Ausstellung und Podiumsdiskussion im Theater im Depot in der Nordstadt

Authentische Einblicke in die Lebensrealitäten von Sexarbeiter:innen zum Internationalen Hurentag

Collage von Tim Oehler aus der Ausstellung Sex-Workers – Das ganz normale Leben
Collage aus der Ausstellung „Sex-Workers – Das ganz normale Leben“ von Fotograf Tim Oehler, die die Dortmunder Mitternachstmission anlässlich des Internationalen Hurentages im Theater im Depot in der Nordstadt präsentiert. Fotocollage: Tim Oehler

Der Beruf der Sexarbeiter:innen ruft in den Köpfen der Menschen immer noch bestimmte Stereotypen hervor. Außerdem ist er noch in vielen Teilen der Gesellschaft verrucht und tabuisiert. Dennoch ist das Thema Prostitution immer wieder in aller Munde. Dem möchte die Dortmunder Mitternachtsmission e.V., seit 1918 in Dortmund, entgegen wirken und lädt nun anlässlich des 49. Internationalen Hurentags am Sonntag, den 2. Juni um 17 Uhr ins Theater im Depot in der Immermannstraße in der Nordstadt ein. Der Eintritt zur Veranstaltung ist kostenfrei.

Alljährliche Erinnerung daran, was es heißt, wenn weggeschaut wird

Der alljährlich international begangene Gedenktag erinnert an den Hurenstreik in Lyon, Frankreich, der am 2. Juni 1975 begann und mehrere Tage andauerte. Damals sorgte die französische Polizei durch harte Repressionen dafür, dass die Sexarbeiter:innen in die Verborgenheit gehen mussten, um ihren Beruf weiter auszuführen.

Legale Prostitution – Die Bordellstraße Linienstraße in der Nordstadt von Dortmund. Archivfoto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Durch die fehlende Öffentlichkeit kam es dann aber zu Gewalttaten gegen die Frauen und diese mündeten in zwei Morden. ___STEADY_PAYWALL___

Da die Politik und die Polizei untätig blieben, besetzten über 100 Sexarbeitende die Kirche Saint-Nizier, um auf ihre Lage und die Repressionen aufmerksam zumachen. Der Streik wurde nach ein paar Tagen von der Polizei schlussendlich niedergeschlagen.

Jedes Jahr wird seitdem der internationale Hurentag begangen. Auch die Dortmunder Mitternachtsmission erinnert jährlich durch Pressemitteilungen und Aktionen in den Milieus.

„Wir suchen jedes Jahr alle Milieus zum internationalen Hurentag auf und überreichen den Sexarbeiter:innen Geschenke in Form von Blumen“, erzählt die Sozialarbeiterin Petra Papirowski, die die aufsuchende Arbeit in der Linienstraße durchführt.

Sexarbeitende sind auch Personen mit einem Privatleben

Die Aufmerksamkeit zähle. Die Sexarbeiter:innen kennen dies schon und freuen sich jedes Mal, so die Sozialarbeiterin. „Dieses Mal wollen wir eine größere Veranstaltung“, betont die Leiterin der Mitternachtsmission, Andrea Hitzke. Die Verteilung der Geschenke erfolgt in diesem Jahr wegen der Ausstellung im Depot am darauffolgenden Montag, den 3.Juni.

Collage aus der Ausstellung Sex-Workers – Das ganz normale Leben
Collage aus der Ausstellung „Sex-Workers – Das ganz normale Leben“. Fotocollage: Tim Oehler

Der Verein möchte mit der Veranstaltung aufzeigen, wie die aktuelle sozialrechtliche Situation in dem Berufsfeld der Sexarbeit aussieht.

Darunter fällt nicht nur der Berufsalltag, sondern auch das Privatleben der Sexarbeiter:innen. Die Bilder der Ausstellung „Sex-Workers – Das ganz normale Leben“ sollen einen tiefen Einblick in die facettenreichen Lebensrealitäten von Sexarbeitenden geben und gängige Stereotype hinterfragen.

„Wir wollen sie auch anders als sonst darstellen“, erklärt Andrea Hitzke das Konzept. Durch die Linse von Tim Oehler sollen die Sexarbeitenden eine Stimme erhalten, die im derzeitigen Diskurs über Sexarbeit oft kein Gehör findet. Die Sexarbeitenden machen oft eine Ausbildung oder betätigen sich künstlerisch, was sich Teile der Gesellschaft einfach nicht vorstellen können.

Film und Podiumsdiskussion sollen für Diskurs sorgen

Zunächst beginnt der Nachmittag im Theater im Depot mit einem kurzen Film der Diakonie Deutschland, in welchem Sexarbeitende über das Thema „Anmeldung nach dem Prostituiertenschutzgesetz“ sprechen. Im Anschluss daran soll es ein Podiumsgespräch geben, indem verschiedene Dortmunder Akteur:innen mit Sexarbeitenden ins Gespräch kommen sollen.

Depot Außenansicht Foto: Depot/ Jan Schmitz
Das Theater im Depot befindet sich im Kulturort Depot in der Immermannstraße in der Nordstadt. Foto: Depot / Jan Schmitz

An dem Panel nehmen neben der Leiterin der Mitternachtsmission auch Kriminalpolizist Bernd Schneider, Manuela Stolecki vom Ordnungsamt und zwei Sexarbeitende teil.

„Es geht darum zu klären: Was sind die Stereotypen gegenüber den Sexarbeiter:innen und was sind die Wünsche der Sexarbeiter:innen“, erläutert die Sozialarbeiterin Meike Zwilling das Konzept der Podiumsdiskussion.

Zwischendurch begleitet die Künstlerin und Sexarbeitende Madame Kali durch ein Geigenkonzert mit Tangomusik den Abend. „Sex-Workers – Das ganz normale Leben“ ist die eintägige Ausstellung zum Bildband von Tim Oehler, in welchem er Sexarbeitende in ihrem alltäglichen Leben porträtiert.

Dortmunder Mitternachtsmission: Fachberatungstelle für ganz NRW

Die Dortmunder Mitternachtsmission ist als Fachberatungsstelle für diese Themen in ganz NRW tätig und ist eine Beratungsstelle für Sexarbeitende, Kinder und Jugendliche in der Prostitution und Betroffene von Menschenhandel.

Meike Zwilling, Leiterin Andrea Hitzke und Petra Papirowski
v.l.: Meike Zwilling, die Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission, Andrea Hitzke und Petra Papirowski, Foto: Erik Latos für Nordstadtblogger.de

Sie steht jedes Jahr mit 1000 Personen, davon überwiegend Frauen, in Kontakt. Jedes Jahr geht die Hälfte aus dem Bereich der Sexarbeit und neue kommen hinzu.

Rund 400 Opfer von Menschenhandel werden hier in Dortmund betreut. Sie werden meist auf dem Weg nach Europa in die Prostitution gezwungen. Auch das Umfeld wird oft mitbetreut – rund 80 bis 100 Partner:innen und Eltern werden in die Beratung mit einbezogen.

Ebenso betreut die Dortmunder Mitternachtsmission 90 Aussteiger:innen, die sich entschlossen haben den Bereich zu verlassen und etwas neues zu beginnen. Sie bekommen von der Beraterin Unterstützung für eine neue Perspektive – Weiterbildung, Umschulung oder nochmal die Schule.

Die Gründe für den Weg in die Sexarbeit sind so vielseitig wie die Menschen

Auch werden rund 80 Kinder und Jugendliche, die Opfer von Menschenhandel geworden und bei der aufsuchenden Arbeit angetroffen worden sind, betreut.

Archivfoto: Mitternachtsmission Dortmund

Auch an Schulen gibt es viele Mädchen, die Opfer der Loverboy-Methode geworden sind. Dafür gibt es Präventionsarbeit direkt an den Schulen, die Betroffenen können sich aber auch online an die Beratung wenden.

Auch eine Psychosoziale Unterstützung sei wichtig, da es sich immer noch um ein Tabuthema und um eine stark diskriminierte Randgruppe handele. Wenn es rauskommt, ist es besonders für die Sexarbeitenden selbst und die Kinder unabsehbar, welche Folgen auf sie zukommen können.

Die Hintergründe und Wege, warum Menschen in die Sexarbeit gehen, sind sehr vielseitig. „Escort und Beschaffungsprostitution ist ein Unterschied“, so die Andrea Hitzke. Es ist auch widerlegt, dass es sich immer nur um Zwang handele.

Weiterer Veranstaltungshinweis: „Die Loverboy Strategie“, online am 4.Juni 2024 um 17  bis 18.30 Uhr. Anmeldung erfolgt per Mail an info@mitternachtsmission.de.


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