Ein Gastbeitrag von Sebastian Sellhorst
In ihren dokufiktionalen Audiowalks verbindet die Kölner Theatermacherin und Schauspielerin Nicola Schubert Hörspiel, Performance und Tanz. In ihrer kommenden Produktion untersucht sie die Rolle von Frauen in ehemaligen Gestapo-Gefängnissen in Dortmund und Köln.
Die Zuschauer:innen bewegen sich frei innerhalb der Performance
Im Gegensatz zu ihrer klassischen Theaterarbeit beginne die Arbeit an ihren Audiowalks meist mit einem persönlichen Interesse an einem Thema. „Nach ersten Recherchen entstehen nach und nach Konzepte für Kostüme, Szenografie und Requisiten und erste Ideen, wie man eine Brücke zwischen inhaltlicher Arbeit und performativem Spiel schlagen kann“, beschreibt die 35-Jährige ihre Arbeitsweise.
Danach geht es im Tonstudio weiter. Es entsteht eine Mischung aus Radiofeature, Hörspiel und Klanglandschaft. Am Tag der Aufführung trägt das Publikum Kopfhörer, die drahtlos mit einem Audiosignal versorgt werden. Es gibt weder Sitz- noch Stehplätze.
Die Zuschauer:innen bewegen sich frei innerhalb der Performance. Durch die akustische Nähe der Kopfhörer entsteht eine Unmittelbarkeit, die auch im Freien und in großen Räumen eine intime Atmosphäre schafft.
„ Ich kann an Orte gehen, die gar nicht als theatrale Räume gedacht sind“
In der Dortmunder Innenstadt thematisierte sie mit diesem Format bereits die Hexenprozesse. Mit ihrem Kollektiv „schubert-stegemann“ inszenierte sie „ageing trouble“ in der Nordstadt und beschäftigte sich mit altersdiskriminierenden Strukturen im öffentlichen Raum.
„Ich mag die Flexibilität, die mir dieses Format bietet. Ich kann an Orte gehen, die gar nicht als theatrale Räume gedacht sind“, erläutert sie die Vorteile des Formats. In ihrer nächsten Inszenierung „Arrest“ widmet sie sich der in der NS-Geschichtsschreibung unterrepräsentierten Rolle der Frauen.
Ausgehend von realen Biografien politisch verfolgter Frauen und Täterinnen des NS-Regimes schildert das Stück den Widerstands- und Haftalltag von Kommunistinnen, osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen sowie den Arbeitsalltag von Mitarbeiterinnen in den Gestapo-Gefängnissen Dortmund und Köln. Parallel zum Hörstück spielt die Schauspielerin in den Zellen der ehemaligen Gefängnisse.
Die Geschichten von Frauen stehen im Mittelpunkt
„Mir war es wichtig, die Geschichten von Frauen in den Mittelpunkt des Stücks zu stellen, denn oft sind es die Geschichten von Männern, die in der Erinnerungskultur besonders hervorgehoben werden“, erzählt sie. Wichtig war ihr auch, bei der Inszenierung nicht nur die Opferperspektive einzunehmen. „Ich möchte nicht nur einen Opfermythos bedienen, mir geht es um das ganze Bild. Neben dem Gedenken an die Opfer finde ich die Auseinandersetzung mit dem Erbe der Täterschaft vielleicht noch wichtiger.“
Mehr Informationen:
- Termine: 29. Juni, 18 und 20 Uhr, 30. Juni, 18 Uhr
- Zusatztermine: 21. Sept., 20 u. 22 Uhr (im Rahmen der Dortmunder Museumsnacht)
- Ort: Mahn- Und Gedenkstätte Steinwache, Steinstraße 50, 44147 Dortmund
- Der Eintritt ist frei.
- Karten unter: arrest.performance@mail.de
- Es wird ein Mindestalter von 16 Jahren empfohlen.
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Schauspielerin schlüpft in die Rollen von Täterinnen und Opfern der NS-Zeit (PM)
In „Arrest“ geht es um die Rolle von Frauen im Nationalsozialismus: Die Steinwache Dortmund bietet die Kulisse für die Geschichte von Widerstandskämpferinnen und einer Gestapo-Mitarbeiterin. Die Audio-Performance ist am 5. und 6. Oktober wieder zu erleben.
Die Premiere in der besonderen Kulisse im Juni war ein großer Erfolg. Anfang Oktober gibt es zwei Folgetermine für die besondere Darstellung zweier Frauencharaktere im Nationalsozialismus. Die Audio-Performance ist am Samstag, 5. Oktober, um 18 und 20 Uhr und am Sonntag, 6. Oktober, um 18 Uhr wieder zu erleben.
Schneller Wechsel von der Täterin zum Opfer
Schauspielerin Nicola Schubert schlüpft für ihre Inszenierung in verschiedene Rollen, bewegt sich stumm, aber ausdrucksstark, während die Zuschauer*innen ihr durch die Flure der Steinwache folgen und über Kopfhörer der Geschichte im Hörspiel lauschen. Schubert wechselt schnell von Täterin zum Opfer und erzählt so die Geschichte von Erna K., die in Dortmund als Schreibkraft für die Gestapo arbeitet. Im Gefängnis begegnet sie politisch inhaftierten Frauen, darunter der Kommunistin Johanna Melzer, der ukrainischen Zwangsarbeiterin Marija Klimenko und einer Frau, die niemand so recht einschätzen kann: Ist sie wirklich Antifaschistin? Die Audio-Performance „Arrest“ nimmt weibliche Biografien von politisch Gefangenen und Gestapo-Helferinnen aus Dortmund und Köln in den Blick.
Reale Biografien waren die Basis für den Text
Vieles hat die gebürtige Dortmunderin und in Köln lebende Theatermacherin und Performerin Nicola Schubert dazu recherchiert, vieles aber auch für ihre Inszenierung abgeändert. Der Text entstand auf Basis realer Biografien von politisch verfolgten Frauen und Gestapo-Mitarbeiterinnen in Dortmund und Köln. Zusammen mit Nicola Schubert bewegen sich die Zuschauer*innen durch die Gedenkstätte und vollziehen die Wege der Frauen nach – drei Inhaftierten und der ehrgeizigen Nationalsozialistin Erna K., die bei der Polizei Karriere machen will.
Die Audio-Performance startet am 5. Oktober um 18 und 20 Uhr, am 6. Oktober um 18 Uhr in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, Steinstraße 50. Ticketreservierung wegen begrenzter Platzzahl sind empfohlen unter arrest.performance@mail.de, der Eintritt ist frei.