„United in Solidarity: Großer Demozug zog durch die Dortmunder City

Forderungen zur EURO 2024: „Solidarität und Gastfreundschaft in Europa muss für alle gelten”

Der Zug der Demonstrierenden zog viel Aufmerksamkeit auf sich Anna Tenholt | Nordstadtblogger

2024 ist ein Protestjahr und Samstag war in Dortmund ein Protesttag: mit der Europawahl, Vorbereitungen der Host City Dortmund zur EM und zwei Veranstaltungen der rechten Szene gab es mehrere Anlässe, auf die Straße zu gehen. Auch in vielen anderen Städten positionierten sich am Samstag wieder Tausende gegen rechte Stimmungsmache. Die Demonstrierenden der Veranstaltung „United in Solidarity. Gegen Gewalt und Verdrängung aus der Dortmunder Innenstadt und an Europas Grenzen” machten dabei lautstark rund um die Fußgängerzone auf sich und ihre Anliegen aufmerksam. 

„Die EM wird grade auf obdachlose Menschen in Dortmund einen großen Einfluss haben“

Für das Bündnis begrüßte Tobias alle Teilnehmenden
Für das Bündnis begrüßte Tobias alle Teilnehmenden Anna Tenholt | Nordstadtblogger

„Die EM wird grade auf obdachlose Menschen in Dortmund einen großen Einfluss haben und deshalb dachten wir, bevor überall Trubel ist durch Fußball, versuchen wir nochmal ein bisschen Aufmerksamkeit darauf zu lenken, weil danach wird es wahrscheinlich erst mal schwierig sein, wenn hier das große Public viewing losgeht”, erläuterte Anna Flaake (Schlafen statt Strafen).

Mit Sprechchören, Musik, Bannern und Flyern zogen sie die Aufmerksamkeit der zahlreichen Passanten auf sich, die zum Shoppen und für die Veranstaltung „Klangvokal” in die Stadt gekommen waren.

Dortmund putzt sich heraus: 200.000 Euro für Kunstrasen

Zu diesem Anlass hatte die Stadt vor wenigen Tagen grünen Kunstrasen in der Innenstadt verlegt. „Dortmund putzt sich schon seit Monaten oberflächlich raus. Für die Gäste der Fußball Europameisterschaft der Männer wird sprichwörtlich der rote Teppich ausgerollt und tatsächlich auch der grüne Teppich“, betont  Tobias als Sprecherdes Bündnisses bei der Begrüßung.

Den Fans wird dieses Mal nicht der sprichwörtliche Rote Teppich, sondern ein grüner ausgerollt. Anna Tenholt | Nordstadtblogger

„Das sieht ein bisschen wild aus, dass da einfach so ein Band aus Kunstrasen rumliegt, aber gut, kann man machen. Allein dieser Kunstrasen kostet 200.000 Euro. Insgesamt ballert die Stadt für diese Europameisterschaft ungefähr 30 Millionen Euro raus. Am Ende profitieren nicht die Leute davon, die in Dortmund wohnen, sondern die UEFA und internationale Großkonzerne, die das Ding sponsern. Da fließt der Gewinn hin”, so der Sprecher.

Dieses Geld fehle nicht nur in Dortmund sondern auch in den anderen Ausrichterstädten an anderen Stellen. Als Beispiel nennt er sozialen Wohnungsbau. Auch Heiko, ehemals selbst wohnungslos, forderte mit deutlichen Worten „mehr Wohnraum” und richtete sich mit seinem Appell direkt an den Oberbürgermeister.

Ihren gesamten Nachmittag opferten die Demonstrierenden für den Aufruf an Stadtverwaltung und Bewohner:innen zu mehr Solidarität mit denen, die bei den Planungen zu Großveranstaltungen selten mitgedacht werden: Wohnungslose, darunter auch viele mit unsicherem Aufenthaltsstatus.

Susanne vom Verein „Jes” berichtete darüber aus erster Hand. Der Verein wirkte in den 90er Jahren an der Einrichtung und Eröffnung des Café Kick mit. Sie sprach über die Diskriminierung, die man „als drogengebrauchender Mensch im Medizinsystem und eigentlich allen Systemen” erfahre und die schwierige Situation, sein Leben auf der Straße führen zu müssen.

Über die EM in Dortmund äußerte sie sich: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Stadt Dortmund andere Möglichkeiten gefunden hätte, um an anderen Orten zu begeistern und abzuhole. Mit Aktionen, die vielleicht ein Viertel von dem grünen oder roten Sondermüll gekostet hätten, den wir jetzt für unsere Innenstadt haben”.

Anna Tenholt | Nordstadtblogger


Wenige Tage nach der „Enthüllung” der neuen Marke Dortmund als „Einzige ihrer Art” (Link zum Bericht unter dem Text) sparten die Sprecher:innen nicht mit ihrer Kritik an der Stadtverwaltung. Nicht nur wegen der hohen Ausgaben in Höhe von insgesamt 30 Millionen Euro, sondern auch wegen der plötzlichen Beschleunigung von Vorhaben wie dem barrierefreien Umbau des Bahnhofs. Also seien diese Vorhaben doch schnell umsetzbar, wenn man wolle.

Beendigung der Zusammenarbeit mit EHC und allen von Serco geführten Unternehmen gefordert

Besonders scharf kritisierte Anna Flaake für das Bündnis die Vergabe von Aufträgen an European Homecare (EHC), ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das beispielweise für den Betrieb der Männerübernachtungsstelle verantwortlich ist. Es ist nun Teil des Konzerns „Serco“. Zu lesen ist auf der Firmenwebsite: „We operate in ten european countries across four key sectors: Space, Defence, International organisations and Immigration“ (unten verlinkt).

Anna Flaake für Schlafen statt Strafen
Anna Flaake für Schlafen statt Strafen Anna Tenholt | Nordstadtblogger

Anna Flaake nannte diese Auftragsvergabe extrem problematisch: „Ich denke, es ist eine sehr, sehr perfide Unternehmensstrategie, die Serco verfolgt. Sie stellen die Waffen und die Kriegsausrüstung her, die Kriege und Gewalt in Ländern auslösen und dann stellen sie die Unterkünfte für die Leidtragenden dieser Kriege zur Verfügung – und generieren damit ihre Profite. Sie generieren ihre Profite mit dem Krieg und ihren Folgen“.

Hinzu komme, dass seit Jahren Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty international die Zuständen in den Lagern und Unterkünften von Serco bemängeln. Es gäbe Berichte über sexuelle Gewalt, Misshandlungen und unrechtmäßiges Festhalten von Migrant:innen.

„Wir finden, dass das ein Skandal ist und deshalb fordern wir die Beendigung aller Verträge und der Zusammenarbeit mit European Homecare und allen von Serco geführten Unternehmen”, so Anna Flaake. “Zusätzlich müssen die Kritieren für die Ausschreibung von sozial relevanten Einrichtungen wie Unterkünften anpasst werden, damit in Zukunft nie wieder ein solches Unternehmen Zuschläge für Einrichungen erhalten kann”.

Dortmund als „Sicherer Hafen“?

Mit Blick auf die Imagekampagne stellte sie fest: „Wir hätten gern das Dortmund nicht die Einzige aber Vorreiterin ihrer Art ist, die Obdachlosigkeit beendet und tatsächlich ein sicherer Hafen für Geflüchtete ist”. Das Label Sicherer Hafen für Geflüchtete trägt die Stadt schon seit mehreren Jahren.

Am Stadtgarten versammelten sich die Demonstrant:innen Anna Tenholt | Nordstadtblogger

 „Ich befürworte das auch sehr, aber wir wollen sicher gehen, dass dieser Beschluss tatsächlich auch umgesetzt wird und man das auch tatsächlich im Umgang mit geflüchteten Menschen in Dortmund merkt. Dortmund ist wahrscheinlich schon ein bisschen weiter als andere Städte, aber das heißt nicht, aber das heißt nicht, dass man nicht mehr tun kann”, so die Vertreterin von Schlafen statt Strafen.

Beim Zwischenstopp an der Reinoldikirche verkleinerte sich die Menge deutlich, weil viele sich auf den Weg nach Dorstfeld machten. Dort wurde gleichzeitig gegen eine Feier der Jungen Alternativen im Büro ihres Förderers Matthias Helferich demonstriert.

An der Kirche im Zentrum der Stadt erinnerte Tobias auch an den Tod eines wohnungslosen Menschen, der Anfang April bei einem Polizeieinsatz erschossen wurde. Die Ermittlungen gegen die Polizist:innen seien diese Woche eingestellt worden und das bezeichnete er als Skandal. Helmut Szymanksi vom Sozialforum sprach in seinem Beitrag über die Auswirkungen des Sozialrechts auf die Leistungsempfänger:innen und die Benachteiligung.

Bündnis ruft zu Spenden und Unterstützung auf

Vertreter:innen für die Suppenküche, die seit über 30 Jahren in der Nordstadt Essen ausgibt Anna Tenholt | Nordstadtblogger

Zum Abschluss lud die Suppenküche „Kana” noch Alle vor dem Fußballmuseum zu Gemüsesuppe und Brot ein.

Neben Kana sind folgende Organisationen Teil des Bündnisses: Schlafen statt Strafen, Grenzenlose Wärme, Face2Face, AndersSozial, Solikreis Justice4Mouhamed, aidshilfe dortmund e.v., SÖZ – Sozial Ökologisches Zentrum, Jes, Anarchistische Gruppe Dortmund, Planerladen gGmbH und Jugendforum Nordstadt, Sozialforum Dortmund, Genug ist Genug Bochum, Frau Lose und Rhythms of resistance.


Alle Organisationen freuen sich über Unterstützungen in Form von Spenden oder Engagement. Alle Forderungen des Bündnisses finden sich im Ankündigungstext. (Link unten)

Mehr Informationen:


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Reaktionen

  1. Fair Play Petri! – Interaktive Aktionswoche an der Petrikirche (PM)

    Vom 22. bis 30. Juni 2024 findet unter dem Motto „FAIR PLAY Petri!“
    eine besondere Veranstaltungsreihe an der Nordseite der Petrikirche statt.

    Täglich von 12 bis 18 Uhr erwarten die Besucherinnen und Besucher
    interaktive Stände und Aktionen, die sich mit Menschenrechtsthemen
    rund um den Fußball auseinandersetzen.

    Diese reichen von „Machtverhältnissen“ über „Dekolonisierung“ bis
    hin zu „Wasser“ und „Wohnen“. Ein Bezug zum Fußball wird dabei stets
    hergestellt und es ist für alle Sinne etwas dabei.

    Mitwirkende Vereine und Institutionen:

    Welthaus Dortmund e.V.
    Foodsharing e.V.
    Frau Lose e.V.
    Train of Hope e.V.
    Eine Welt Netz NRW e.V.
    Faire Metropole Ruhr e.V.
    Mitternachtsmission e.V.
    Oikos Institut der Ev. Kirche Westfalen
    Ev. Stadtkirche Sankt Petri
    Evangelischer Kirchenkreis Dortmund – Referat Ökumene

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