Unerwartete Ergebnisse zu Eltern-Kind-Beziehungen

FH präsentiert neues Forschungsprojekt: „Kann man ohne Vater ein richtiger Mann werden?“

„Die klassische Rollenverteilung ist nicht genetisch festgelegt“, sagt Prof. Dr. Katja Nowacki. Foto: FH Dortmund/Tilman Abegg

Ein neues Forschungsprojekt beschäftigt sich mit ungewöhnlichen Familiengefügen und deren Auswirkungen auf heranwachsende Männer. Unter der Leitung von Prof. Dr. Katja Nowacki, Sozialwissenschaftlerin der FH Dortmund, in Kooperation mit Dr. Silke Remiorz und Prof. Dr. Katja Sabisch von der Ruhr-Universität Bochum, wurden über 1000 jungen Männer befragt. Die Ergebnisse waren teilweise unerwartet.

Toxische Maskulinität und das männliche Selbstbild

„In der Studie haben wir rund 1000 junge Männer befragt, darunter auch Studierende der FH Dortmund, wie zufrieden sie mit ihrer Männlichkeit sind“, erklärt Prof. Dr. Katja Nowacki. Die Fragen zielten zunächst darauf ab, wie und ob die Männer den Druck von toxischer Maskulinität empfinden.

Die Fragen lauteten beispielsweise: Verstehen Sie sich als typischen Mann? Würden Ihre Peers, also Ihre gleichaltrigen Freund:innen und Bekannte, es in Ordnung finden, wenn Sie sich mit Sachen beschäftigen würden, die eher als Mädchen- beziehungsweise Frauensachen gelten? Wie viel Druck spüren Sie von Ihren Eltern und Ihrem restlichen Umfeld, dass Sie sich wie ein „typischer Mann“ benehmen sollen?

Mütter können alles – Väter auch

Im nächsten Schritt wurden die Männer nach ihren Beziehungen zu Vater und Mutter befragt. Ein Ergebnis: Generell sind Männer die eine gute Beziehung zu ihren Eltern pflegen, zufriedener und selbstsicherer in Sachen Männlichkeit.

Die Fachhochschule Dortmund präsentiert ihr neues Forschungsprojekt ©Roland Baege

Für die Sozialwissenschaftlerinnen war dies keine Überraschung: „Wir wissen aus der Bindungsforschung, dass positive Beziehungen zu Eltern und Peers dazu führen, dass junge Männer weniger Druck verspüren und weniger die Sorge haben, kein richtiger Mann zu sein.“

Anders als vermutet, zeigten die Resultate aber auch, dass für die Zufriedenheit der Männer mit ihrer Maskulinität, die Beziehung zu ihrer Mutter nicht weniger wichtig ist, als die zu ihrem Vater. Die Beziehung zur Mutter habe sogar einen noch größeren Effekt auf die Zufriedenheit, als die anderen Beziehungsformen.

Die Qualität der Bindung ist wichtiger als mit welchem Elternteil

Der Forscher:innen vermuten das liege zum Teil daran, dass die Mütter nach wie vor meist die wichtigste Bezugsperson für junge Männer sind. „Wenn eine positive Beziehung zur Mutter einen ausreichend starken positiven Effekt auf die Männlichkeit des Sohnes hat, dann ist die tradierte Gewissheit, nur der Vater mache einen Jungen zum richtigen Mann, falsch“, fasst Prof. Dr. Nowacki zusammen.

Für die Frage, ob ein junger Mann mit sich zufrieden ist, zähle daher im Wesentlichen die Qualität der Beziehung zur primären Bezugsperson oder zu den primären Bezugspersonen, die die Bedürfnisse abdeckt bzw. abdecken, die in der klassischen Rollenverteilung auf Mutter und Vater verteilt sind – unabhängig vom Geschlecht.

Prof. Dr. Nowacki: „Die klassische Rollenverteilung ist nicht genetisch festgelegt.“

Bild: Springer VS

Es gibt noch eine weitere Konsequenz. Gegner:innen der Gleichberechtigung argumentieren oft, dass Frauen keinen beruflichen Erfolg anstreben sollten, weil sie in der Familie für die Kindererziehung gebraucht würden.

Dieses Klischee sieht Prof. Nowacki widerlegt: Die Überwindung der klassischen familiären Rollenverteilung sei keine Bedrohung für die Entwicklung der Kinder – zumal die klassische Rollenverteilung nicht genetisch festgelegt sei, sondern viel eher eine Folge der Sozialisation.

Das Forschungsprojekt greift auch andere Aspekte von junger Männlichkeit in Deutschland auf, nämlich zum Beispiel in Relation mit Migrationsgeschichten. Zweck des Projekts war nämlich die Prüfung eines Vorurteils: dem, dass Männer mit Migrationshintergrund Frauen und Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen tendenziell feindlich begegnen.

Die vollständige ausführliche Auslegung des Forschungsprojektes, samt Ergebnissen und Wertungen seitens der Sozialwissenschaftlerinnen, wurde jetzt vom Springer Verlag als Buch veröffentlicht: „Junge Männer in Deutschland. Einstellungen junger Männer mit und ohne Zuwanderungsgeschichte zu Gender und LSBTI“. (ISBN: 978-3-658-39234-5)

 

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