Literaturstipendiatin will den „Klang der City“ aufspüren

Die neue Stadtbeschreiberin Chrizzi Heinen erforscht den urbanen Alltag in Dortmund

Oberbürgermeister Thomas Westphal begrüßte die neue Stadtbeschreiberin Chrizzi Heinen offiziell in Dortmund. Foto: Mareen Meyer

Die neue Stadtbeschreiberin ist offiziell von Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal begrüßt worden. Chrizzi Heinen ist nun sechs Monate lang in Dortmund auf der Suche nach dem „Klang der Stadt“. Sie ist ganz neu in Dortmund. Eingezogen ist sie, ganz passend, in eine Wohnung in der Nähe des Dortmunder Literaturhauses. Doch zu Hause ist sie selten, denn schon in den ersten Tagen hat sie sich auf die Suche gemacht. Sie will den Klang der Stadt erspüren, erforschen und abbilden.

Autorin begibt sich auf klanglich-literarische Reise: Der Sound von Asseln

„Ich will einzelne Stadtteile abklappern und gucken, was mir Schönes über den Weg läuft. In Asseln hat mich die besondere Klanglandschaft schon angezogen“, sagt die Autorin.

Den Link zur Homepage der Autorin finden Interessierte am Ende des Artikels. Zeichnung: Chrizzi Heinen

Fasziniert sei sie von der Geräuschkulisse der fahrenden LKW, die alle paar Minuten zum Lager von REWE fahren. Denn Klang ist für sie mehr als nur Musik.

„Unterhaltungen gehören auch zum Klang einer Stadt dazu. Worüber wird in der Stadt gesprochen?“ Chrizzi Heinen ist Autorin von Erzählprosa und Hörspielen, außerdem ist sie bildende Künstlerin. Auf ihrer Homepage will sie ihre verschiedenen Arbeiten zu Dortmund veröffentlichen: Texte, Podcasts, Tagebucheinträge, Zeichnungen.

Immer neue Geschichten aus der Stadt der Nachbarn

Die erste Geschichte inklusive collagenartiger Zeichnungen ist dort schon zu finden. Chrizzi Heinen war im Südbad, hat den Ort auf sich wirken lassen, sich in Kacheln verliebt und den Menschen zugehört. Ihre Beobachtungen der Schwimmenden sind liebevoll genau – mit einer Prise Humor – ein Auszug:

Screenshot Grafik: Chrizzi Heinen

„Wenn ich an ihnen vorbeischwimme, schnappe ich Teile ihrer Unterhaltung auf. Sie erzählt, dass sie in den 60er Jahren in Frankreich war, offenbar nicht mit ihrem Badefreund, vielleicht mit ihrem verstorbenen Mann, vermute ich. Ihr Schwimmfreund hört angeregt zu.

Es war in der Bretagne, erzählt sie, die Franzosen sprachen kein Deutsch und sie kein Französisch, mit Händen, Füßen und viel Lachen hätte man sich verständigt. Auf Malle können alle deutsch, meint sie.

Worauf ihr Badefreund sagt, da würden auch viele Spanier Urlaub machen, die kein Deutsch könnten. Es sind keine weltbewegenden Gespräche, die die beiden da führen, aber in dieser Konstellation erinnern sie mich an einen schwimmenden Podcast, dem ich beim Selberschwimmen gern zuhöre.“

Es geht auch um Musik und Menschen abseits des Mainstreams

Die Künstlerin interessiert sich für weniger bekannte Orte und Menschen abseits des Mainstreams. Ihr Fokus liegt dabei auf dem urbanen Alltag, den Subkulturen und den Freiräumen für Kunst und Kultur. Natürlich geht es beim Klang einer Stadt auch um Musik.

Archivfoto: Karsten Wickern

In Dortmund will sie zum Beispiel herausfinden, warum Jazz in der Stadt eine so große Bedeutung hat. Außerdem möchte sie zur Geschichte der Glocken von St. Reinoldi recherchieren, die im Ersten Weltkrieg für Kriegszwecke eingeschmolzen wurden.

Chrizzi Heinen lebt in Berlin mit ihrem Mann und ihrem Sohn. Bis Oktober wird sie als Literaturstipendiatin zusätzlich Dortmund näher kennen lernen. „Ich sehe das als ein Privileg, es ist aber auch Abenteuerlust“, sagt Chrizzi Heinen.

Vielfältige Künstlerin: Weitere Infos zum Werdegang der Autorin

Die Dortmunder:innen und ihre offene Art hat sie schon ein wenig kennen lernen dürfen: „Hier grüßen völlig fremde Leute und sagen ,Hallo‘! Das gibt es in Berlin nicht.“ 2019 veröffentlichte Heinen ihren ersten Roman „Am schwarzen Loch“ und erhielt 2020 den Förderpreis Komische Literatur der Stiftung Brückner-Kühner.

Chrizzi Heinen wird als neue Stadtbeschreiberin sechs Monate lang den Klang von Dortmund erspüren. Nordstadtblogger-Redaktion

Auch für ihre Kurzhörspiele wurde sie ausgezeichnet (1. Preis beim Berliner Hörspielwettbewerb in Kooperation mit der Akademie der Künste) und war 2020 Stadtschreiberin im finnischen Tampere. Ihr Manuskript „Tropicalia Passagen“ stand 2021 auf der Shortlist „Writing Gender“ des Goethe-Instituts Kigali.

Die Jury würdigte Chrizzi Heinen als vielfältige Künstlerin und ausgezeichnete Literatin mit absurdem Witz. „Sie hat sich mit einem überzeugenden Projekt beworben und stellt eine besondere Herangehensweise an die Stadt vor:

Die Geschichte(n) Dortmunds mit Klängen und Stimmen der Stadtbezirke erzählen. Dabei gilt ihr literarisches Interesse den Nischen, sie nutzt Musik, Zeichnungen und Text, um uns mit einer klanglich-literarischen Reise durch die Stadt zu führen.“

Hier gibt es regelmäßig neue Geschichten der Stadtbeschreiberin aus Dortmund:
CID coconut-farm.org


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  1. You’ll never sing alone im Literaturhaus (PM)

    You‘ll never sing alone: Stadtbeschreiberin Chrizzi Heinen geht am 07. Juni um 19:30 Uhr im Literaturhaus Dortmund mit ihrem Gast Gunnar Leue der Frage nach, wie Musik in den Fußball kam. Gemeinsam mit allen Interessierten und einer Reihe Songs im Gepäck erkunden die beiden, welche Fangesänge und Geräuschkulissen die Stadien dieser Welt und unsere Eindrücke von Fußballspielen prägen. Tickets gibt es zum Preis von null bis fünf Euro vorab online und an der Abendkasse.

    Seit Mai ist Dortmunds amtierende Stadtbeschreiberin Chrizzi Heinen im Amt und erforscht den Klang der Stadt. Passend zum bevorstehenden Championsleague-Finale von Borussia Dortmund und der Fußball-Europameisterschaft präsentiert sie nun ihren ersten Gast im Literaturhaus Dortmund: Gunnar Leue, der den Sound des Fußballs als Fan in Stadien live erlebt und als Journalist und Autor in seinem Buch „You‘ll never sing alone“ beschrieben hat.

    Das Werk versteht sich als eine Art Kulturgeschichte des Fußballsounds: Wenn am Wochenende in Stadien auf der ganzen Welt Fußball gespielt wird, ist das Geschehen auf dem Rasen von einer Wall of Sound umgeben. Die Schreie und Pfiffe, das Geraune und Gejubel, und vor allem die Fangesänge erzeugen eine einzigartige Atmosphäre zwischen Gänsehaut und Ekstase. Doch nicht nur der unmittelbare Stadionsound, auch die zahlreichen Lieder, die den Fußball seit seiner Entstehung umgeben, prägen die Fußballkultur: Sie haben die schmerzlichsten Niederlagen und die größten Erfolge musikalisch aufbereitet und in Mythen verwandelt. Vereinslieder, Popsongs, simple Mitgrölreime und ambitionierte Kunst bilden den Soundtrack zum großen Spiel.

    Detailreich erzählt „You‘ll never sing alone“ die Geschichte der Fußballmusik, von den skurrilen Anfängen des Fansupports über singende Fußballstars und die Entstehung von Vereinshymen bis hin zum Protest der Ultras gegen Kommerz und Eventisierung.

    Interessierte sind herzlich eingeladen zu einer faszinierenden Reise durch die Fußballmusikgeschichte, die gespickt ist mit aberwitzigen Anekdoten und seltenen Plattencovern.
    Los geht es am 07. Juni um 19:30 Uhr im Literaturhaus Dortmund, Neuer Graben 78. Tickets können vorab über die Internetseite http://www.literaturhaus-dortmund.de gebucht oder direkt an der Abendkasse erworben werden. Reguläre Karten kosten 5,00 €, der ermäßigte Preis beträgt 0,00 € und ermöglicht berechtigten Personen* den kostenfreien Eintritt. Die Veranstaltung findet im Kooperation mit dem Kulturbüro Dortmund statt.

    * Der ermäßigte Eintrittspreis von 0,00 € gilt für Schüler:innen, Auszubildende, Studierende, Dortmund-Pass-Inhaber:innen, Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ & FSJ Kultur) absolvieren und Senior:innen ab 65 Jahren.

  2. Lesung im Literaturhaus porträtiert die russische Gegenkultur (PM)

    Stadtbeschreiberin Chrizzi Heinen lädt wieder ein: Eine Lesung im Literaturhaus Dortmund, Neuer Graben 78, widmet sich am Donnerstag, 5. September, dem Buch „Punk statt Putin. Gegenkultur in Russland“ von Norma Schneider.

    „Punk statt Putin. Gegenkultur in Russland“ zeigt zwei unterschiedliche Welten: Auf der einen Seite einen zunehmend repressiver agierenden autoritären Staat, auf der anderen Seite oppositionelle Künstler*innen und Aktivist*innen, die sich Nischen suchen, Spielräume nutzen und kreativ mit ihrer verzweifelten Lage umgehen.

    Norma Schneider beschreibt die vielfältigen Formen und Inhalte der russischen Gegenkultur in Putins Russland – sowohl vor als auch nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Obwohl das Regime seinen Kritiker*innen mittlerweile nur noch die Wahl zwischen Exil, Selbstzensur und Gefängnis lässt, stehen in ihrem Buch nicht die Repressionen im Vordergrund, sondern das, was trotz allem möglich ist.

    Zwischen Hoffnung und Perspektivlosigkeit

    Norma Schneider führt in die Ideologie des Putin-Regimes ein, stellt den politischen und kulturellen Mainstream und die offizielle Kulturpolitik vor, beschreibt den Umgang des Staates mit Gegenkultur zwischen Repressionen und Versuchen der Vereinnahmung. Dem gegenüber steht ein lebendiges Porträt der russischen Gegenkultur, in dem die Underground-Szene, Anti-Kriegs-Lieder und queere Literatur genauso Platz finden wie feministische Selbstorganisation, Putin-Memes und künstlerischer Protest im öffentlichen Raum.

    Die zahlreichen Interviews, die Schneider mit Künstler*innen in Russland und im Exil geführt hat, erzählen von Hoffnung und Perspektivlosigkeit, von mutigem Protest, Safe Spaces und dem Willen, weiter für ein freies Russland zu kämpfen.

    Die Lesung beginnt um 19:30 Uhr. Tickets für 5 Euro sind erhältlich unter http://www.literaturhaus-dortmund.de.

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