Die Auszeichnung als Medienprojekt erfolgt im November in Berlin

Die Nordstadtblogger-Redaktion erhält den Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus

Die Nordstadtblogger-Redaktion gehört neben Journalist:innen u.a. von Spiegel, Zeit, Süddeutsche und Kölner Stadtanzeiger zu den Preisträger:innen 2023.

Große Freude in der Nordstadtblogger-Redaktion: Die Otto Brenner Stiftung (OBS) prämiert zum 19. Mal herausragenden Journalismus – und das ehrenamtliche Medienprojekt aus Dortmund gehört zu den Preisträger:innen. Am 23. November werden die renommierten Otto-Brenner-Preise für kritischen Journalismus in Berlin überreicht.

„Einzigartiges Medienprojekt“ und „vitales kritisches Korrektiv“, das zur Nachahmung einlädt

Im Wettbewerb um die Brenner-Preise zeichnet die Jury auch innovative und wegweisende Medienprojekte mit 2.000 Euro aus. Der Team-Preis geht dieses Mal an die Nordstadtblogger, die sich vor mehr als zehn Jahren in Dortmund zu einer zivilgesellschaftlichen Initiative zusammenfanden. Anlass dafür war die Schließung von zwei der drei Lokalredaktionen und die damit aus ihrer Sicht verbundene „mediale Einfalt statt Vielfalt“. So wurde damals die Nordstadt stigmatisiert durch die mediale Reduzierung auf „Rotlicht- und Blaulicht-Themen“. Von Anfang an ging es aber auch darum, journalistische Schlaglichter auf die Dortmunder Neonazi-Szene zu setzen.

Visualisierung. Otto-Brenner-Stiftung

Dortmund galt lange als Neonazi-Hochburg in Westdeutschland. Dagegen, betont die Jury, stellen sich die Nordstadtblogger „mit antifaschistischer Aufklärung und langem Atem bei stets prekärer Finanzierung“. Rechtsextremismus steht im Fokus, aber auch über angrenzende Themenbereiche wie Migration oder Mobilität bis hin zu Gastronomie und Kunst in Dortmund wird berichtet.

Die Jury sieht in der Arbeit der Nordstadtblogger ein „einzigartiges Medienprojekt“ und „ein vitales kritisches Korrektiv“, das zur Nachahmung einlädt. Das Team erhält diesen „Preis für sein ehrenamtliches Engagement, für die hohe Kontinuität seiner journalistischen Arbeit und für die nicht nachlassende Demonstration, dass die Demokratie den Rechten nicht wehrlos gegenübersteht“.

Die Spezialisten von EyeOpening.Media bekommen 1. Preis für Doping-Berichterstattung

Die Nordstadtblogger:innen werden sich bei der Preisverleihung in prominenter Gesellschaft befinden: Den mit 10.000 Euro dotierten 1. Preis für kritischen Journalismus der Otto Brenner Stiftung erhalten in diesem Jahr Wigbert Löer, Hajo Seppelt, Jörg Winterfeldt und Peter Wozny. Nach zahlreichen Dokumentationen über Doping im Sport erweisen sich die Spezialisten von EyeOpening.Media als „Marathonläufer des kritischen Sportjournalismus“, die in einen neuen Bereich vorgedrungen sind: den der Hintermänner, der Produzenten und Händler verbotener Steroide.

Visualisierung. Otto-Brenner-Stiftung

Die Journalisten zeigen, wie grenzüberschreitend dieses kriminelle Geschäft ist. Drei Jahre lang recherchierten sie international in Mumbai, Belfast, London, Singapur, Kopenhagen, Polen und Paraguay. Neben der sportlichen Korruption lenken sie den Blick auf die gesundheitliche Gefährdung auch von Amateursportler:innen, die Anabolika-Händler billigend in Kauf nehmen. ___STEADY_PAYWALL___

Die Jury schreibt: „Der Film lebt von Berichten der Autoren, er lebt von starken Bildern und von der Enthüllung in Indien: Trotz Gefängnisstrafe macht ein Dealer dort weiter, wo er kurzzeitig auf- gehört hatte.“ Nach Einschätzung der Brenner-Preis-Jury ist der Film „Geheimsache Doping: Dealer. Die Hintermänner des Dopings“ eine „erneute Spitzenleistung des investigativen Sportjour- nalismus“.

2. Preis für die eindrucksvolle Reportage „Zwischen den Fronten“

Fritz Schaap erhält den 2. Preis (5.000 Euro) für seine eindrucksvolle Reportage „Zwischen den Fronten“. Sein Beitrag, erschienen im Spiegel, beleuchtet die alarmierende Lage in Nigeria. Das prämierte Stück ist aus Sicht der Jury „das Protokoll des Verfalls staatlicher Autorität, es ist das Porträt eines schwachen Staates kurz vor dessen endgültigem Scheitern“. Das Land befand sich bereits vor den Wahlen im Februar 2023 in einer Spirale aus Gewalt, Terrorismus sowie ethnischen und religiösen Konflikten.

Visualisierung. Otto-Brenner-Stiftung

Schaap lenkt konzentriert den Blick auf den Zerfall des riesigen afrikanischen Staates, „der sich abseits der großen Aufmerksamkeit vollzieht“. Er beschreibt die Not, die scheinbar aussichtslose Situation der Menschen, Dürre und Wüstenausbreitung als Folgen der Klimakrise, die prekäre Sicherheitslage und die Korruption innerhalb der staatlichen Organe. Er tut dies nach Einschätzung der Jury „mit fundierter Sachkenntnis und mit akribischer Leidenschaft“.

Was es heißt, wenn ein Staat „seine grundlegenden Funktionen nicht mehr erfüllen kann“, das wird in Fritz Schaaps „eindrucksvoller Reportage“ schmerzhaft deutlich. Und sein „ausgezeichnetes Beispiel für journalistische Aufklärung“ zeigt, mit den Worten der Jury, „warum gute Auslandsberichterstattung so Not tut“.

3. Preis für die Reportage „Das System Zalando“

Der 3. Preis (3.000 Euro) geht an Carmen Maiwald und Vanessa Materla für ihre Reportage „Das System Zalando“. In einem gemeinsamen Projekt der Wochenzeitung Die Zeit mit dem Investigativ-Format „Vollbild“ des SWR und dem Recherche-Start-Up Flip sind sie den Spuren retournierter Waren gefolgt. Online-Bestellungen und deren Retouren verursachen Unmengen an Verpackungsmüll, hohe CO2-Ausstöße durch Transportwege und schließlich enorme Abfallberge durch ungenutzte Waren.

Visualisierung. Otto-Brenner-Stiftung

In Europa ist vor allem Zalando einer der großen Profiteure der Online-Fast-Fashion. Mit einem ökologischen und klimaneutralen Image verspricht der Konzern einen Online-Kaufrausch ohne schlechtes Gewissen. Das Berliner Unternehmen mit rund 50 Millionen Kund:innen hat 2019 das Ziel verkündet, zur „nachhaltigen Modeplattform“ zu werden.

Dass es damit nicht weit her ist, zeigen die beiden Journalistinnen in ihrer „beispielhaften und systematischen Recherche“. LKW mit Zalando-Retouren kreisen durch ganz Europa, um dem Konzern Lagerkosten zu sparen. Eindrucksvoll belegt das Recherche-Team nach Auffassung der Jury, dass Nachhaltigkeit bei diesem Online-Shop „ein leeres Versprechen ist“.

 Die mit 10.000 Euro dotierte „Besondere Auszeichnung“ bekommt Sonja Zekri

Mit der „Besonderen Auszeichnung“, dotiert mit 10.000 Euro, ehrt die Jury Sonja Zekri. Mit ihrer „brillanten Schreibe“ erfüllt sie ihre Aufgabe bei der Süddeutsche Zeitung seit Jahren mit Bravour, sei es als Korrespondentin oder Feuilleton-Redakteurin, hebt die Jury hervor. „Ihre Reportagen aus der islamischen Welt und dem russisch-ukrainischen Kulturkreis stiften mit lebensnaher Einfühlung für die geschilderten Protagonist*innen ein unbefangenes Verständnis für andere Kulturen.“

Visualisierung. Otto-Brenner-Stiftung

Die Jury lobt ihre Arbeiten als „Meisterwerke der Aufklärung mit journalistischen Mitteln“. Zudem leiste die Autorin mit ihren beeindruckenden Analysen über die großen Konflikte unserer Zeit – vom Krieg in der Ukraine bis zur Seuche der Desinformation – „einen unverzichtbaren Beitrag gegen die verheerende Polarisierung im politischen Diskurs“. Dass Sonja Zekri stets dagegenhält, „wenn das Feindbild wichtiger wird als das Verständnis von Zusammenhang und Kontext“, verdiene besondere Anerkennung.

Newcomerpreis für das Dossier „Grüne Schale, brauner Kern“

Der Newcomerpreis, dotiert mit 2.000 Euro, geht an Tim Morgenstern für sein Dossier „Grüne Schale, brauner Kern“ im Kölner Stadt-Anzeiger. Der prämierte Beitrag ist das Ergebnis monatelanger, zum Teil verdeckter Recherchen in rechten Bewegungen in NRW. Im Fokus steht das Erstarken der sogenannten „Anastasia-Bewegung“, hinter deren esoterischem Deckmantel sich rechte Ideologie verbirgt.

Visualisierung. Otto-Brenner-Stiftung

Morgenstern konnte Verbindungen zu Reichsbürger:innen und weiteren Rechtsesoteriker:innen nachweisen. Nach Einschätzung der Brenner-Jury hat der erst 22-jährige Newcomer Morgenstern drei elementare Reporteraufgaben bravourös umgesetzt: „Erstens Geduld, zweitens Recherche – und drittens: großen Mut“.

Rechtsextremistische Bewegungen und Strukturen zu enttarnen und darüber zu berichten, so die Jury, „birgt immer ein Risiko“. Das Risiko sei für Lokaljournalist:innen noch höher, betont die Jury, weil „sie viel greifbarer für die Objekte ihrer Arbeit sind“. Das verdiene Respekt und den diesjährigen Newcomerpreis.

Mehr Informationen:

  • Die Otto Brenner Stiftung verleiht 2023 den Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus zum 19. Mal. Prämiert werden journalistische Arbeiten, die das Motto der Ausschreibung „Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten“ beispielhaft umgesetzt haben.
  • Aus mehr als 550 Bewerbungen wählte die Jury am 19. September in Frankfurt am Main die Preisträger:innen in den fünf Kategorien aus. Das Preisgeld beträgt insgesamt 47.000 Euro.
Screenshot Otto-Brenner-Stiftung
  • Jurymitglieder sind: die freie Journalistin und Medienexpertin Brigitte Baetz (u.a. Deutschlandfunk, Sendung „mediasres“), Korrespondentin Nicole Diekmann (ZDF-Hauptstadtstudio Berlin), Prof. Dr. Volker Lilienthal (Universität Hamburg, Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Qualitätsjournalismus), Henriette Löwisch (Leiterin der Deutschen Journalistenschule in München, DJS), Prof. Dr. Heribert Prantl (Kolumnist und Autor, Süddeutsche Zeitung), Harald Schumann (Mitbegründer Investigate Europe, Redakteur für besondere Aufgaben, Der Tagesspiegel) sowie Jörg Hofmann (Erster Vorsitzender der IG Metall und OBS-Verwaltungsratsvorsitzender).
  • Die Preisverleihung findet am Donnerstag, 23. November 2023, in Berlin statt und kann ab 17.00 Uhr im Livestream über die Internetseiten der Stiftung verfolgt werden.

Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Hat es Spaß gemacht oder war es Arbeit? Oder beides? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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  1. „Auszeichnung für behinderte Journalist*innen“ erstmals in Deutschland vergeben (PM)

    Zum ersten Mal hat die Otto Brenner Stiftung (OBS) 2023 die „Auszeichnung für behinderte Journalist*innen“ ausgeschrieben. Die unabhängige Jury der neu ausgelobten Auszeichnung konnte aus einer eindrucksvollen Reihe von eingereichten Bewerbungen die diesjährigen Gewinner*innen auswählen. Mit dem Preis, dotiert mit 2.000 €, werden Melissa Wessel und Antonia Ricke ausgezeichnet. Sie erhalten die Auszeichnung für ihren Artikel „Gebärdensprache: Deins, meins, unseres?“, erschienen in der Deutschen Gehörlosenzeitung.

    Mit der Ausschreibung des Preises für behinderte Journalist*innen ist auch die Auslobung von zwei Recherche-Stipendien, jeweils dotiert mit 3.000 €, verbunden. Die Jury hat entschieden, dass die beiden Anträge von Leonie Schüler (Medienhaus andererseits in Wien) und von Nadire Biskin (freie Journalistin) diese finanzielle Unterstützung für ihre eingereichten Recherche-Skizzen erhalten.

    Die OBS verfolgt mit dem neuen Projekt das Ziel, Medienschaffende mit Behinderung bei der Ausübung ihres Berufes zu unterstützen. „Wir wollen mehr Aufmerksamkeit für die Arbeit von behinderten Journalist*innen“, sagt OBS-Geschäftsführer Jupp Legrand. Journalist*innen mit Behinderung sind nach Einschätzung der Organisatoren eine Bereicherung für die Redaktionen und bringen wertvolle Sichtweisen und Perspektiven mit. Aber sie sind immer noch stark im Medienbereich unterrepräsentiert.

    Zuweilen halten sich behinderte Journalist*innen auch noch immer damit zurück, in Medienhäusern und Redaktionen ihre Behinderung öffentlich zu machen. Ziel der Ausschreibung ist, für dieses Problem zu sensibilisieren, Änderungen anzustreben und mittelfristig umzusetzen. Mit der Auszeichnung sollen Redaktionen gestärkt werden, die sich für mehr Diversität als wichtigen Bestandteil der demokratischen Gesellschaft einsetzen. „Redaktionen müssen barrierefrei, Belastungen im Arbeitsalltag behinderter Journalist*innen minimiert werden“, so Legrand.

    Bewerben konnten sich an der Ausschreibung Journalist*innen mit Behinderung bzw. Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Lerneinschränkungen. Weder ein Berufsabschluss noch eine Berufsausbildung oder eine Festanstellung in einem Medienhaus waren eine Voraussetzung. Die unabhängige Jury wählte aus 49 Bewerbungen für den Preis und aus 11 Anträgen für die Stipendien die Gewinner*innen aus. Vor allem konstruktive und lösungsorientierte Beiträge sollen durch den mit 2.000 € dotierten Preis Aufmerksamkeit und Wertschätzung erhalten. Mit den Stipendien erhalten behinderte Journalist*innen die Möglichkeit, wichtige Themen von gesellschaftlicher Relevanz zu beleuchten und Lösungsansätze zu recherchieren. Sie bekommen jeweils 3000 € Preisgeld, um die Recherche zu ermöglichen und Kosten für ihre Recherchetätigkeit zu decken.

    Die Otto Brenner Stiftung, die die Auszeichnung zum ersten Mal ausgelobt hat, hat sich mit dem renommierten „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“, den sie 2023 schon zum 19. Mal vergibt, einen guten Namen gemacht und einen exzellenten Ruf erworben. Mit der Wertschätzung, die sich die Otto Brenner Stiftung auch mit medienkritischen Studien und medienpolitischen Untersuchungen erworben hat und die sie weit über journalistische Kreise hinaus genießt, „befindet sich die neue Ausschreibung für behinderte Journalist*innen publizistisch und auch organisatorisch in einem Umfeld, das seine Stabilisierung und Etablierung ermöglichen sollte“, blickt die OBS zuversichtlich auf die weitere Entwicklung und die Zukunft der Auszeichnung für behinderte Journalist*innen.

    Weitere Informationen: Auszeichnung für behinderte Journalist*innen:
    journalismus-preis.org

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