Mit einem gemeinsamen Antrag haben sich die Dortmunder Ratsfraktionen CDU, SPD, Grüne, Linke+ und „Die Partei“ von den Plänen von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) distanziert und gleichzeitig die Bundesregierung zur Beibehaltung der aktuellen Förderungen im Sozialbereich aufgefordert. Damit stellt sich der Rat mit großer Mehrheit an die Seite der Dortmunder Wohlfahrtsverbände, die zuvor eindringlich vor den Konsequenzen dieser Mittelkürzungen gewarnt haben.
Dortmunder Kommunalpolitik solidarisiert sich mit den Wohlfahrtsverbänden
Die Arbeitsgemeinschaft der Dortmunder Wohlfahrtsverbände hatte zuvor in einem Papier vor der „drastischen Reduzierung der Förderungen gemeinnütziger Dienste, des Eingliederungstitels im SGB I, der Kinder- und Jugendhilfe, der Freiwilligendienste und der Integrations- und Unterstützungsangebote für Geflüchtete und Zugewanderte“ gewarnt. Die Folgen der Pläne führen zu „erheblichen Angebotsreduzierungen und Trägerinsolvenzen“ und seien auch deshalb verheerend.
Die Freie Wohlfahrtspflege NRW hat deswegen die Kampagne „NRW bleib sozial!“ gestartet: „Politik muss jetzt handeln, sonst drohen durch den Wegfall zahlreicher sozialer Angebote große gesellschaftliche und politische Nöte“, heißt es in dem Aufruf. Sie wollen am 19.Oktober vor dem Düsseldorfer Landtag sowie in mehreren Kommunen demonstrieren.
Der Dortmunder Rat regierte in seiner letzten Sitzung mit Solidarität. In der Beschlussvorlage stellten die fünf Fraktionen Forderungen auf, etwa den Erhalt und die Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur sowie Gespräche mit den Trägern der Wohlfahrtspflege zur möglichen Kostenübernahme aufgrund der Tarifsteigungen. Die Besorgnis ist in der Kommunalpolitik groß: Das breite Bündnis sieht – ebenso wie die Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege – die soziale Infrastruktur in Dortmund und im Land insgesamt als „gefährdet“ an.
Warnung vor Abwanderung von Fachkräften ins Ausland
Ulrich Langhorst (Grüne), Vorsitzender des Sozialausschusses, sagte dazu: „Kostendruck durch Inflation und die berechtigten Tarifsteigerungen bei den Beschäftigten sind das eine. Die gekürzten, angekündigten Mittelkürzungen im Bundeshaushalt sind das andere.“
Er lobte im Anschluss die Landesregierung, die die geplante KiBiz-Pauschalen im Haushaltsentwurf um 100 Millionen Euro (ca. vier Prozent) steigern möchte.
„Insgesamt sind das mehr als 550 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für das nächste Jahr. Das sind die richtigen Signale“ so Langhorst. Das Kinderbildungsgesetz, kurz KiBiz, soll die Qualität der Kindertagesbetreuung verbessern.
Ähnlich siehts das auch die SPD: „Auch wir als Fraktion können die geplanten Mittelkürzungen auf Bundesebene in vielen verschiedenen Etatbereichen auch nicht unterstützen“ sagte Fabian Erstfeld.
Die Maßnahmen der Landesregierung begrüßte er, allerdings „ob die 100 Millionen reichen, steht auch noch auf einem anderen Blatt. Denn die Mittel, die da aufgezählt wurden von den freien Trägern, waren deutlich höher.
Daniela Worth ergänzte: „geschlossenen Strukturen kann man nicht einfach wieder aufbauen“. Sie warnte vor Abwanderungen von Fachkräften ins Ausland aufgrund von höherer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen.
Die AfD enthielt sich zu dem Antrag: „Der Kahlschlag, den Christian Lindner plant, durchs Ehrenamt und Freiwilligendienste zu hauen, der ist bedenklich“, sagte Tino Perlick. „Jetzt zu prüfen, dass die Stadt Dortmund Lohnsteigerungen übernimmt, das kann ja nicht Ihr Ernst sein“, so der AfD-Politiker weiter.
Petra Dresler-Döhmann, Co-Fraktionsvorsitzende von „Die Linke +“ mahnte: „Dortmund nach der neuen Studie ist ja auch besonders bedürftig. Und vor allem deshalb sollten wir dann auch eben unsere Kräfte daransetzen, alles zu tun, damit die Menschen nicht ins Elend rutschen.“
Die FDP-Fraktion meldete sich zu diesem Antrag nicht zu Wort.
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NRW bleib sozial! Aufruf zur Kundgebung am 19.10.2023 vor dem Landtag Freie Wohlfahrtspflege NRW erwartet mehr als 5.000 Menschen aus ganz NRW (PM)
NRW bleib sozial! Über 140 Organisationen aus ganz Nordrhein-Westfalen unterstützen die von der Freien Wohlfahrtspflege NRW getragene Initiative zur Rettung der sozialen Infrastruktur in NRW. Gemeinsam rufen sie zur zentralen Auftakt-Kundgebung am Donnerstag, 19. Oktober 2023, ab 11.55 Uhr vor dem Landtag in Düsseldorf auf. Nutzer*innen, Mitarbeitende oder Träger sozialer Angebote sind eingeladen, an der Kundgebung teilzunehmen. Erwartet werden mindestens 5.000 Menschen aus ganz NRW, alle Informationen gibt es unter http://www.nrw-bleib-sozial.de.
„Die Politik scheint die Augen vor gesellschaftlichen Realitäten zu verschließen. Die gesellschaftlichen Herausforderungen werden nicht weniger, sondern mehr. Eigentlich bräuchte die soziale Infrastruktur mehr Unterstützung. Doch der Bund kürzt massiv, freiwillige Leistungen der finanzschwachen Kommunen brechen weg und im Landeshaushalt bilden sich die Preissteigerungen nicht ab oder es wird gar gekürzt“, so Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. „So geht es nicht weiter, das soziale Netz, das unsere Gesellschaft zusammenhält, wird kaputt gespart. Daher rufen wir alle Menschen aus NRW auf, gemeinsam mit uns Flagge vor dem Landtag zu zeigen!“ Donnerstagvormittag steht die Haushalts-Anhörung im Finanzausschuss auf der Agenda, Vertreter*innen aller im Landtag vertretenen demokratischen Parteien haben zudem zugesagt, auf der Kundgebungs-Bühne ins Gespräch zu kommen.
Wer unterstützt die Initiative? Eine Übersicht aller bereits unterstützenden Organisationen, sowie ein Formular bzw. die Kriterien selbst Unterstützer*in zu werden gibt es auf der Website der Initiative. Außerdem finden sich dort alle Infos zur Kundgebung, der Aufruf „NRW bleib sozial!“, ergänzende Positionspapiere oder Grafiken zur Unterstützung der Initiative.
http://www.nrw-bleib-sozial.de
Hintergrundinfo: Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW
In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonischen Werke und die Jüdischen Gemeinden mit ihren 16 Spitzenverbänden zusammengeschlossen. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bietet sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote.
http://www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de
Donnerstag für gute Kitas: Beschäftigte aus NRW-Kitas beginnen mit wöchentlichen Mahnwachen (PM ver.di NRW)
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ruft ab Donnerstag, dem 19. Oktober 2023 zu wöchentlichen Mahnwachen für die Kitas auf. Unter dem Motto „Es donnert in den Kitas – Kinder und Beschäftigte gefährdet!“ werden bis Weihnachten in vielen Bundesländern regelmäßig Mahnwachen durchgeführt. Auch in NRW sollen von nun an wöchentlich Veranstaltungen folgen. In Düsseldorf findet die erste Mahnwache am 19. Oktober von 8 bis 9 Uhr vor der Staatskanzlei / Johannes-Rau-Platz statt.
„Man muss es so drastisch sagen, die Personaldecke in den Kitas ist inzwischen so löchrig, dass die Kolleginnen und Kollegen froh sind, wenn sie und die Kinder den Tag heil überstehen. In der jetzigen Situation kann weder für die Eltern noch für die Kinder ein verlässliches Angebot gewährleistet werden. Die Kita-Beschäftigten setzen mit ihren Mahnwachen ein deutliches Zeichen und fordern die Landesregierung zum Handeln auf“, erklärt die zuständige Landesfachbereichsleiterin, Andrea Becker.
Seit einigen Jahren erleben die Beschäftigten der Kitas einen ständig wachsenden Fachkräftemangel. Dieser Fachkräftemangel trifft auf Kitas, die ohnehin schon mit Personalschlüsseln ausgestattet sind, die nicht kindgerecht seien. Laut Auskunft der Fachkräfte im ver.di Kita-Personalcheck, fehlten im Sommer 2021 im Durchschnitt drei Fachkräfte, um in den Kitas fachlich angemessen arbeiten zu können, insgesamt rund 32.000 Fachkräfte. Und das beim aktuellen Ausbaustand der Kindertageseinrichtungen.
Gleichzeitig besteht bei den Eltern ein enormer Kita-Platzbedarf, in NRW fehlen circa 100.000 Kita-Plätze – nach Berechnungen von Bertelsmann -, um die Wünsche der Eltern zu erfüllen. Kommunen und Länder reagieren auf diese Nachfrage mit dem Ausbau der Kindertageseinrichtungen und der Schaffung neuer Plätze. Wenn neue Einrichtungen eröffnen, wird das Personal aus den umliegenden Kitas in der Region abgezogen. Damit wird die Personaldecke in allen Kitas immer dünner und der Personalmangel wächst stetig. Die Kita-Beschäftigten erkranken häufiger, fallen aufgrund von Burnout lange Zeiten aus oder verlassen das Arbeitsfeld Kita. Schon jetzt sei keine Verlässlichkeit für die Eltern mehr gegeben. Notgruppen, Reduzierung der Öffnungszeiten oder auch Schließungen von Gruppen seien an der Tagesordnung.
„Die Politik ist nun in der Verantwortung, auf höchster Ebenen einen Kita-Gipfel zu veranstalten, um gemeinsam mit Land und Kommunen das Kita-System zu stabilisieren. Hier ist auch NRW als bevölkerungsreichstes Bundesland ganz klar in der Pflicht. Wir fordern einen Stufenplan für den quantitativen und qualitativen Ausbau, abgestimmt mit dem damit verbundenen notwendigen Aufbau des Fachpersonals. Dafür müssen Finanzen entsprechend bereitgestellt werden“, fordert Becker. Auch die Eltern dürften in dieser schwierigen Situation nicht allein gelassen werden. Sie benötigten dringend Unterstützung, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wieder verlässlich möglich wird.
Das Land NRW gefordert, finanziell die Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen zu stabilisieren. „Wir begrüßen grundsätzlich die Fortführung des Kita-Helfer*innen Programms und der Sprach-Kitas durch die Landesregierung in NRW. Die grundsätzliche Finanzierungssystematik der Kindertageseinrichtungen muss aber auf den Prüfstand“, so Becker weiter. Die verzögerte Anpassung der KiBiZ-Pauschalen zum August 2024 komme allerdings faktisch zu spät und die geplante Überbrückungsbeihilfe für freie Träger löse das grundsätzliche Problem nicht.
Ingo St.
Die einzig kurzfristig wirksame Maßnahme sind kürzere aber stabile Betreuungszeiten für alle Kinder. Das spart Personalstunden, die die Träger nicht haben.
Alles andere ist immer eine unsägliche Sozialauswahl, wen man nach Hause schicken kann, wo es ausfällt oder gleich ganz geschlossen wird.
Mahnwachen schaffen keine Fachkräfte. Ausgebildete Fachkräfte brauchen Ausbildungszeit.
Unterfinanzierte Kitas, die nach Tarifverträgen bezahlen wollen, geht gar nicht. Da ist das Land NRW gefordert.