Skulpturen, Denkmäler, Brunnen, Street-Art – was gehört eigentlich zur Kunst im öffentlichen Raum? Verschiedene Formate bemühen sich einen Überblick zu bieten: u.a. die Website der Stadt Dortmund und die App Artventure App. In der App finden Nutzer:innen auf einer interaktiven Karte Standorte, Bilder, Informationen und Künstler:innen-Biografien zu aktuell 887 Kunstwerken in Dortmund. Die Website der Stadt listet – Stand: August 2024 – nur 416 Werke. Wie kommt dieser Unterschied zustande?
Artventure: eine interaktive App für Kunst im öffentlichen Raum
Die Idee zur App Artventure stammt von Elisabeth Jacobsohn. Die Dortmunderin studiert Kunstgeschichte der Moderne an der Ruhr-Universität Bochum: „Mir ist oft aufgefallen, dass ich Kunstwerke sehe und nicht so einfach etwas darüber herausfinden kann“, sagt Elisabeth Jacobsohn. „Da sind oft keine Schilder oder die Schilder sind beschmiert oder zerkratzt.“___STEADY_PAYWALL___
Dabei gäbe in jeder Stadt Kunst im öffentlichen Raum, „aber man nimmt sie manchmal gar nicht wahr“, erzählt sie. Jacobsohn recherchiert zu den Kunstwerken und arbeitet die Informationen für Artventure auf. Sie setzt die Idee mit ihrem Bruder Julius Jacobsohn um, der für das Programmieren der App zuständig ist.
Seit 2022 ist die App kostenlos zugänglich, Ziel ist es eine deutschlandweite Karte anzubieten. Das Team nimmt die Gründungsberatung an der Ruhr-Universität Bochum in Anspruch, hat aber noch nicht gegründet.
Zukünftig wollen sie auch mit Unternehmen, Tourismusbüros und Kulturbüros von Städten zusammenarbeiten, um die App für mehr Städte anbieten zu können. Dazu suchen sie Unterstützer:innen im Bereich Marketing und Vertrieb.
Denkmäler, Kunstwerke, Brunnen, Fassadengestaltung, Gedenktafeln – die Gestaltung des öffentlichen Raums ist vielfältig. Wer bestimmt eigentlich, was angeschafft wird? Was kostet der Unterhalt? Wer kümmert sich darum? Und ist überhaupt noch Platz für Neues? Nordstadtblogger fragt nach.
Die Artventure App zieht keine gerade Linie
Welche Kunstobjekte umfasst denn nun die Datenbank der Artventure App? „Im Moment haben wir es ziemlich offen gefasst“, so Jacobsohn. Zu den 887 Werken in der App (Stand: August 2024) zählen Skulpturen, Brunnen, aber auch Street-Art, Lichtkunst und zum Beispiel künstlerisch gestaltete Grabmäler. „Es ist schwer, eine gerade Linie zu ziehen, was zur Kunst im öffentlichen Raum gehört“, findet Jacobsohn. Allein die Frage, was sie als öffentlichen Raum bezeichnen, stellte das Team vor Herausforderungen.
Viele Kunstwerke befinden sich beispielsweise im Westfalenpark und Besucher:innen müssen Eintritt zahlen, um ihn betreten zu können. So entwickelt das Gründungsteam eine Filterfunktion, durch welche die Nutzer:innen die Suche der Kunstwerke eingrenzen können. Sie bekommen dann zum Beispiel nur kostenfrei zugängliche Werke angezeigt.
Das Team arbeitet darüber hinaus an einer Routen-Funktion. Sie soll die Nutzer:innen bei Spaziergängen oder auf dem Fahrrad an verschiedenen Kunstwerken entlang führen.
Geplant ist auch eine Audio-Funktion, um sich die Informationen zu den Kunstwerken dabei anhören zu können. Eine erste Route rund um den Phoenix-See wurde bereits veröffentlicht.
Was umfasst die Datenbank der Stadt?
Und wie steht es um die Datenbank der Stadt? Auf der Website zur Kunst im öffentlichen Raum sind aktuell nur 416 Objekte verzeichnet. Wurde da etwas vergessen? „Wir haben eine völlig andere Herangehensweise“, erklärt Dr. Jacques Heinrich Toussaint, Leiter des Ressorts für Kunst im öffentlichen Raum. „Unsere Datenbank umfasst nur Objekte, die sich auf Liegenschaften der Stadt befinden und die somit Eigentum der Stadt sind oder in ihrem Besitz stehen.“
Aber auch bei der Stadt sind die Grenzen fliessend: „Es befinden sich nicht nur Kunstwerke im engeren Sinn in der Datenbank, sondern auch andere Kunstobjekte, wie zum Beispiel künstlerisch gestaltete Denkmäler“, so Toussaint.
Grafittis oder Murals sind nicht in der Datenbank, da sie nicht Eigentum der Stadt sind. Was alles zur Kunst im öffentlichen Raum gehört, „das hängt von der Perspektive ab, aus der die Frage beleuchtet wird“, findet Toussaint.
Vor allem aber ist die Datenbank eher eine Art Arbeitstool für die Verwaltung. „Die Abgrenzung zielt auf die Lösung von Problemen verwaltungstechnischer Natur und ist nicht das Ergebnis einer kunsttheoretischen Analyse“, erläutert er.
Nur einige Bereiche der Datenbank sind auf der Website der Stadt überhaupt öffentlich. Informationen beispielsweise, wie die Objekte gereinigt werden dürfen, wer die Verantwortungen trägt oder weitere technische Daten zum Werk, sind für Besucher:innen der Website nicht einsehbar.
Vorhandene Datenbanken sind oft veraltet und undurchsichtig
Vollständigkeit und Aktualität sind für alle eine Herausforderung: „Mir ist oft aufgefallen, dass viele Daten veraltet sind und einige Kunstwerke schon gar nicht mehr an dem genannten Ort waren“, kritisiert Elisabeth Jacobsohn. Hinzu kommt: „Es gibt verschiedene Träger der Kunstwerke. Manche sind von der Stadt, manche werden von Unternehmen verwaltet und das ist etwas undurchsichtig.“
Um die Daten für Dortmund zu erarbeiten, hat Jacobsohn die Website der Stadt genutzt. Zusätzlich hat sie viel Internetrecherche betrieben und Bücher und Dokumente aus Bibliotheken und Archiven aufgearbeitet.
Die verschiedenen Daten überein zu bringen sei eine Herausforderung gewesen, zumal sie bei einigen Städten unvollständig oder nicht komplett digital geführt wurden, berichtet Jacobsohn und findet: „Informationen zur Kunst im öffentlichen Raum sollten öffentlich zugänglich sein, und wenn man bedenkt, dass die Aktenordner in irgendeinem Büro stehen, wo niemand darauf Zugriff hat, würde ich mir wünschen, dass sich das in Zukunft ändert.“
Die wandelnde Kunstlandschaft: wer behält den Überblick?
Wie und wer behält dann da den Überblick? „Wir arbeiten ständig daran unsere Datenbank zu erweitern und die Texte zu verbessern“, berichtet Jacobsohn. Dazu versucht sie Kontakt zu den Städten zu halten, sich mit den Nutzer:innen der App auszutauschen oder selbst vor Ort nachzuschauen. „Im Moment geht das noch, weil es nur Dortmund ist“, erklärt die angehende Gründerin. „Aber, wenn es ein größeres Projekt ist, dann sind wir auf die Städte oder auf die Community angewiesen.“
Und wer sorgt bei der Stadt Dortmund für Aktualität? „Die Texte, die auf unserer Internetseite zu finden sind, werden durch freie Kunsthistoriker:innen redigiert und mehrfach jährlich in die Datenbank eingepflegt“, berichtet Touissaint.
„Bei neuen Kunstwerken passiert dies jedoch mit einer gewissen Verzögerung, da unterschiedliche politische Gremien und Stadtämter über die Aufstellung eines Kunstwerkes oder Denkmals entscheiden können und die entsprechenden Informationen nicht immer sofort an unser Ressort weitergeleitet werden.“
Die Seite ist zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht als vollständig zu betrachten, denn „perspektivisch sollen alle Kunstwerke, die sich im Außenraum befinden und die im Eigentum oder im Besitz der Stadt Dortmund sind, angezeigt werden,“ so eine Sprecherin der Stadt.
Sie verweist Interessenten außerdem auf das Portal des Regionalverband Ruhr (geoportal.ruhr) in dem alle in der Denkmalliste aufgeführten Denkmale zu finden sind. Lediglich die Bodendenkmale seien derzeit noch aus Gründen des Schutzes (Raubgräber etc.) nicht veröffentlicht. „Es ist aber eine zeitnahe Veröffentlichung aller ‚unkritischen‘ Bodendenkmale wie zum Beispiel der Hörder Burg geplant.“
Kennen Sie die Kunstwerke in Ihrer Nachbarschaft? Schauen Sie doch mal auf der Website der Stadt oder bei Artventure. Oder folgen Sie uns bei Instagram – dort stellen wir immer freitags ein Werk vor.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
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