Wieder und wieder machte der Dortmunder AfD-Politiker Matthias Helferich mit medienwirksam inszenierten Provokationen und Skandalen auf sich aufmerksam. Das erzeugt offenbar Unmut bei vielen nordrhein-westfälischen Parteikolleg:innen, denn nun soll der Landesvorstand der AfD NRW ein Ausschlussverfahren gegen den fraktionslosen Bundestagsabgeordneten eingeleitet haben. Ist Matthias Helferich zu rechts für die Alternative für Deutschland?
Machtkämpfe innerhalb der AfD: Soll Helferich vor dem Bundesparteitag „kaltgestellt“ werden?
Es brodelt innerhalb der AfD: Mehreren Medienberichten zufolge eröffnet der Landesvorstand der AfD NRW laut Informationen der „Deutschen Presse Agentur“ (dpa) ein Parteiausschlussverfahren gegen den Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich. Grund seien die „Abwege“ des Juristen, die der Landesvorstand nicht weiter hinnehmen wolle, heißt es weiter. Über den Antrag muss nun das Landesschiedsgericht beraten.
Auf X (ehem. Twitter) spricht der 35-jährige Politiker am Montag selbst von einem „Rauswurf“ und dem daraus resultierenden „sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte“. Es scheine so, als wolle man ihn vor dem Bundesparteitag „kaltstellen“, erklärt er. Unter seinen Post setzt er den Hashtag „Machtkampf“.
Die deutliche Distanzierung seiner Parteikolleg:innen verwundert nicht – Helferich ist seit Jahren umstritten. Nachdem im Sommer 2021 Chat-Nachrichten publik geworden waren, in denen er sich selbst als das „freundliche Gesicht des NS“ bezeichnete und erklärte, er wolle den „demokratischen Freisler“ geben, verzichtete er nach der Bundestagswahl auf die Fraktionsmitgliedschaft, die er danach nicht mehr erlangte.
Das Netzwerk des Dortmunder Juristen reicht tief hinein in die Neue Rechte
Der Journalist Rainer Roeser beobachtet die Alternative für Deutschland seit Anbeginn. Er stellt fest: „Matthias Helferich ist bestens vernetzt. Besonders gut mit der ,Jungen Alternative‘, mit Flügel-Kader Björn Höcke, den rechtesten Burschenschaften aus der ,Deutschen Burschenschaft‘ und mit sogenannten ,Alternativen Medien‘ – was die letzten beiden Punkte anbelangt: Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich.“
Belege für dieses Netzwerk finden sich allerhand: Im Januar lud Matthias Helferich gemeinsam mit „Jungen Alternative“ den rechtsextremen Publizisten Götz Kubitschek in sein Wahlkreisbüro in Oberdorstfeld ein. Kubitschek ist eine zentrale Figur der Neuen Rechten – sein Rittergut in Schnellroda beherbergte das vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Institut für Staatspolitik (IfS).
Zudem ist er Inhaber des „Antaios-Verlags“, der die Werke des Leiters der österreichischen „Identitäten Bewegung“ (IB) Martin Sellner, der bei dem „Geheimtreffen“ in Potsdam über die millionenfache Deportation in Deutschland lebender Menschen mit Migrationshintergrund phantasierte, und des skandalbehafteten AfD-Spitzenkandidats für die Europawahl, Maximilian Krah, veröffentlicht.
Helferich stellt sich trotz Unvereinbarkeitsbeschluss auf die Seite der „Revolte Rheinland“
Auch die Nachfolgeorganisation der rechtsextremen „IB“ in NRW, „Revolte Rheinland“, heißt der Dortmunder AfD-Politiker Matthias Helferich gut – entgegen der Leitlinie der eigenen Parteispitze. Nach einem Beschluss des Bundesvorstands um Alice Weidel und Tino Chrupalla landete die „Revolte Rheinland“ am 18. Dezember 2023 auf der Unvereinbarkeitsliste der Partei.
Kurz später postete Matthias Helferich auf Instagram ein Foto, auf dem er den Account der „Revolte Rheinland“ markierte und schrieb dazu: „Keine Distanzeritis.“
Im Jahr 2022 trat Matthias Helferich als Redner beim „Deutschen Burschentag“ der „Deutschen Burschenschaft“ (DB) in Eisenach auf. Die DB ist ein Dachverband deutscher und österreichischer Burschenschaften, in dessen Handbuch von 2005 sich unter anderem Aussagen wie „Das Deutsche Reich ist 1945 nicht untergegangen und besteht unverändert fort“ finden.
Nach Berichten der österreichischen Zeitung „Der Standard“ sollte Matthias Helferich auch bei einer geplanten Veranstaltung der FPÖ-nahen Burschenschaft „Aldania“ als Festredner fungieren. Der Austragungsort, ein Hotel in Wien, sagte die Veranstaltung in ihren Räumlichkeiten nun ab.
Am 1. Mai besuchte der Thüringer Spitzenkandidat Björn Höcke seine Dortmunder Parteifreunde
Außerdem unterstützt Helferich die Jugendorganisation der Alternative für Deutschland, die seit Anfang des Jahres vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, medienwirksam, etwa beim Verteilen von Flyern für die bevorstehende Europawahl.
„Die ,JA‘ stellt insbesondere in den Augen westdeutscher AfD-Funktionäre ein großes juristisches Risiko dar, insbesondere die Nähe zur ,IB‘. Davon wollen sie sich zwecks Risikominimierung absetzen“, ordnet Rainer Roeser ein.
Deshalb startete die „JA NRW“ die Kampagne „Ja zur ,JA’“, zu der sich neben Björn Höcke und anderen Bundestagsabgeordneten auch Matthias Helferich öffentlich bekennt. „Erklärt euch am kommenden Wochenende solidarisch mit unserer Parteijugend. (…) Zeigen wir, dass wir uns nicht spalten lassen“, postete der 35-Jährige am 22. Februar unter dem Promo-Video.
Zuletzt stattete der Vorsitzende der Thüringer AfD-Fraktion, Björn Höcke, dem Dortmunder Parteikollegen einen Besuch ab – es war nicht das erste Mal. Am 1. Mai diesen Jahres schlenderten Höcke, Helferich und weitere Mitglieder der Dortmunder AfD und der „JA NRW“ über das Außengelände der Kokerei Hansa in Huckarde.
Rechtsextremer Verdachtsfall: Verfassungsschutz stellt verfassungsfeindliche Bestrebungen fest
Diese „Verschnaufpause“ Höckes vom Wahlkampf in Thüringen werde auch dazu genutzt, sich über „die Zukunft der Partei“ auszutauschen, erklärte Matthias Helferich im Interview. Konkret gehe es um den „Kampf gegen den Verfassungsschutz“, die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser „instrumentalisierten Behörde.“
Der Verfassungsschutz – ein Dauerthema für die Alternative für Deutschland. Denn im Mai entschied erneut ein Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichts NRW in Münster, dass die AfD als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden darf.
Das Gericht bestätigte damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom März 2022 und wies die Berufung der Partei zurück. Grund seien „ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei“.
Sind Matthias Helferichs Positionen in der rechten AfD also nicht mehr haltbar oder ist das Ziel, die Überwachung durch die Sicherheitsbehörden nicht weiter zu befeuern? „Ich glaube, dass man dem Verfassungsschutz nicht noch mehr Futter liefern möchte“, mutmaßt Rainer Roeser. Weiter führt er aus: „Und vermutlich will man mit dem Entzug der Mitgliedsrechte kurzfristig eine Kandidatur Helferichs beim Bundesparteitag verhindern.“
Dortmunder Ratsfraktion stellt sich solidarisch hinter Matthias Helferich
„Europaweit und ganz konkret auch vor der Haustür, in Nordrhein-Westfalen, gibt es intern viel Kritik an Helferichs politischer Haltung. Im Gegenzug hat man den Eindruck, dass die Dortmunder AfD-Ratsfraktion Helferich regelrecht anbetet und sehr stolz auf ihn ist“, berichtet Utz Kowalewski von der Ratsfraktion Linke+. Diese Annahme bestätigt Heiner Garbe, Vorsitzender der Dortmunder AfD-Fraktion. Er teilt auf Antrage mit, Helferich „ist und bleibt ein hoch geachtetes Mitglied unserer Fraktion.“
Während „Die Linke+“ Helferichs Ratsauftritte mit den Worten „Hass, Hetze und Parolen, die an die dunkelste Zeit Deutschlands, das Dritte Reich, erinnern“ beschreibt, findet AfD-ler Garbe, Matthias Helferich sei im Stadtrat „als begeisterter Kommunalpolitiker mit seinen geschliffenen Reden und seiner punktgenauen Kritik unverzichtbar und im wahren Wortsinn ein ,echter Helferich’“.
Daher stehe die gesamte Dortmunder Ratsfraktion solidarisch hinter Matthias Helferich und sehe auch nicht zuletzt als Folge des begründungslosen Ausschlussverfahrens keinerlei Anlass, ihn aus der Fraktion auszuschließen, so der Fraktionsvorsitzende. „Deshalb wäre es nur konsequent, wenn der Landesverband gegen die komplette Dortmunder AfD-Ratsfraktion ein Ausschlussverfahren einleiten würde“, fordert hingegen Utz Kowalewski (Linke+).
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Weitere Quellen und weitere Informationen zu diesem Artikel:
- Medienberichte zu Helferichs Parteiausschussverfahren: www1.wdr.de, www.zeit.de, www.spiegel.de
- Zu einer ausführlichen Hintergrundrecherche zu Götz Kubitschek geht es hier lang: www.t-online.de
- Informationen zum Europa-Spitzenkandidaten der AfD, Maximilian Krah, gibt es hier: www.tagesschau.de
- Die Einschätzung der „Identitäten Bewegung“ durch das nordrhein-westfälische Innenministerium findet sich hier: www.im.nrw
- Die Unvereinbarkeitsliste der AfD gibt es hier zu Lesen: www.afd.de
- Eine Anfrage im Bundestag zur „Deutschen Burschenschaft“ durch Mitglieder der Links-Partei findet sich hier: www.bundestag.de
- Matthias Helferichs Festrede beim Deutschen Burschentag 2022 gibt es hier zu Lesen: www.matthiashelferich.de
- Der Artikel des österreichischen„Standards“ ist hier zu lesen: www.derstandard.at
- Zum MDR-Bericht zu Björn Höckes Verurteilung vor dem Landgericht Halle geht es hier lang: www.mdr.de
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