Warnstreiks im Rahmen der Tarifverhandlung im Einzelhandel NRW:

Nordstadt: Kaufland-Betriebsrat berichtet von Mobbing, Angst und unhaltbaren Zuständen

immer wieder bekamen die Streikenden auch Solidaritätsbesuche wie hier von SPD-Politiker Cüneyt Karadas (3.v.re.).
Immer wieder bekamen die Streikenden auch Solidaritätsbesuche wie hier von SPD-Politiker Cüneyt Karadas (3.v.re.). Foto: Julius Obhues für Nordstadtblogger.de

Warnstreiks im Einzelhandel sind in diesen Wochen für viele Kund:innen ein gewohntes Bild – auch in der Kaufland-Filiale an der Bornstraße. Primär geht es um Lohnerhöhung oder Lohnausgleich bei geringerer Arbeitszeit, so auch aktuell im Rahmen der Tarifverhandlung im NRW-Einzelhandel. Dieser Streik ist jedoch besonders: Zahlreiche Mitarbeitende streiken zusätzlich auch wegen ihres Chefs, genauer gesagt ihres Verkaufsleiters: Ihm werden laut Betriebsrat Mobbing, das Schürennvon Angst und Einschüchterungsversuche vorgeworfen.

Vorwurf: Eine Spaltung in der Belegschaft provoziert

Seit einem halben Jahr gibt es einen neuen Verkaufsleiter, der neben fünf weiteren Märkten auch für die Kaufland-Filiale an der Bornstraße zuständig ist. Seitdem gibt es Probleme, berichtet Dashurije Jusufi. Sie ist Mitarbeiterin und Betriebsrätin am Standort Dortmunder Norden. „Als es losging, hat er versucht freundlich zu sein – immer dieses ich bin der Gute“ erzählt sie. Die Probleme begannen, als der Verkaufsleiter den bisherigen Filialleiter von der Bornstraße in einen andere Kaufland-Filiale versetzt hat. „Das war ein menschlicher Typ, wir haben gut mit ihm zusammengearbeitet“, so Jusufi.

Dessen Stelle sei anschließend von einem Filialleiter übernommen worden, der ganz den Anweisungen des neuen Verkaufsleiters folge, betont die Betriebsrätin. Zudem  seien einigen Beschäftigten Aufstiegschancen versprochen worden, wenn sie der neuen Linie folgten. Die Folge: Die Mitarbeitenden, die auf der Seite der Chefs stünden, machten nun die „angenehmen“ Arbeiten, wohingegen die Streikenden den Rest erledigen müssten. Der Betriebsrat wirft der neuen Leitung die Spaltung der Belegschaft vor, so Jusufi.

Diese klare Kritik machen die Streikenden nicht beliebt. Dashurije Jusufi sagt, dass ihr nahegelegt worden sei, ihren Job in der Filiale aufzugeben: „Angeblich, weil ich angeblich die Unruhestifterin bin.“ Zudem seien Vorwürfe konstruiert worden. Jusufi und einigen ihrer Kolleg:innen sei sogar Diebstahl unterstellt worden: „Seit dem ersten Regal arbeite ich hier, ich habe nie geklaut.“

„Hier geht es um Mobbing, hier geht es um Ängste, die gemacht werden“

Foto: Julius Obhues für Nordstadtblogger.de

Sie sei auch schon von Streikenden gefragt worden, ob sie am Tag nach dem Streik da sei, „weil die Mitarbeitenden Angst habe,n den Laden zu betreten. Es wird mit der Angst der Leute gespielt. Die trauen sich nicht, ihre Spinde zu benutzten, weil sie Angst haben, dass dort etwas versteckt würde, womit man ihnen einen Diebstahl unterjubeln könnte.“

Zudem seien die sich im Streik befindende Belegschaft auf die Krankenliste eingetragen worden, zusätzlich sei angedroht worden, diese Mitarbeiter:innen zu Einzelgesprächen zu zitieren.  „Hier geht es um Mobbing, hier geht es um Ängste, die gemacht werden.“ Viele plage die Sorge, am nächsten Tag gekündigt zu werden: „Diese Sorgen kenne ich“, bestätigt eine Mitarbeiterin am Rande des Interviews.

Jusufi hat auch Verständnis für die Kolleg:innen, die nicht im Streik sind: „Wenn ich Angst habe und meine Familie ernähren muss, ist ja klar, dass erstmal meine Klappe halte.“ Sie sagt, dass der aktuelle Zustand körperlich und psychisch sehr belastend sei. Es sei nicht einfach, aber sie lasse sich nicht unterkriegen.

Druck ausgeübt, um Krankenstand klein zu halten

Der Verkaufsleiter solle außerdem gefordert haben, einen Krankenstand von drei Prozent einzuhalten, denn „sechs Prozent sei zu hoch“, sagt Jusufi. Cüneyt Karadas, SPD-Ratsmitglied für den Borsigplatz und selbst Unternehmer, weist diese Vorgaben der Geschäftsleitung bei seinem Solidaritätsbesuch am Kaufland zurück: „Sechs Prozent ist betriebswirtschaftlich ein ganz normaler Wert“, so Karadas.

Dramatisch werde es mittlerweile aufgrund der gesunkenen Angestelltenzahlen: „Wir haben 5200 Quadratmeter, 18 Kassen und wir haben bis Mitternacht auf.“ Das führe zu Arbeitsüberlastung, berichtet Jusufi. Viele seien dadurch in die Langzeitkrankheit abgerutscht.

Dashurije Jusufi und Cüneyt Karadas glauben allerdings auch, dass das Verhalten der genannten Personen nicht dem der Unternehmensführung entspreche: „Es schreckt einfach ab, wenn sie mitbekommen, dass sie hier als Arbeitnehmer nicht gut behandelt werden. Dann ist es auch automatisch ein Imageschaden für Kaufland, so Karadas.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di unterstützt die Streikenden

Eine streikende Mitarbeiterin vor dem Supermarkt. Foto: Julius Obhues für Nordstadtblogger.de

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi unterstützt den Streik der Beschäftigten. Es wäre mit dem Verkaufsleiter schon in der Vergangenheit zu Problemen gekommen, etwa in der Kaufland-Filiale in Körne, schildert Karsten Rupprecht, Gewerkschaftssekretär für den Fachbereich Handel.

Kaufland sei Tarifgebunden, deshalb gelte ein uneingeschränktes Streikrecht: „Man wendet hier Methoden an, um Menschen dieses Recht zu nehmen“, so Rupprecht. Wie schon von den Beschäftigten geäußert worden ist, glaubt auch ver.di nicht an eine Tolerierung eines solchen Verhaltens eines Verkaufsleiters. „Das sind keine Dinge, die das Unternehmen nach vorne bringen.“

Der hohe Druck, der auf den Beschäftigten lastet, beschäftigt auch die Gewerkschaft. In einer Umfrage von Mitarbeiter:innen in einigen Filialen sei man überall zu dem Schluss gekommen, dass der Druck überall enorm sei.

Besonders ältere Beschäftigte schafften es oft nicht, noch mit den jüngeren Verkäufer:innen mitzuhalten. Jedoch werde der Druck langsam erhöht, was bei vielen dazu führe, dass sie den Fehler bei sich selbst suchen und somit nicht mehr arbeiten können, denn „Druck macht krank“, so Rupprecht.

Kaufland will mit Vertrauenspersonen in Kontakt treten

„Die Vorfälle in unserer Filiale in Dortmund, Bornstraße, sind bisher über keinen der genannten Wege an uns herangetragen worden. Wir nehmen Ihren Hinweis jedoch sehr ernst und werden umgehend mit der Vertrauensperson der Filiale in Dortmund, Bornstraße, in Kontakt treten und unsere Mitarbeiter zudem noch einmal zur Nutzung der verschiedenen internen Angebote ermutigen“, antwortet die Pressestelle von „Kaufland“ auf unsere Anfrage.

„Die Durchführung von Streikmaßnahmen ist eine legitime Möglichkeit für Arbeitnehmer, ihre Forderungen zum Ausdruck zu bringen. Natürlich respektieren wir die Teilnahme unserer Mitarbeiter an Streiks, das gilt selbstverständlich auch für unsere Mitarbeiter in Dortmund, Bornstraße“, betont das Unternehmen.

„Die von Ihnen dargelegten Sachverhalte sind uns aus dieser Filiale nicht bekannt. Unsere Mitarbeiter haben verschiedene Möglichkeiten, sich bei persönlichen Anliegen oder in Konfliktsituationen Hilfe zu holen. Dazu zählen unter anderem eine Vertrauensperson, die genau für solche Fälle zur Verfügung steht. Außerdem gibt es die Möglichkeit sich bei Missständen anonym zu melden. Allerdings ist kein einziger der genannten Vorfälle bisher über einen dieser Wege an uns herangetragen worden“, so Unternehmenssprecher Rüdiger Teutsch.

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