Die Demokratie braucht den Journalismus. Allerdings taugt dieser immer weniger für wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle: Produktions- und Vertriebskosten vervielfachen sich, klassische Werbefinanzierung bricht ein, neue Bezahlschranken im Digitalen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Die Folge: Die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen journalistischen Erzeugnissen ist gefährdet. Um seiner für die Demokratie so wichtigen Aufgabe künftig nachzukommen, braucht das Mediensystem öffentliche und private Unterstützung und Förderung.
Journalistische Arbeit ist in Deutschland nicht als gemeinnützig anerkannt
Die Rahmenbedingungen für „gemeinnützigen Journalismus“ sind in Deutschland alles andere als optimal: Journalistische Arbeit ist in Deutschland nicht als gemeinnützig anerkannt. Eine Anerkennung würde Steuervorteile bringen und die Annahme von Spenden sowie die Möglichkeit einer Förderung durch Stiftungen, andere gemeinnützige Akteure und die öffentliche Hand erleichtern.
Da „Journalismus“ bisher kein anerkannter gemeinnütziger Zweck in der Abgabenordnung ist, müssen sich journalistische Non-Profit-Unternehmungen häufig mit Not- und Zwischenlösungen behelfen.
Diese Behelfskonstruktionen sorgen ihrerseits für Rechtsunsicherheit. Um das Feld für Non-Profit-Journalismus in Deutschland nachhaltig zu bestellen, müssen neue Förderstrukturen geschaffen und regulatorische Maßnahmen ergriffen werden, stellt das „Whitepaper Non-Profit-Journalismus“ der Otto Brenner Stiftung fest.
Das Arbeitsheft ist ein aktueller Lagebericht und Diskussionsgrundlage zum gemeinnützigen Journalismus in Deutschland. Die Medienwissenschaftler Leif Kramp und Stephan Weichert haben dazu Stellungnahmen und Gedankenanstöße unterschiedlicher Stakeholder eingeholt und geben Empfehlungen für ein aussichtsreiches Vorgehen in diesem komplexen Problemfeld.
„Non-Profit-Journalismus könnte zum Game Changer für den Journalismus werden, wenn sich die Förderkulisse und Spendenbereitschaft in Deutschland in den kommenden Jahren radikal wandelt“, sagt Studienautor Stephan Weichert vom VOCER Institut für Digitale Resilienz.
„Unser Whitepaper entlarvt etliche Fallstricke, aber auch Zwänge und Risiken, die sich aus neuen Konkurrenzen und möglichen Abhängigkeiten in diesem Feld ergeben.“ Dass und wie die Menschen in Deutschland für die wachsende Bedeutung des unabhängigen Journalismus in Zeiten von Desinformation, Fake News und Hassrede stärker sensibilisiert werden können, hält der Hamburger Medienwissenschaftler für den entscheidenden Punkt auf einem „noch sehr beschwerlichen Weg“.
Ein weiteres Problem: „Wir erleben eine tiefe Zerstrittenheit zwischen alten und neuen Marktakteuren, wenn es um allgemeine Fragen der Presse- und Journalismusförderung geht“, sagt Studienautor Leif Kramp vom Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen.
Kontrovers werde insbesondere die Gemeinnützigkeit im Journalismus diskutiert: „Die einen erkennen darin eine überfällige regulatorische Maßnahme, um Medienvielfalt zu fördern. Andere befürchten eine bevorstehende Wettbewerbsverzerrung.“ Eine gemeinsame Diskussionsbasis sei daher „schwer herzustellen“, bilanziert Medienforscher Kramp.
„Demokratie braucht unabhängigen Journalismus“, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung
Die Stiftung hat die „Handreichung für Medien, Politik und Stiftungswesen“ vorlegt. Allerdings tauge die Wirklichkeit der Medienangebote „immer weniger für wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle“: Produktions- und Vertriebskosten explodierten, klassische Werbefinanzierung breche ein, neue Bezahlschranken im Digitalen blieben oft hinter den Erwartungen zurück, heißt es in der Studie.
Die Folge: Die Bereitstellung von hochwertigen journalistischen Inhalten sei akut gefährdet. Um der für die Demokratie so wichtigen Aufgabe auch künftig nachzukommen, brauche der Journalismus mittelfristig mehr öffentliche und private Unterstützung.
Dem gegenwärtigen Fördervolumen für journalistische Non-Profit-Projekte sind in Deutschland enge Grenzen gesetzt, es bleibt weithin schwammig, „ob der Non-Profit-Markt weitere Neugründungen verträgt, und ob die ersehnte Änderung der Abgabenordnung eine neue Spendenbereitschaft in der Bevölkerung stimuliert“, sagen die Autoren.
Sie warnen angesichts der diffusen Förderlage davor, nicht zum Spielball von politischen oder wirtschaftlichen Interessen zu werden. Die Schnittstellenorganisationen im Feld des gemeinnützigen Journalismus schreiben sie eine zentrale Rolle zu, weil sie mit der Organisation von Trainings, Studien, Weiterbildungsangeboten und Netzwerkveranstaltungen neutral zwischen journalistischer Praxis, Förderern und Öffentlichkeit vermitteln.
Konstruktiver Austausch zwischen Medien, Politik, Gesellschaft und Stiftungswesen
Für das OBS-Papier wurden Protagonisten und Expert:innen aus Stiftungswesen, von Non-Profit-Organisationen und aus der Medienpolitik sowie von Verbänden befragt. Die namhaften Akteure der Szene benennen nicht nur Probleme, sondern zeigen auch Lösungen auf, die die Autoren skizzieren, zusammenfassend diskutieren und argumentativ ergänzen.
Das Whitepaper soll den konstruktiven Austausch zwischen Akteur:innen aus Medien, Politik, Gesellschaft und Stiftungswesen vorantreiben, damit sich das Feld „strukturell und intellektuell weiterentwickeln kann“, so die Studienautoren.
Mehr Informationen:
Hier kann man das Arbeitsheft online lesen, downloaden oder bestellen:
otto-brenner-stiftung.de/non-profit-journalismus/
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