Nach acht Jahren gibt es keine Fortschritte, sondern nur neue Hürden:

Der Abriss der ehemaligen EAE Hacheney und die unendliche Langsamkeit des Seins der Stadt

Die ehemalige Gehörlosenschule und EAE in Hacheney ist ein „Lost Place“ – und bleibt es auch noch länger. Archivfoto: Leopold Achilles

Ein kommentierender Bericht von Alexander Völkel

Wenn es läuft, dann läuft’s. Und wenn es nicht läuft, dann läuft es nicht. Dass der Fortschritt eine Schnecke ist, kann man nirgends besser sehen als auf dem Gelände der ehemaligen Erstaufnahmeinrichtung (EAE) des Landes für Geflüchtete, die in der ehemaligen Gehörlosenschule in Hacheney untergebracht war. Seit Ende 2016 steht das frühere Schulgelände leer und muss bewacht werden. 2022 wurde dann vom Stadtrat der zeitnahe Abriss beschlossen – die Planungen für Wohnbau sollten Fahrt aufnehmen. Davon ist nichts zu sehen – und der beschlossene zeitnahe Abriss kam bis heute nicht. Wir haben nachgefragt, warum nichts passiert.

Das Areal hat eine bewegte Geschichte und unterschiedliche Nutzungen hinter sich

Bereits am 27. Mai 2022 hatte Nordstadtblogger in einem ungewöhnlichen Format – einem „kommentierenden Bericht“ – über die unendliche Langsamkeit des Seins berichtet. Damals hieß es:  

„Das neue Dortmund ist das schnelle Dortmund“ war lange ein Motto des Strukturwandels. Mit Blick auf viele Projekte in der Stadt kommt einem dieses Motto nicht unbedingt in den Sinn. Viele Vorhaben sind Langläufer oder kommen über Jahre erst gar nicht aus den Startblöcken. Dazu gehört das Areal der ehemaligen Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) für Flüchtlinge des Landes in Dortmund-Hacheney. Der „Lost Place“ wurde zum Anziehungspunkt für Metalldiebe und Vandalen. ___STEADY_PAYWALL___

Sowohl die Erstaufnahmeeinrichtung als auch die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund werden geschlossen.
Sowohl die Erstaufnahmeeinrichtung als auch die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund wurden 2016 geschlossen. Archivbild: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Das Areal an der Glückaufsegenstraße hat eine bewegte Geschichte und unterschiedliche Nutzungen hinter sich. Vor allem die EAE erhitzte die Gemüter insbesondere der Nachbar:innen. Denn die ehemalige Schule bzw. das Internat war stark frequentiert. Zeitweise wurden hier 80 Prozent der in NRW ankommenden Flüchtlinge durchgeschleust – 27 Prozent der ankommenden Geflüchteten bundesweit. 

Darauf aber – auch mit Blick auf die verkehrstechnische Erschließung    war das Gelände nicht ausgelegt. Denn in der Spitze waren es 300.000 Menschen im Jahr, die dort ankamen und landesweit verteilt wurden. Das ist schon lange Geschichte. Nach der Schließung der Einrichtung Ende 2016 wurde es vermeintlich ruhig. 

Der „Lost Place“ als Anziehungspunkt für Metalldiebe und Vandalen

Doch die große eingezäunte Anlage war als „Lost Place“ ein willkommenes Ziel für Neugierige, Metalldiebe und andere Vandalen. Zahlreiche Einsätze der Polizei gab es, obwohl die Stadt einen Wachdienst für das Gelände engagiert hatte. Doch dessen Patrouillen – zweimal tagsüber und dreimal nachts – schreckten nicht ab. 

Überall gibt es Zerstörungen am Gebäude. Archivfoto: Leopold Achilles

Es gab dutzende Einsätze der Polizei: Bei den Straftaten handelte es sich um Ruhestörungen, Metalldiebstähle im und am Gebäude (Leitungen, Heizkörper) und Sachbeschädigungen/Vandalismus (Scheiben einschlagen, Farbschmierereien). Zudem gab es Brände, die von der Feuerwehr gelöscht werden mussten.

Die Nachbarschaft wünscht sich daher einen Abriss, um dem Treiben ein Ende zu setzen. 2022 wurde dann der Abriss beschlossen. Denn was die ungebetenen Gäste nicht erledigten, besorgten über Jahre Wind und Wetter. Denn kaum ein Fenster ist noch intakt, alles Wertvolle wurde herausgerissen. Die Gebäude sind schrottreif und teils nicht mehr verkehrssicher, so dass sie auch keiner neuen Nutzung zugeführt werden können – so zumindest die Aussage 2022.

30.000 Quadratmeter Fläche sollten seit 2022 entsiegelt werden

Daher wollte die Stadt Dortmund „nun (endlich)“ die Gebäude abreißen lassen. Sie bereite den Abbruch der ehemaligen Erstaufnahmeeinrichtung an der Glückaufsegenstraße vor. Durch den Abbruch der EAE werde eine ca. 30.000 Quadratmeter große Fläche entsiegelt und könne unter Berücksichtigung aktueller klimarelevanter Aspekte entwickelt werden – so der Plan vor zwei Jahren. 

Archivfoto: Leopold Achilles

Das Gelände war nach Einschätzung der Stadt aufgrund seiner räumlichen Lage und einem günstigen ÖPNV-Anschluss für eine Wohnnutzung geeignet. Hierzu bedürfe es noch der Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans. Mit dem Abbruch der Gebäude und der Freiräumung des Geländes würden daher wichtige städtebauliche Ziele für eine spätere Wohnnutzung der Fläche gesetzt. 

„Auf dem Dortmunder Wohnungsmarkt besteht eine hohe Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der Fläche von besonderer Bedeutung und der erste Schritt hierzu ist der Abbruch der alten Gebäude“, hieß es seinerzeit in einer Stellungnahme der Stadt.

Nach Jahren von Leerstand und Zerstörung sollte der Abriss die einzige Lösung sein

Der Druck auf dem Wohnungsmarkt ist keine neue Erkenntnis und die Diskussion über eine neue Nutzung als Baugebiet ebenfalls schon seit Jahren im Gange. Von bis zu 200 Wohneinheiten war dort die Rede, was bei den bisherigen Anwohner:innen keine Freudenstürme auslöste, auch wenn die ursprünglich angedachte Reha-Klinik schon 2022 vom Tisch war. 

30.000 Quadratmeter Fläche sollten bei den Abrissarbeiten entsiegelt werden. Archivfoto: Leopold Achilles

Warum kommen die neuen Planungen erst jetzt auf den Tisch wollte Nordstadtblogger im Mai 2022 wissen? „Eine sehr kluge Frage“, kommentiert Stadtdirektor und Liegenschaftsdezernent Jörg Stüdemann die Nachfrage von Nordstadtblogger. Seit 2017 habe man über neue Entwicklungsmöglichkeiten gesprochen, in welcher Form die Bestandsgebäude neu genutzt werden könnten. So standen Kreativquartiere ebenso im Raum wie andere Überlegungen und Ideen von Studierenden.

Allerdings gebe das die gesamte Bausubstanz (jetzt) nicht mehr her, zudem gebe es Schadstoffbelastungen. Daher wolle die Stadt das Ganze nun abräumen lassen und Wohnbebauung planen. „Eine Wiederherstellung steht in keinem kaufmännischen Verhältnis. Erst jetzt, als klar war, dass man nichts Vernünftiges damit mehr machen könnte“, verteidigt Stüdemann vor mehr als zwei Jahren den schleppenden Zeitplan.

Der Rat gab 2022 grünes Licht für den Abriss – aber passiert ist nichts

Er kündigte damals an, dass der Abbruch der Gebäude noch in 2022/23 erfolge solle. Der Rat gab dafür im Juni 2024 grünes Licht. Dann sei eine Reihe von Schritten notwendig, damit überhaupt eine Bauleitplanung möglich sei. So hatte die Bezirksvertretung ein „belastbares Verkehrskonzept“ eingefordert, was ebenfalls bis 2023 vorliegen sollte. Die Bauleitplanung mit „allen Etappen und Mitwirkungen“ könnte 2023/24 stehen, Planrecht gebe es dann spätestens 2026. 

Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD)
Bereits im Juni 2022 hatte der Rat dem zeitnahen Abriss zugestimmt – passiert ist nichts. Foto: Web-Screenshot

Der angekündigte Abriss kam allerdings 2022 nicht. Und auch 2024 ist man noch weit von einem Abriss entfernt. Im Gegenteil: „Der Abbruch wurde vom Rat am 23. Juni 2022 beschlossen. Aktuell wird noch einmal überprüft, ob insbesondere die ehemaligen Internatsgebäude am Nordrand des Plangebiets weiter genutzt werden können und ob es soziale Träger und gemeinschaftliche Wohnprojekte gibt, welche Interesse an einer Nachnutzung haben”, berichtet Stadtsprecher Christian Schön auf Nachfrage von Nordstadtblogger.

„Eine konkrete Terminplanung lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht benennen. Diese hängt von den Weiternutzungsmöglichkeiten der aufstehenden Gebäude am Nordrand ab. Allerdings ist geplant, ggf. einen vorgezogenen Abbruch der Gebäude im südlichen Plangebiet vorzunehmen“, so Schön weiter.

Nun gibt es einen langwierigen und komplizierten Ablauf der Abrissarbeiten 

Doch da rollen auch nicht einfach die Bagger an: „Für den Gebäudebestand, welcher nicht weiter genutzt werden kann, wird vorab ein Circularity Assessment durchgeführt – eine Bestandsaufnahme der wiederverwendbaren Materialien, die dem Stoffkreislauf wieder zugeführt werden können. Diese werden dann im Abbruchprozess ausgebaut, damit möglichst wenig Ressourcen verbraucht werden”, erklärt der Stadtsprecher.

Archivfoto: Leopold Achilles

„Vor dem eigentlichen Abbruch erfolgt zudem eine Schadstoffsanierung. Das ist Standard bei allen Abbrüchen, da besondere Vorsichtsmaßnahmen notwendig werden können und vorgefundene Schadstoffe getrennt voneinander entsorgt werden müssen. Es geht um Schadstoffe in der Gebäudesubstanz, die, weil sie verbaut sind, keine Gefahr darstellen, bei der Entsorgung aber nicht wieder in den Kreislauf einfließen dürfen“, so Schön. 

„Daneben sind diverse weitere Gutachten (Artenschutz, etc.) im Vorfeld einzuholen oder zu aktualisieren. Der Ablauf der Abrissarbeiten selbst wird von den Ergebnissen des Circularity Assessments wesentlich beeinflusst, so dass auch hier eine Ablauf- bzw. Terminnennung zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht möglich ist“, heißt es weiter.

Da schließt sich also wieder der Kreis zum kommentierenden Bericht von 2022: Das „schnelle Dortmund“ scheint also nicht das „neue Dortmund“ zu sein – sondern das von gestern.


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Reaktionen

  1. Dialog zur Verkehrsuntersuchung Hacheney am 28. August um 18 Uhr im Berufsförderungswerk (PM Stadt DO)

    Die ersten Ergebnisse einer umfassenden Verkehrsuntersuchung für den Dortmunder Stadtteil Hacheney liegen vor. Die Stadt Dortmund lädt dazu ein, die Analyseergebnisse eines externen Verkehrsgutachters mit den städtischen Planer*innen und dem externen Gutachter zu diskutieren.

    Die Veranstaltung findet statt am Mittwoch, 28. August 2024, ab 18 Uhr in der Aula des Berufsförderungswerks, Hacheneyer Straße 180.

    Anlass für die Verkehrsuntersuchung sind städtebauliche Veränderungen, die mit der Nachnutzung der ehemaligen Ersteinrichtung für Asylsuchende (EAE) und der Entwicklung auf der Zeche Crone geplant sind. Der Untersuchungsraum reicht vom Schulzentrum Hacheney im Nordwesten bis zur Hacheneyer Straße/Wellinghofer Straße im Nordosten und von der Zillestraße im Südwesten bis zur Wohnbebauung Langer Rüggen/Brandeniusstraße im Südosten.

    Wie schätzen die Anwohnenden die Verkehrssituation in Ihrem Umfeld ein? Welche verkehrlichen Anforderungen haben sie an Ihr Quartier? Welche Maßnahmen wünschen sie sich? Wie können Wegeverbindungen im Viertel verbessert werden?

    Mit diesen Fragen wenden sich die Mobilitätsplaner*innen der Stadt Dortmund an die Menschen in Hacheney.

    Auf der Grundlage der Anregungen sowie der vorgestellten Bestandanalyse erarbeitet der Verkehrsgutachter in einem zweiten Schritt anhand von „Planfällen“ Empfehlungen für eine leistungsfähige und angemessene Verkehrsführung für alle Verkehrsarten. Diese sind dann Thema einer zweiten Dialogveranstaltung voraussichtlich Anfang 2025.

    Weitere Informationen unter dortmund.de/hacheney

  2. Anregungen zu Verkehrssicherheit, Barrierefreiheit und Parken: 150 Hacheneyer*innen diskutieren Verkehrssituation in ihrem Stadtteil (PM)

    Mehr als 150 Hacheneyer*innen haben eine Dialogveranstaltung am Donnerstag, 29. August, genutzt, um sich über die gutachterliche Untersuchung der Verkehrssituation in ihrem Stadtteil zu informieren.

    Dabei kamen viele Wünsche, Anforderungen und Kritikpunkte zusammen. „Der Stadtteil Hacheney hat im Verhältnis zu Größe und Einwohnerzahl mit dem Schulkomplex, Anschluss an die B54 und Endpunkt der U49 eine Vielzahl an Nutzungen und verkehrlichen Anbindungen“, zeigt Planungsdezernent Stefan Szuggat Verständnis für die verkehrlichen Herausforderungen und den Leidensdruck der Hacheneyer*innen. Deshalb ist die Stadt Dortmund der Forderung von Ortspolitik und Bewohner*innen nachgekommen und hat ein Verkehrsgutachten beauftragt. Dessen erste Ergebnisse hat der Gutachter in der vollbesetzten Aula des Berufsförderungswerks nun präsentiert.

    Verkehrsuntersuchung zum Nachlesen

    An Arbeitstischen wurden anschließend die Ergebnisse sowie die Anforderungen an die Verkehrssituation im Stadtteil zur Diskussion gestellt. Vor allem die Verkehrssicherheit entlang des Hacheneyer Kirchwegs, fehlende Barrierefreiheit sowie die Parksituation entlang der Glückaufsegenstraße sind vielen Hacheneyer*innen dringende Anliegen, die sie den städtischen Fachplaner*innen für das nun anschließende Verkehrskonzept für ihren Stadtteil mitgeteilt haben.

    Die bisherigen Ergebnisse der verkehrlichen Bestandsaufnahme sind zum Nachlesen veröffentlicht unter dortmund.de/hacheney. Anregungen dazu können noch bis 11. September 2024 gemailt werden an umsteigern@dortmund.de

    Zweite Dialogveranstaltung Anfang 2025

    Die Fachplaner*innen werten anschließend die Anregungen aus und stimmen mit dem Verkehrsgutachter ab, wie diese in das Verkehrskonzept für den Stadtteil einfließen. „Dieses Konzept, das auch die Verkehrsentwicklung der geplanten städtebaulichen Entwicklungen berücksichtigt, wird Inhalt einer zweiten Dialogveranstaltung sein, die für Anfang 2025 geplant ist“, kündigt Andreas Meißner, Leiter der Mobilitätsplanung im Stadtplanungs -und Bauordnungsamt, an.

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