Wofür steht Dortmund? Eine Antwort darauf gab es beim großen Marken-Launch-Ereignis in den schönen Höfen der Schnapsbrennerei Krämer am Schwanenwall. Das Event markiert den Willen zum Wandel für mehr Wiedererkennung: Über ein Jahr lang versuchten Stakeholder und Zivilgesellschaft zur Seele Dortmunds vorzudringen. Das Ergebnis: Dortmund ist „Die einzige ihrer Art.“ Ein Bericht von Sandra Danneil über „mental convenience“, Kulturkapitalismus und die Suche nach dem Besonderen.
Dortmund wieder cool? – Stadtmarketing und „city branding“
Die Zeiten, als mir Dortmunds Skyline beim Reinfahren in den Hauptbahnhof mit der RB53 ein sublimes Gefühl von lokalem Stolz und urbaner Erhabenheit vermittelte, sind lange vorbei. Mein Herz, dass über zwanzig Jahre hör- und fühlbar für meine Wahlheimat Dortmund schlug, ist gebrochen.
Beim Mäandern durch Müll, Wohnungs- und Ziellose an Dortmunds touristischem Drehkreuz übe ich mich in Mundatmung und spüre eine Schwermut, die ich versuche mit Demut zu verscheuchen. An alldem möchte die Stadt Dortmund nun etwas ändern. Das neue „Markennarrativ“ verspricht einen gefühlsbetonten Neuanfang mit „city branding“, denn larmoyante Geschichten wie meine sollen nicht über Dortmund verbreitet werden.
In meinen frühen Zwanzigern war es (Achtung: Boomer-Sprache) „cool, wenn man sagte, dass man in Dortmund lebt. Hier zog es mich hin. Ende der Neunziger war Dortmund noch erfüllt von Selbstverwirklichung. Es gab eine vibrierende Klublandschaft und Orte, an denen man Freunde fürs Leben traf, aber selten Touristen.
Die Jahrtausendwende brachte dann mehr Strukturwandel. Der Anfang der Weihnachststadt mit dem größten Viel-Baum der Welt besiegelte in meinen Augen schließlich das Ende einer pulsierenden Subkultur und offenbarte die windigen Machenschaften von Stadtmarketing und Corporate Design. Trotz Weihnachts- und Fußballtourismus landet Dortmund auf dem bundesweiten Popularitätsmonitor dennoch immer wieder auf den hinteren Rängen. Und jetzt?
Was der Fachbereich für Marketing und Kommunikation der Stadt Dortmund als „wichtigen Meilenstein“ bejubelt, meint einen vor über einem Jahr in Gang gesetzten „Markenbildungsprozess“. Ein Prozess, den Experten heute „city branding“ nennen.
Wenn sich Bonn zum Beispiel als „Beethovenstadt“ präsentiert und Weil am Rhein „Stadt der Stühle“ ist, dann emulieren sie ein Gefühl von Lokalpatriotismus, das eine glorreiche Vergangenheit mit Markenwert beschwört. Was aber tun, wenn das einzige, wofür wir stehen – Kohle, Bier und Fußball – nicht mehr sexy genug ist?
Zusammenhalt & Strahlkraft: Markenarchitektur im Kulturkapitalismus
In Bochum schreibt man das „Wir“ im Slogan „WIR ziehen das gemeinsam durch“, im übertragenen und buchstäblichen Sinn, groß. Hier geht es nicht um die nachhaltige Wertigkeit von Personen oder semantisch geladene Produkte. Hier geht es vor allem um Identifikation, um Zusammenhalt nach innen und Strahlkraft nach außen. An diese Idee setzt auch Dortmunds Markenarchitektur an.
Die Auswüchse des „city branding“ können mit dem Soziologen Andreas Reckwitz als eine „Explosion des Besonderen“ verstanden werden. In seinem aufsehenerregenden Buch Die Gesellschaft der Singularitäten von 2017 verwendet er dafür den Begriff „Kulturkapitalismus“.
Durch diesen haben Städte und Metropolen damit begonnen, anstelle der austauschbaren Räume der klassischen Moderne eine „lokale Eigenlogik“ zu entwickeln. Die Spätmoderne brauche „wiedererkennbare Orte mit je eigener Atmosphäre, an die sich spezifische Narrationen und Erinnerungen heften“, so Reckwitz.
„Dortmund Überrascht. Dich.“ überrascht nicht mehr
Für den Findungsprozess dieser lokalen Eigenlogik haben sorgfältig zusammengewürfelte Stakeholder (dt. „Anspruchsgruppe“) mit ganz normalen Leuten in sogenannten Markenboards („gesellschaftliches Gremium“) und Fokusgruppen („quotenbasiert-divers“) die Essenz der Marke Dortmund ermittelt. Nach Hunderten von Gesprächen mit Tausenden von Akteur:innen soll es „Die Einzige ihrer Art“ auf den Punkt bringen. In der Pressemitteilung heißt es, das Narrativ sei „eine Geschichte, die die Seele der Stadt beschreibt“.
Wozu das Ganze? Impulsgebend für eine Suche nach dem Besonderen in Dortmund war die Auflösung der DORTMUNDtourismus GmbH. Unvergessen bleibt aus dieser Zeit nur der Slogan „Dortmund Überrascht. Dich.“ und die „Integreat App“, eine Art digitales Welcome-Center für Zugewanderte und „Great Integration“, so fordert es die App.
„Die Einzige ihrer Art“: Ein Narrativ mit Marketing-Seele
Mit der anschließenden Umstrukturierung der Dortmund-Agentur in den Fachbereich „Marketing + Kommunikation“ sollte eine starke und einheitliche Öffentlichkeitsarbeit neuen Schwung in Dortmunds Image bringen. Ein Versuch startete seine Leiterin, Jennifer Rickers, in ihrer schwungvollen Rede beim Marken-Launch.
„Wenn Dortmund eine Stimme hätte, was würde sie sagen?“, strahlt Rickers euphorisch ins Publikum. Zumindest hat Dortmund jetzt ein Geschlecht, denke ich positiv, während die Leiterin des Fachbereichs „Marketing + Kommunikation“ der Stadt Dortmund weiter für ihr Thema brennt.
„In Dortmund passieren tolle Dinge, denn wir Dortmunder sind bekannt fürs Machen und nicht nur fürs Reden“, versichert sie, denn Rickers selbst ist sichtlich überzeugt davon. Im Gespräch mit ihr macht ihr beinahe ansteckender Enthusiasmus für einen irgendwie lahmen Slogan wie „Die Einzige ihrer Art“ aber auch deutlich, wie wichtig es heute ist, besonders sein zu müssen.
Starke Marken entstehen mit viel Gefühl
Flankiert wird Rickers von OB Thomas Westphal und Johannes Frederik Christensen, externer Berater und Gründer der exklusiven Hamburger „Beratungsboutique“ Dichter+Denker. Weil Christensen zwar Wahlhamburger, aber „im Herzen Dortmunder“ ist, spricht er in seiner Rede über die Marketing-Kampagne als ein „Herzensprojekt“. Christensen versteht, dass Gefühle Antriebsfeder und Motor für erfolgreiche Werbung sind.
Er gilt als einer der talentiertesten Branding Professionals (Markenentwickler) Deutschlands, der schon kleinen wie großen Playern zu neuem Glanz verholfen hat.
Seine Expertise steckt nun auch in Dortmunds Markenessenz und ist fester Bestandteil seiner Sprache: Für den „Wettbewerb der Städte“ hat Dortmund „unheimlich viel Potential“ und eine „starke Positionierung“, steht aber „vor einem längeren Prozess“, der das „Markennarrativ“ unerlässlich macht usw.
Alles wie schon mal gehört?: Das Besondere braucht „mental convenience“ und viel Fantasie
Das klingt alles wie schon mal gehört. Für den erfolgreichen Aufbau einer Markenarchitektur in Städten braucht es nämlich, laut Markenlexikon.com, unter anderem „Transparenz und Klarheit“ für die Zielgruppe. Mit dieser „mental convenience“, so heißt das im Werberjargon, setzte das Projekt den Grundstein für ein unmissverständliches Marketing, ohne Ecken und Kanten.
Eine Marke entsteht nicht über Nacht. Folgt man den Einsichten von Helmut Schneider, Professor für Strategisches Marketing, entsteht eine Marke „in erster Linie im Bewusstsein und der Fantasie des Menschen“.
Um die Fantasie der Dortmunder:innen zukünftig anzuregen, verspricht Lena de Boer, Leiterin der Stabsstelle Strategie, daher unzählige „Aktivierungsmaßnahmen“. Der Image-Film des „Oh Fortuna“-Regisseurs Johannes Klais ist nur eine Aktion, die Markenbotschaft ins Bewusstsein der Menschen zu speisen.
Auf den Tischen und Stühlen liegen bunte Postkarten, bedruckt mit Aphorismen, also formelhaften Sinnsprüchen, die das Salz in der einzigartigen Narrativ-Suppe sind.
Wie Gedichtzeilen reihen sich Aussagen wie „Ehrlich im Herzen. Direkt in ihrer Natur.“ and „Kurze Wege. Zu jeder Kultur.“ aneinander.
Aktivierung bedeutet Kommunikation. Und die soll es zukünftig auch verstärkt geben, nicht nur zwischen den Dortmunder:innen. Ein neues Storytelling will Einheit, auch mit Verwaltung, den Institutionen und Unternehmen.
„Aktuell kommt es darauf an, dass wir stolz nach außen präsentieren, was für eine Lebens- und liebenswerte Stadt Dortmund ist“, instruiert die studierte Sozialwissenschaftlerin Jennifer Rickers zum Abschluss.
Mein 20-jähriges Ich ist gespannt, ob der Slogan „Die Einzige ihrer Art“ meine Geschichten über Dortmund zwar sicher nicht mehr cooler, aber doch zumindest besonderer macht.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
Reader Comments
Norbert
Die Zweckbeschreibung eines Slogans zum Slogan erheben. Wau. Schlauer wird man uch durch die Erklärungen nicht. Gemeinplätze, empirisch nicht belegte Behauptungen, …
Um eine Art zu definieren, braucht es schon mehrere Einzelne, die man aufgrund bestimmter Eigenschaften zu einer Art zusammenfassen kann. Der Slogan ist also auch noch logischer Bullshit.
Fährt jemand wegen so einem Slogan in die so beworbene Stadt?
Die Dichte an englischen Begriff und blumigen Kunstworten ist ein Indiz dafür, wie wenig Substanz in der Sache steckt.
Gemeinsam für ein starkes Dortmund: Jetzt an der Design-Umfrage teilnehmen (PM Stadt DO)
Dortmunder*innen können ab sofort unter anderem ein neues Logo ihrer Stadt mitbestimmen. Die Online-Umfrage zur Corporate Identity Dortmunds wird durchgeführt vom Fachbereich Marketing + Kommunikation und läuft bis zum 18. August.
Wofür steht Dortmund und was macht unsere Stadt besonders? Um das herauszufinden, hat die Stadtverwaltung bereits im vergangenen Jahr einen Markenbildungsprozess gestartet und ein neues Markennarrativ entwickelt. Der Rat hat dieses Narrativ am 16. Mai verabschiedet, verbunden mit dem Auftrag, daraus einheitliche Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen abzuleiten.
Ziel ist es, eine starke Marke für eine starke Stadt zu entwickeln und damit Dortmund nachhaltig für die Zukunft zu positionieren. Als nächster Schritt soll ein einheitliches grafisches Erscheinungsbild für alle Medien festgelegt werden, bei denen die Stadt Dortmund Absenderin ist. Dazu gehören zum Beispiel ein Logo, bestimmte Farben oder Schriftarten.
Modern oder historisch?
Dafür ist jetzt auch die Meinung der Dortmunder*innen gefragt: Wie soll sich die Stadt Dortmund in Zukunft zeigen? Gibt es Farben oder Formen, die Dortmunder*innen mit ihrer Stadt verbinden? Sollte das städtische Design modern und zukunftsgerichtet sein? Oder sollte es eher klassisch aussehen und sich auf die Historie besinnen? Diese und weitere Fragen können Einwohner*innen einfach aus dem Bauch heraus beantworten, denn es gibt kein richtig oder falsch – es geht um eine ehrliche Meinung.
Hier geht es zur Umfrage: https://beteiligung.nrw.de/portal/dortmund/beteiligung/themen/1008163
Auf dortmund.de/marke gibt es laufend weitere Informationen über den Prozess.
Eine starke Marke – was ist das überhaupt?
Eine starke Marke ist ein Markenname oder ein Markenzeichen, das in den Köpfen der Menschen positive Assoziationen hervorruft. Eine starke Marke zeichnet sich durch mehrere Merkmale aus wie etwa Bekanntheit, Einzigartigkeit und eine emotionale Verbindung.
Eine starke Marke in Dortmund ist beispielsweise der BVB mit seinem Slogan „Echte Liebe“, der auch als Narrativ, also als Geschichte, für den Verein funktioniert. Auch Städte sind Marken. Eine der stärksten Stadtmarken ist sicherlich New York: Die Wort-Bild-Marke „I <3 NY“ ist weltweit auf Tassen, T-Shirts und Stickern zu finden. In Deutschland zählen Berlin, Hamburg und München zu den erfolgreichsten Stadtmarken.
Die Einzige ihrer Art: Stadt Dortmund versteigert Kunstdruck von Markus Wiese (PM)
Ab Montag, 16. September, können Interessierte einen limitierten Kunstdruck des Dortmunder Künstlers Markus Wiese ersteigern. Der Druck ist handsigniert und trägt den Titel „Die Einzige ihrer Art“. (Anm.d.Red.: Das Motiv ist auf dem Titelbild des Artikels oben zu sehen) Der Erlös dient einem guten Zweck.
Anfang Juni veröffentlichte die Stadt Dortmund ihr neues Markennarrativ, also eine Geschichte, die die Seele der Stadt beschreibt. Das Narrativ ist ein Meilenstein innerhalb des Markenbildungsprozesses der Stadt und trägt den Titel Die Einzige ihrer Art. Es erzählt, was Dortmund einzigartig macht, und dient als roter Faden auf dem Weg, die Stadt als Marke zu stärken.
Mural nun als Kunstdruck
Für die Vorstellung des Markennarrativs erstellte der bekannte Dortmunder Künstler Markus Wiese in den Krämerhöfen am Schwanenwall 31 ein einzigartiges Wandgemälde, ein Mural. Ein hochwertiger Kunstdruck dieses Murals wird nun in limitierter Auflage versteigert. Der daraus entstehende Erlös kommt vollständig der Dortmunder Mitternachtsmission e.V. zugute.
Der Kunstdruck „Die Einzige ihrer Art“ hat eine einmalige Auflage von 50 Exemplaren. Er ist 50 mal 70 Zentimeter groß und wurde auf 250 Gramm dickem Büttenpapier gedruckt. Jeder Druck wird vom Künstler geprägt und signiert.
Anlässlich der DEW21 Museumnacht wird der Kunstdruck am Samstag, 21. September, zwischen 16 und 22 Uhr im Eingangsbereich des Dortmunder U ausgestellt.
Per Mail mitbieten
Interessierte können ihre Gebote von Montag, 16. September, bis Sonntag, 29. September, per E-Mail an kunstdruckmarkuswiese@dortmund.de senden. Das Mindestgebot beträgt 50 Euro. Weitere Informationen unter dortmund.de/kunstdruck-markuswiese.
Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Stadtstrategie: Dortmund lädt zum Austausch bei der ersten Stadtkonferenz (PM)
Das „Dortmunder Stadtgespräch“ geht weiter – mit der ersten Stadtkonferenz! Die Stadt Dortmund lädt herzlich dazu ein, sich mit auf den Weg zu einer gemeinsamen Stadtstrategie zu machen.
Die erste Stadtkonferenz im Prozess „Dortmunder Stadtgespräch – gemeinsam zur Stadtstrategie“ findet am Samstag, 28. September, 10 bis 14 Uhr in der Berswordt-Halle (Südwall 2–4) statt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
Zunächst werden die bisherigen Ergebnisse des „Dortmunder Stadtgesprächs“ vorgestellt. Im „Dortmunder Stadtgesprächs“ treten Verwaltung, Politik, städtische Institutionen und Bevölkerung in einen Dialog und erarbeiten unter Einbindung bestehender Konzepte und Pläne eine nachhaltige und integrative Strategie zur zukunftsfähigen Ausrichtung der Stadt Dortmund.
Oberbürgermeister Westphal ist mit dabei
Seit der öffentlichen Auftaktveranstaltung im April 2024 haben die Beteiligten in einer ersten Workshop-Runde sogenannte „Ausgangsbilder“ erstellt. Diese zeigen den aktuellen Stand der Stadtentwicklung und Perspektiven für die zukünftige Entwicklung auf. Das ist die Basis für das weitere Vorgehen.
Die Stadtkonferenz ist der nächste wichtige Meilenstein. Er bietet erneute die Möglichkeit, sich aktiv in diesen transparenten Prozess einzubringen. Oberbürgermeister Thomas Westphal wird zusammen mit Vertreter*innen der beteiligten Gruppen vor Ort sein und alle Bürger*innen dazu ermutigen, auch weiterhin mit wertvollen Anregungen in einen Austausch zu kommen.
Teilnahme auch digital möglich
Um möglichst vielen Menschen die Gelegenheit zu geben, dabei zu sein und sich einzubringen, wird die Konferenz auch digital zugänglich sein. Ab dem 28. September haben Interessierte einen Monat lang die Möglichkeit, alle präsentierten Ergebnisse online über das Beteiligungsportal NRW (https://beteiligung.nrw.de) einzusehen, zu kommentieren und weiterzuentwickeln.
Weitere Infos zur Veranstaltung und zur Teilnahme: dortmund.de