In diesen Tagen macht der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) gleich mehrfach von sich reden. Mit Leitlinien für eine angemessene Honorierung von Künstler:innen und der ersten großen Landeskunstausstellung NRW im Dortmunder U.
Kunst ist schön, macht aber bekanntlich auch viel Arbeit
Der BBK vertritt seit 1972 die berufsständischen Interessen der freischaffenden Bildenden Künstler:innen, in seinen Landes- und Mitgliedsverbänden sind mehr als 10.000 Künstler:innen professionell organisiert.
Denn wie sagte bereits Karl Valentin: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“. Arbeit, die honoriert werden sollte. Doch das ist längst nicht überall der Fall, gilt doch gerade für junge Künstler:innen die Teilnahme an einer Ausstellung als Ehre genug und es werden allenfalls die Produktionskosten erstattet.
Wenn jetzt – wie Ende Oktober in der Kultusministerkonferenz diskutiert – zumindest Honorarleitlinien für vom Land geförderte Projekte definiert werden, ist das auch ein Verdienst des Verbandes.
Bandbreite des künstlerischen Schaffens beeindruckt
U-Direktorin Florence Thurmes schätzt den Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler als „starke Stimme und Mediator der Szene“ und ist „stolz eine solche Bandbreite des künstlerischen Schaffens“ in der 6. Etage des Hauses präsentieren zu können.
Exakt 127 Künstler:innen sind in der Ausstellung mit je einer Arbeit vertreten und das Spektrum reicht von Malerei und Zeichnung über Fotografie, Bildhauerei oder Installation bis zur Videokunst. Alles Kunst aus NRW, alles Arbeiten, die zwischen 2015 und 2022 entstanden sind.
1.600 Künstler:innen waren aufgerufen sich zu beteiligen
Organisiert hat die Ausstellung der BBK Landesverband Westfalen. Vorstandsmitglied Anette Goeke blickt zurück auf „sechs Jahre Vorgeschichte“.
Die Idee zu dieser Landeskunstausstellung, wie es sie z.B. in Schleswig-Holstein seit Jahren gibt, stieß zwar von Anfang an auf positives Feedback, aber erst jetzt, mit Hilfe von rund 75.000 Euro Fördermitteln des Landes und der Unterstützung des Teams vom Dortmunder U, konnte sie auch umgesetzt werden.
Ein starkes Zeichen soll die Ausstellung setzen und Ausdruck des gegenwärtigen Kunstschaffens in NRW sein. Alle rund 1.600 Künstler:innen aus den neun BBK-Bezirksverbänden waren eingeladen, sich zu beteiligen. Insgesamt wurden 246 Werke eingereicht.
Promi-Faktor zählt nicht: Der Blick galt nur den Werken
Allein die Anzahl der Bewerbungen war eine Herausforderung für die Jury, die sich zudem vorgenommen hatte „nur das Werk an sich zu betrachten“ (Goeke). Mit viel Aufwand wurden daher im Vorfeld alle Hinweise auf den oder die Schöpfer:innen der eingereichten Arbeit getilgt – kein Vorwissen, keine Biografie und kein Promi-Faktor sollten den Blick lenken.
Ein mutiges Vorgehen, das Freiraum und Chancen eröffnen sollte. Das Ergebnis ist mehrheitlich weiblich, ein Mix aus Jung und Alt, Akademie- und Selbststudium und eben auch Ursache für die Vielzahl künstlerischer Ausdrucksformen unterschiedlicher Qualität. Keine leichte Aufgabe für Kuratorin Dr. Natalie Gutgesell, diese sehr verschiedenen Werke in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen.
Mal zuviel, mal zu wenig Interpretationsspielraum?
Zwar stand bereits die Ausschreibung unter dem Thema „Klare Kante!“, aber was das bedeutet, wurde ganz individuell interpretiert. So gibt es Künstler:innen die in ihren Arbeiten eindeutig Position beziehen, gegen den Krieg, gegen Umweltzerstörung und für den Klimaschutz – mal subtil, mal plakativ.
Andere Arbeiten interpretieren die Vorgabe „des Position beziehens“ eher ästhetisch, als Ausdruck ihres künstlerischen Schaffens und bleiben im Ungefähren. Auch das natürlich eine legitime Möglichkeit sich zur Welt zu verhalten.
Die Ausstellung als Statement für Kunst und Vielfalt
Um eine Struktur zu schaffen, wurden sechs Bereiche zusammengestellt, die Gemeinsamkeiten oder auch das Trennende der Positionen veranschaulichen sollen. Der Versuch Leitthemen zu setzen und die Räume unter Überschriften wie „Es geht alles seinen Gang“, „Ihr könnt doch auch mal was tun“ oder „Sie sprechen sich aus“ zu strukturieren, hilft bei der Orientierung mal mehr, meist weniger.
Statt zu erklären hat Gutgesell in ihren Texten eher eigene Fragestellungen und Gedanken assoziiert, die der Ausstellung eine weitere Ebene hinzufügen. Das kann man als Anregung verstehen. Sehen muss man eben immer noch selbst.
Ob mit oder ohne roten Faden – eine Ausstellung mit 127 Künstler:innen läßt sich selten auf einen Nenner bringen. Sollte es also – wie von den Initiator:innen gewünscht – zu einer alle drei oder auch fünf Jahre wiederkehrenden Schau kommen, wäre zu überlegen, ob weniger nicht auch in diesem Falle mehr ist. So ist diese erste Landeskunstausstellung ein bunter Rundumschlag, der auch als Statement des BBK Westfalen zu lesen ist: Er setzt sich für alle seine Künstler:innen ein und will ihnen den Rücken stärken: „Klare Kante!“ für die Vielfalt.
Weitere Informationen:
- 11. November 2022 bis 8. Januar 2023
- Dortmunder U, Ebene 6, Leonie-Reygers-Terrasse
- Eintritt frei
- Katalog ab 15.Dezember, ca. 20 Euro
- Hinweise zu Führungen, Gespräche mit Künstler*innen unter www.dortmunder-u.de/klare-kante
- Öffnungszeiten:
Di + Mi:11.00 – 18.00 Uhr
Do + Fr: 11.00 – 20.00 Uhr
Sa + So: 11.00 – 18.00 Uhr
Feiertag:11.00 – 18.00 Uhr
Mo: geschlossen
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Klare Kante: Künstler*innen-Talk beim „Kleinen Freitag“ im Dortmunder U (PM)
Der nächste „Kleine Freitag“ (24. November, 19 Uhr) lädt zum Kunst-Talk: Künstler*innen aus den sechs Abteilungen der Ausstellung „Klare Kante“, die derzeit auf Ebene 6 im Dortmunder U zu sehen ist, stehen Rede und Antwort. Im Dialog mit dem Publikum erläutern sie ihre Intentionen im Umgang mit dem Begriff „Klare Kante“. Anmeldung erforderlich: kleinerfreitag@stadtdo.de. Der „Kleiner Freitag“ findet jeden Donnerstag ab 19 Uhr an unterschiedlichen Orten im und am Dortmunder U statt. dortmunder-u.de/klare-kante
KLARE KANTE! im Dortmunder U – Letzte Woche der eindrucksvollen Ausstellung der BBK-Landeskunstschau NRW (PM)
Das Jahr beginnt mit einem Countdown: Die eindrucksvolle Ausstellung der BBK-Landeskunstschau NRW endet am Sonntag, 8. Januar 2023. 127 Künstlerinnen und Künstler aller Kunstsparten zeigten KLARE KANTE!. Wie in einem Kaleidoskop: bunt, verrückt, eindringlich die Themen. Quasi ein Jahresrückblick im Zeitraffer auf 1000 Quadratmetern:
Drei lebensgroße Coronakinder – die Verlierer des Lookdowns? – von MARION MÜLLER-SCHROLL sind umringt von Besucher*innen. Von EVA VAHJEN (to be) ein überdimensioniertes Kleid, zerbrechlich zart; eine geklebte Collage aus Kassenbons unseres Konsumverhaltens. Oder der opulent gedeckte Tisch von ANNE THOSS Nein, eure Suppe ess ich nicht …
Mutig, anklagend die Arbeiten der aus dem Iran stammenden Künstler*innen: MARZIYEH ABBAS ZADEH (geb. 1988), Architektin und Mosaikmalerin, zeigt mit ihrem Mosaik „Traum von Freiheit“ Zerrissenheit und Verletzlichkeit speziell der Frauen. Der in Dortmund lebende Davoud Sarfaraz musste selbst unter der Schah-Regierung am Krieg gegen den Irak teilnehmen, emigrierte 1986 nach Deutschland. Seine Arbeit zeigt die Bewunderung für die Frauen aber auch ihren Mut. Er prangert immer wieder das Mullah-Regime an – in heller, fast positiver Malerei – doch die inhaltliche Brutalität ist nicht zu übersehen (das Blut, der Krieger im Hintergrund).
Staunend stehen die Besucher vor einem filigranen Gitter von NADIA PEREIRA BENAVENTE, dass nicht aus Stahl montiert wurde, sondern aus Porzellan gebrannt ist. Faszinierend das kinetische Objekt von ROLAND HERMANNS mit Wortmetamorphosen. Oder die vielen eindringlichen Videos, die nicht nur KLAR Kante beziehen, sondern selbst Statements der Betrachter einfordern.
Es gibt kaum ein Thema, das nicht besetzt ist. Reaktionen, Reflexionen auf umwelt- und gesellschaftspolitische Krisen und Herausforderungen, aber auch hoffnungssuchende Arbeiten. Es ist schon erstaunlich, dass diese Bandbreite von Themen, die unterschiedlichen Formate und Kunstsparten in einer Schau zu integrieren waren. Ein Kompliment an die Kuratorin Dr. Natalie Gutgesell, die die 127 künstlerischen Positionen in sechs Kapitel zusammenfasste und die Inhalte fast logisch den Raumabfolgen einpasste.
Schade, dass diese gut besuchte, kostenfreie Werkschau nicht verlängert werden kann. Sonntag ist daher eine gute Gelegenheit, um von 14 bis 15 Uhr die Führung wahrzunehmen. Empfehlenswert der 200-seitige Katalog!
Öffnungszeiten ab 3. Januar 2023:
Di, Mi, Sa, So 11-18 Uhr
Do und Fr 11-20 Uhr
Eintritt frei
Dortmunder U: Leonie-Reygers-Terrasse, 44137 Dortmund