Dokumentarfilm, Drama, Musical, Theater oder Komödie? Der Film „Shahid“ von Filmemacherin Narges Shahid Kalhor bringt das alles zusammen und wurde bereits auf der Berlinale ausgezeichnet. Dabei inszeniert Narges Shahid Kalhor sich selbst als Protagonistin und wird von der Schauspielerin Baharak Abdolifard verkörpert. Der Film bewegt sich zwischen Kalhors eigenen Erfahrungen und fiktiven Elementen. Zum Kinostart gibt es im Roxy-Lichtspielhaus in der Dortmunder Nordstadt am 4. August 2024 ein Publikumsgespräch mit der Filmemacherin.
Verfolgt vom Urgroßvater bei dem Versuch dessen Nachnamen zu entfernen
Märtyrer:in – das bedeutet Shahid auf Deutsch. In dem Film geht es um Narges Shahid Kalhor, die genau dieses Wort aus ihrem Nachnamen entfernen lassen möchte. Der Name geht auf Narges Urgroßvater zurück. Dieser wurde vor über über 100 Jahren während des Iranischen Freiheitskampfs ermordet, woraufhin seine Familie den Nachnamen Shahid, also Märtyrer bekam. Im Film versucht genau dieser Urgroßvater gemeinsam mit seinen meist tanzenden Komplizen Narges Shahid Kalhor von ihrem Vorhaben abzuhalten und verfolgt sie wie in einem Albtraum, berichtet die Filmemacherin.
In Deutschland ist vielen nicht bewusst, dass das Wort Shahid Märtyrer:in bedeutet. Im Iran wird das Wort positiv gedeutet und steht für Menschen, die im Kampf um den islamischen Glauben ihr Leben gelassen haben.
Kalhor sieht sich jedoch nicht als Märtyrerin. Sie möchte sich von der mit dem Namen verbundenen Geschichte und der patriarchalen Tradition trennen. Sie habe sich den Namen nicht ausgesucht und nichts mit der dahintersteckenden Geschichte zu tun.
Im echten Leben hat Narges Shahid Kalhor ihren Namen jedoch nicht geändert. Da stehen ihr die deutsche Bürokratie und die hohen Kosten im Weg: „Wenn ich das Geld habe, mache ich den Führerschein in Deutschland“, erzählt sie schmunzelnd.
Kulturunterschiede reflektieren und Mitgefühl erwecken
Narges Shahid Kalhor möchte mit dem Film „Shahid“ auf Kulturunterschiede in Deutschland aufmerksam machen. Viele Menschen, die aus einem anderen Ländern kommen oder deren Familien aus anderen Ländern stammen, haben Nachnamen, die in Deutschland untypisch oder für manche schwer auszusprechen sind.
„Ich wollte auf keinen Fall Mitleid“, macht Kalhor deutlich. Die Zuschauer:innen sollen ein Mitgefühl entwickeln. „Jeder hat einen Background“ erzählt die Filmemacherin. „Wie wir uns heutzutage reflektieren und mit unseren Entscheidungen umgehen, ist entscheidend.“
Narges Shahid Kalhor ist stolz auf ihr Werk und bisher zufrieden mit den Reaktionen der Zuschauer:innen. Seit der Film im Februar bei der Berlinale gezeigt und ausgezeichnet wurde, gab es schon etwa 15 Aufführung innerhalb und außerhalb von Deutschland.
„Die Vielfältigkeit in der Geschichte“ nennt Kalhor als einen Aspekt, der den Zuschauer:innen gut gefallen hat. „Heutzutage sind es immer bestimmte Filme im Kino“, findet Kalhor. „Entweder ist es ein Drama oder eine Komödie oder es ist ein Musical, aber unser Film hat kein bestimmtes Genre und das hat die Zuschauer positiv überrascht“, erklärt die Filmemacherin stolz.
Die Filmemacherin verbindet im Film „Shahid“ Realität und Fiktion
„Große Teil des Films sind echt, was meine eigene Geschichte angeht“, so Narges Shahid Kalhor. Sie ist im Iran aufgewachsen und hat bereits mit 17 Jahren angefangen an der Filmhochschule in Teheran zu studieren. 2009 hat sie Asyl in Deutschland beantragt. Als Tochter eines hochrangigen Beraters des iranischen Regimes hat sie damals viel Medienaufmerksamkeit erlangt. Diese Erlebnisse aus ihrer eigenen Vergangenheit hat sie in „Shahid“ durch fiktive Inszenierungen, wie die Erscheinung ihres toten Urgroßvaters, ergänzt.
In Deutschland studierte Kalhor an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und erhielt für ihren Abschlussfilm „In the Name of Scheherazade oder der erste Biergarten in Teheran“ den Preis des Goethe-Instituts für den besten Dokumentarfilm.
Durch den Erfolg ihres Abschlussfilms konnte sich Kalhor mehr Vertrauen in der Filmindustrie für den Film „Shahid“, ihrem ersten Film in Spielfilmlänge, erarbeiten. „Dieses Vertrauen zu bekommen, hat ungefähr vier Jahre gekostet“, erzählt die Filmemacherin.
„Es ist sehr schwierig, was Neues zu machen“ so Narges Shahid Kalhor. Aber der Erfolg von Shahid ermutigt sie auch bei ihrem nächsten Projekt experimentell zu arbeiten. Mit den Themen aus „Shahid“ und ihren früheren oft autobiografischen Werken hat Kalhor jedoch abgeschlossen und ist offen für neue Themen.
Mehr Informationen: Kinostart und Publikumsgespräch
- Das Roxy Lichtspielhaus befindet sich an der Münsterstraße 95, 44145, Dortmund
- Das sweetsixteen-Kino ist im Kulturort Depot, Immermannstraße 29, 44147 Dortmund
- Der Kinostart von „Shahid“ ist in beiden Kinos am 01. August 2024
- Das Publikumsgespräch mit Filmemacherin Narges Shahid Kalhor findet am 04. August anschließend an die 13 Uhr Vorstellung im Roxy Lichtspielhaus statt
- Der Eintritt in beiden Kinos kostet 8 Euro, ermäßigt 7 Euro