„Es bedeutet mir sehr viel, hier im Sozialkaufhaus zu arbeiten“, sagt Barbara Strassmann. „Ich lerne hier sehr viel“, betont die 57-Jährige und sortiert Kinderbekleidung, die Spender vorbeigebracht haben.
Seit einigen Wochen arbeitet sie bereits im Sozialkaufhaus „Jacke wie Hose“ der Diakonie. Nach einer langen Krankheit wurde die gelernte Küchenkraft arbeitslos, fiel später in Hartz IV. Nun erhofft sie sich durch die Arbeitsgelegenheit (AGH) bei der Diakonie, für den ersten Arbeitsmarkt fit zu werden. Ihre Hoffnung: Im Verkauf gibt es mehr offene Stellen.
Im Sozialkaufhaus kann sie die nötigen Erfahrungen sammeln: Umgang mit Kassensystemen, mit den Waren und vor allem mit den Kunden – Neuland für die Dortmunderin, die bislang in Restaurants und Kantinen immer „hinter den Kulissen“ gearbeitet hat. Erst mal für sechs Monate kann sie in der Münsterstraße 261-263 arbeiten. Damit ist sie sehr zufrieden. „Ich habe hier nette Kolleginnen und Kollegen. Sie helfen mir weiter.“
80 Prozent ohne Berufserfahrung
Es gibt hier zwei Arten von „Kollegen“: Die größere Gruppe sind die Menschen, die hier zwischen 15 und 30 Stunden die Woche für 1,50 Euro pro Stunde arbeiten und qualifiziert werden. Die kleinere Gruppe ist die der fest angestellten Fachanleiter.
„Ich lege Wert darauf, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier dann nicht sechs Monate ausruhen, sondern sich bewerben“, betont Fachanleiter Jörg Kastilan.
Im Sozialkaufhaus bekommen sie Stellenanzeigen sowie Hilfen für Bewerbung und Bewerbungsgespräch, aber auch persönliche Unterstützung. Im Mittelpunkt steht aber das Vermitteln von Erfahrungen im Einzelhandel. „80 Prozent haben keine Erfahrungen damit oder überhaupt eine Ausbildung“, berichtet er. Seit rund fünf Jahren gibt es das neue große Sozialkaufhaus der Diakonie in der Münsterstraße 261-263. Größer, mehr Angebot, besser ausgestattet, kundenfreundlicher.
Kundenfreundlichkeit sehr wichtig
Für Fachanleiter Björn Kastilan und Arbeitsgebietsleiterin Vera Schürholt ist das „Kundenfreundlich“ wichtig. Denn auch wenn hier gespendete Sachen für kleines Geld an Bedürftigte verkauft wird, sollen sie sich nicht als Kunden zweiter Klasse fühlen. Daher ist das Sozialkaufhaus wie ein „richtiges“ Kaufhaus eingerichtet. Bekleidung, Haushaltswaren, Möbel und kleinere Elektrogeräte gibt es hier auf 1200 Quadratmetern.
Sogar Kundenkarten gibt es seit drei Jahren – knapp 4000 hat die Diakonie ausgegeben. Hier geht es allerdings nicht um „Kundenbindung“ im klassischen Sinne, sondern um zusätzliche Rabatte. 20 Prozent gibt es mit der Karte, wenn man einen Einkommensnachweis vorgelegt hat. Dies ist nicht nur im Sinne der finanzschwachen Kundschaft, sondern auch im Sinn der Mitarbeiter. Denn sie lernen hier den Umgang mit einem modernen EDV-gestützten Kassensystem. „Das funktioniert wie auf dem ersten Arbeitsmarkt“, erklärt Kastilan. Und darum geht es bei der Diakonie: Qualifizierung, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Dafür gibt es die Förderung vom JobCenter. „Wir leisten uns als Diakonie ja keinen Second-Hand-Laden, sondern machen hier Beschäftigungsförderung.“ Dies gilt für die Menschen, die hier im Verkauf arbeiten, aber auch für den angegliederten Fahrdienst.
Förderangebote werden reduziert
Allerdings wird die Förderung der Arbeitsgelegenheiten durch die JobCenter immer weiter reduziert: Die „Jacke wie Hose“- Läden in Lünen und Aplerbeck musste die Diakonie bereits schließen, weil sie keine Förderung mehr bekam. „Es gab aber keine Entlassungen. Wir haben uns der sozialen Verantwortung gestellt“, betont Vera Schürholt.
Die Einrichtung in der Hohen Straße wurde auf den Schwerpunkt Integration – also die Förderung von Schwerbehinderten – umgestellt, da die Einrichtung in einem Sozialraum liegt, in dem keine Arbeitsgelegenheiten mehr gefördert werden.
In Huckarde hat man daher vor rund vier Jahren gleich mit einem Projekt für Arbeitslose angefangen, die über 50 Jahre alt sind. Dafür gibt es Geld aus dem Programm „Job-Perspektive“. Diese Förderung läuft 2014 aus. Wie es weitergeht? Bei den Verantwortlichen nur Achselzucken und verhaltene Hoffnung. Neu ist hier das Programm „Förderung von Arbeitsverhältnissen“ (FAV). Allerdings gibt es darin erst eine geförderte Person.
Arbeit, Halt und Unterstützung
In Scharnhorst, Hörde und eben dem großen Laden in der Nordstadt gibt es weiterhin das AGH-Modell. Insgesamt 72 Arbeitsgelegenheiten, vier durch Job-Perspektive Beschäftigte und eben eine FAV-Stelle gibt es. Betreut und angeleitet werden sie durch 16 fest angestellte Beschäftigte – die Stundenmodelle reichen dabei vom 400 Euro-Job bis zur Vollzeit-Anstellung. Auch wenn die Rahmenbedingungen immer schwieriger werden, geben die Beschäftigten dort ihr Bestes, um die Chancen der Arbeitslosen zu verbessern.
Darauf setzen auch Barbara Strassmann und ihre Kollegin Annette Schikowski-Koch (38). Ihre Förderung läuft aus, ohne dass sie einen neuen Job gefunden hat. Sie hat jetzt Angst vor dem großen Loch, was nach „Jacke wie Hose“ kommen könnte. „Die Menschen haben mir hier immer geholfen. Sie lassen einen nicht hängen und haben einen aufgefangen“, berichtet Schikowski-Koch von ihren Erfahrungen im Sozialkaufhaus. „Sie stärken einem hier immer den Rücken.“ Was anschließend wird, weiß sie noch nicht. Nur bei einem ist sie sich sicher: „Dann helfe ich hier ehrenamtlich weiter!“
HINTERGRUND
Das Sozialkaufhaus in der Münsterstraße 261-263 hat montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. In dieser Zeit werden auch Sachspenden entgegengenommen. Neben gebrauchter Bekleidung werden auch Second-Hand-Möbel, Hausrat und kleine elektrische Geräte gesucht. Größere Spenden wie Möbel werden auch vom eigenen Fahrdienst abgeholt – allerdings erst nach einem Besichtigungstermin. Info-Telefon: 0231-4759650
Hier geht’s zur Internetseite: LINK
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