Kitabau. 

Ein weitere positives Signal: „Die Europäische Zentralbank ist gerade auf dem Rückzug”, sagte der Kämmerei-Leiter mit jetzt endlich wieder sinkenden Zinsen vor Augen. Doch diese konnte die Stadt noch nicht berücksichtigen – hofft aber, dass sich die Zinslast in den kommenden Jahren wieder sinkt.

Allein im kommenden Jahr rechnet die Stadt mit 361,8 Millionen Euro Verlust

Bis es soweit ist, muss Dortmund an ihre Reserven gehen, um handlungsfähig zu bleiben: Die Stadt muss ihre Ausgleichsrücklage vollständig und die allgemeine Rücklage teilweise in Anspruch nehmen. Denn der Entwurf der Haushaltssatzung 2025/2026 weist Fehlbedarfe in Höhe von rund 361,8 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2025 und rund 83 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2026 aus. 

Grafik/Tabelle: Kämmerei der Stadt Dortmund

Im Jahr 2025 kann der Fehlbedarf noch komplett durch die dafür vorgesehene Ausgleichsrücklage kompensiert werden. Im Folgejahr 2026 jedoch wird die Ausgleichsrücklage nicht mehr ausreichen. Daher muss 2026 und auch in den Jahren darauf die allgemeine Rücklage herangezogen werden. Dies muss die Bezirksregierung Arnsberg genehmigen.

Dennoch will die Stadt die Steuern auch weiterhin nicht erhöhen: „Auch mittelfristig wird keine Steuererhöhung von Seiten der Verwaltung vorgeschlagen”, betonte Stüdemann auf Nachfrage. Möglich ist das, weil die Stadt in den kommenden Jahren die 450 Millionen Euro aus dem Verkauf der STEAG einbringen kann. Anders als ursprünglich geplant, wird das Geld nicht innerhalb der nächsten drei Jahre, sondern bis 2029 in unterschiedlich großen Tranchen in den Haushalt fließen.

Nur die Gewerbesteuer sprudelt weiter – Schlüsselzuweisungen und Einkommenssteuer sinken

Grafik/Tabelle: Kämmerei der Stadt Dortmund

Dennoch reicht das nicht zu einem finanziellen Befreiungsschlag: „Das macht insgesamt eine ziemliche Gemengelage”, sagt Stüdemann mit Blick auf die unterschiedlichsten Probleme und Belastungen der Vorjahre, weil sich mittlerweile auch die isolierten Kosten von Flüchtlingszuwanderung, Corona-Pandemie und Ukraine-Kriegsfolgen im städtischen Haushalt wiederfinden und von nun an über Jahrzehnte getilgt werden müssen. 

„Gleichzeitig sind die wahrscheinlichen Erträge auf eine schiefe Bahn nach unten gerutscht. Für 2024 waren die Prognosen noch günstiger als jetzt. Das wirkt sich aus – überall sacken die Werte ab”, zeichnet Stüdemann ein vergleichsweise düsteres Bild.

Grafik/Tabelle: Kämmerei der Stadt Dortmund

Aufgrund der vielfältigen Wirtschaftsstruktur könne das Dortmund aber vergleichsweise besser meistern: „Bei uns ist das noch einigermaßen verkraftbar, weil wir ein gutes Gewerbsteuer-Aufkommen haben, was noch einigermaßen stabil ist.”

Auf anderen Feldern sieht das aber deutlich schlechter aus: Sowohl bei den Schlüsselzuweisungen als auch bei der Einkommenssteuer werden die Einnahmen wohl geringer ausfallen. Schon jetzt muss gespart werden: Im laufenden Haushalt will bzw. muss die Kämmerei noch 60 Millionen Euro einsparen.

Grafik/Tabelle: Kämmerei der Stadt Dortmund

In den kommenden Jahren will die Kämmerei sogar 75 Millionen Euro jährlich einsparen, um die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts zu sichern. Dortmund steht mit den Problemen nicht allein: Von 396 Kommunen in NRW können nur noch 18 einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen: „Es ist höchste Eisenbahn, sich im Land zu bewegen. Diese Nonchalance wegzuschauen, wird man sich beim Land nicht mehr erlauben können”, fordert Stüdemann erneut Land und Bund zum Handeln auf.

Strukturelle Probleme sorgen für eine finanzielle Schieflage der Kommunen

Grafik/Tabelle: Kämmerei der Stadt Dortmund

Viele Probleme kann die Stadt nicht beeinflussen: Im Sozialen und im Kinder- und Jugendbereich wuchsen die Erträge stellenweise zwar deutlich, zum Beispiel durch höhere Zuweisungen durch Bund und Land. Gleichzeitig steigen jedoch die Aufwendungen – und das deutlich stärker als die Erträge.

Gründe dafür sind Preissteigerungen in allen Bereichen sowie Personal- und Versorgungsaufwendungen. Fazit: Die erhöhten Erträge können die überproportional gestiegenen Aufwendungen nicht kompensieren. 

Grafik/Tabelle: Kämmerei der Stadt Dortmund

Ein Beispiel ist die Digitalisierung in den Schulen: Zwar wurden von Bund und Land Millionen Euro überwiesen, damit nahezu alle Dortmunder Schüler:innen und Lehrkräfte Tablets und Notebooks bekommen können. Aber für die Ersatzbeschaffung und den Generationswechsel, der in Kürze ansteht, sind bislang keine Mittel vorgesehen. Insgesamt 60,7 Millionen Euro plant die Stadt allein für diese IT-Ersatzbeschaffungen in den kommenden Jahren ein.

Das ist kein reines Dortmunder Problem: Fast alle Kommunen in den kommenden Jahren auf die finanzielle Unterstützung von Bund und Land angewiesen – denn die Finanzierungsprobleme sind nicht hausgemacht, sondern strukturell. Herausforderungen wie die hohen Schulden, die Dortmund so wie andere Kommunen aufgrund vieler dringend notwendiger, aber nicht refinanzierter Aufgaben hat (so genannte Altschuldenproblematik), müssen gemeinsam gelöst werden. 

Trotz finanzieller Schieflage investiert Dortmund auf Rekordniveau in die Zukunft

Trotz der schwierigen Kassenlage will die Stadt weiter investieren: Auf den Hochbau entfallen rund 676 Millionen Euro, hier besonders für den Bau von Schulen, Sporthallen und Kitas. Das ist notwendig, weil die Stadt in den kommenden Jahren wächst und jünger wird. Außerdem investiert Dortmund in Kultur und damit in ihren Freizeitwert: Die „Junge Bühne“ am Theater Dortmund wird ein Zusammenschluss aus Kinderoper und Kinder- und Jugendtheater. Mit dem Zentraldepot entsteht eine „Schatzkammer der städtischen Kunst“. 

In Dortmund gibt es viele Baustellen – auch finanzielle. Archivbild: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Für den Tiefbau stehen insgesamt 417 Millionen Euro zur Verfügung. Hier investiert die Stadt Dortmund besonders in die Mobilität und Verkehrswende. Dazu gehören etwa die Erneuerung und Modernisierung des Stadtbahnnetzes (Programm „Kommunale Schiene“), die „Straßenoffensive“ sowie die Sanierung von Verkehrswegen. 

Um die städtischen Investitionen zu finanzieren, enthält der Haushaltsplan Kreditermächtigungen für das Haushaltsjahr 2025 in Höhe von rund 344,4 Millionen Euro und 594,5 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2026. Was die weitere Planung angeht, gibt es viele Unwägbarkeiten und Risiken, die noch nicht berücksichtigt werden konnten – weil die erforderlichen Berechnungen, aber auch Gesetze noch nicht vorliegen. 

Bei weiteren Planverschlechterungen ohne Kompensationsmöglichkeiten drohen haushaltsrechtliche Konsequenzen. Dazu gehört die Pflicht, ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen. Im schlimmsten Fall droht der vollständige Verlust der kommunalen Selbstverwaltung.

Bund und Land sorgen für Aufgaben, aber nicht für die Refinanzierung

Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) verwies bei der Einbringung des 3,7 Milliarden Euro schweren Haushalts darauf, dass der Aufwand für die Kommune stetig gestiegen sei, die Einnahmen aber nicht in dem selben Maße: „Dass ist das, was wir seit Jahren als die strukturelle Unterfinanzierung beschreiben. Die Besteller der Aufgaben sind ja überwiegend nicht wir selber, sondern stammen aus Gesetzen des Bundes, des Landes oder der EU. Nur ein Bruchteil entsteht, weil wir eigene kommunale Mittel aufwenden.“

Oberbürgermeister Thomas Westphal bei seiner Haushaltsrede. Foto: Helmut Sommer für Nordstadtblogger.de

Er hielt ein Plädoyer für eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen und mehr öffentliche Investitionen. der Investitionsstau im öffentlichen Bereich führe auch zu zurückhaltenden Investitionen im privaten Sektor. Außerdem gefährde der Investitionsstau auch Arbeitsplätze in Deutschland. 

„Wir haben eine Investitionskrise. Der Grundstock dessen, was Infrastruktur ausmacht – Gebäude, Straßen und Brücken – sind unterfinanziert. Nicht nur in einer Stadt, sondern ganzen Bundesrepublik”, kritisierte der OB. „Die Investitionsbedarfe stapeln sich weiter auf. Daher sind die Schulden unvermeidlich. Den bundesweiten Investitionsbedarf allein in Schulen und Kindergärten, Wohnen, Straßen, die innere Sicherheit, die Klimafolgenanpassung und die nötige Decaorbonisierung zur Klimaneutralität sah Westphal bei 800 Milliarden Euro.

Warnung: Aus der Investitionskrise könnte eine Vertrauenskrise werden

„Wenn man mit Menschen spricht, spürt man auch, dass aus einer Investitionskrise eine Vertrauenskrise wird. Das Symbol der eingestürzten Brücke in Dresden ist nicht zu unterschätzen“, so Westphal. Sie sei das Symbol dafür, dass zu wenig in die eigene Infrastruktur investiert werde – in die eigenen Straßen, den eigenen ÖPNV oder die Sicherheit der eigenen Brücke. Dies sorge für mangelndes Vertrauen in die Politik. 

Es ist ein echtes Vorzeigegebäude, welches die Stadt ämterübergreifend in Eigenregie nach der eigenen Schulbaurichtlinie geplant hat: Die Grundschüler:innen lernen nun in modernen und technisch gut ausgestatteten Klassenräumen.
Die Lessinggrundschule ist ein echtes Vorzeigegebäude, welches die Stadt ämterübergreifend in Eigenregie nach der eigenen Schulbaurichtlinie geplant hat. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Daher halte Dortmund auch beim neuen Haushalt an seiner Investitionsstrategie fest: „Wir haben seit 2020 die Investitionsquote verdreifacht und wir wollen sie auch bei diesem Haushalt halten. Die Investitionsansprüche werden wir nicht reduzieren. Dortmund ist eine wachsende Stadt. Daher ist Notwendigkeit an weiteren Schulplätzen, Kitas und Wohnungen, Straßen und Plätzen absolut notwendig“, so Westphal. 

„Daher ist wichtig. die Rahmenbedingungen zu setzen, dass diese Stadt weiter investiert. Gemessen an dem, was wir tun müssten, ist es zu wenig. Aber das ist den Rahmenbedingungen geschuldet”, räumte Dortmunds OB ein.

„Daher ist es wichtig, dass die Ausstattung der Kommunen in diesem Bundesland ganz oben auf der Tagesordnung wäre. Ja, das machen die Bayern besser. Die Aufstellung bayrischer Kommunen ist komplett besser als in NRW“, kritisierte er parteiübergreifend die aktuelle und die vorherigen NRW-Landesregierungen.

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