„Haus Schifffahrt“ verlor durch den 2. Weltkrieg viel von seinem alten Glanz

SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Die WTAG schmückte das Hafenumfeld mit einem Prachtbau

Der WTAG-Neubau an der Ecke Mallinckrodt- /Yorkstraße (heute Speestraße) (Sammlung Klaus Winter)
Der Neubau der Westfälischen Transport-Aktien-Gesellschaft an der Ecke Mallinckrodt- / Yorkstraße (heute Speestraße). Bild: Sammlung Klaus Winter

Von Klaus Winter

Vom Hafen ist heute viel zu hören und zu lesen. Dabei geht es nicht so sehr um seinen Betrieb, sondern mehr um die Gestaltung seines engsten Umfeldes. Eine Reihe alter Gebäude wurde abgebrochen oder wird einer massiven Umgestaltung unterworfen. Von den aktuellen Baumaßnahmen nicht betroffen ist das Verwaltungsgebäude der ehemaligen Westfälischen Transport-Aktien-Gesellschaft (WTAG) an der Mallinckrodtstraße.

Die WTAG wurde vor der Hafeneinweihung gegründet

Der Dortmunder Hafen wurde 1899 in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. feierlich eingeweiht. Bereits Jahre zuvor hatte man sich darüber Gedanken gemacht, wie der Verkehr auf dem Dortmund-Ems-Kanal und im Hafen am besten gefördert werden könnte. Am 18. November 1897 wurde deshalb ein Binnenschifffahrtsunternehmen, die Westfälische Transport-Aktien-Gesellschaft ins Leben gerufen.

Bei dem notariellen Gründungsakt waren Vertreter der Industrie und des Handels, aber auch aus der Verwaltung anwesend. Das Gesellschaftskapital von 2,2 Millionen Mark wurde zur Hälfte von dem Kohlensyndikat gezeichnet. Aber auch die Hüttenindustrie beteiligte sich, ebenso wie die Städte Dortmund, Emden und Duisburg und andere Interessenten.

WTAG-Kähne im Stadthafen (Sammlung Klaus Winter)
WTAG-Kähne im Stadthafen (Sammlung Klaus Winter) Bild: Sammlung Klaus Winter

WTAG spielte eine führende Rolle – Schleppkähne waren 67 Meter lang

Die Gesellschaft sollte eine Flotte von Frachtkähnen und -schiffen aufbauen und betreiben, um den Gütertransport auf dem Kanal möglichst optimal durchzuführen. Neben den Schiffen erwarb die Gesellschaft Kräne, Kohlenkipper, Elektrizitätszentralen. Auch wurden große Lagerhäuser und Getreidespeicher am Hafen gepachtet.

Zwischen Unternehmensgründung und Inbetriebnahme des Hafens hatte nur eine kurze Zeitspanne gelegen. So war der WTAG nur wenig Zeit geblieben, die ersten Kähne und Schiffe anzuschaffen. Aber es gelang ihr unter ihrem Direktor Schilling dennoch innerhalb weniger Jahre, die größte Flotte auf dem Dortmund-Ems-Kanal aufzubauen und hier die führende Rolle zu spielen.

Im Jahre 1912 verfügte die WTAG über 28 eigene und gemietete Schleppdampfer und fast 70 Schleppkähne, jeder von ihnen war 67 Meter lang, 8,2 Meter breit und hatte einen Tiefgang von 2 Metern. Der zur Verfügung stehende Schiffsraum auf dem Kanal betrug 90.000 Tonnen.

Bekanntes Architekturbüro entwarf die Baupläne

Das WTAG-Verwaltungsgebäude Haus Schiffahrt" mit Mast, Tauen und Flagge (Sammlung Klaus Winter)
Das WTAG-Verwaltungsgebäude Haus Schifffahrt“ mit Mast, Tauen und Flagge Bild: Sammlung Klaus Winter

Die WTAG war beteiligt an der Schleppschifffahrtsgesellschaft Dortmund-Ems in Leer und hatte Zweigniederlassungen in Emden und Rotterdam. Der stark gestiegene Geschäftsumfang machte einen neuen Verwaltungssitz in Dortmund notwendig.

Im August 1912 erwarb die WTAG an der Mallinckrodtstraße ein Grundstück für den Neubau einer Verwaltung. Zur Mallinckrodtstraße hatte es eine Länge von 20 Metern und zur Yorkstraße, die heute Speestraße heißt, eine Länge von 32,5 Metern.

Der Neubau sollte drei Geschosse hoch gebaut werden. Zusätzlich waren ein Untergeschoss und ein ausgebautes Dachgeschoss vorgesehen. Das Gebäude sollte einen Turm erhalten, mit einem großen Mast, Tauen und Wimpeln als Sinnbild der Schifffahrt.

Die Pläne zu diesem Prachtbau stammten von den bekannten Dortmunder Architekten Steinbach & Lutter. Ihnen wurde auch die Bauleitung übertragen.

Neubau enthielt auch Büroräume für andere Firmen

Bereits im Oktober 1912 ragten die Grundmauern des Neubaus aus dem Kellergeschoss hervor. Neben dieser Meldung sind Hinweise auf den Baufortschritt aber rar. Beginnend im Februar 1913 erschien in der Tagespresse eine kurze Folge von Inseraten, mit denen die WTAG 300 Quadratmeter in der 2. Etage anbot, die als Büroräume genutzt werden konnten. Aus den Anzeigen geht hervor, dass das Haus mit elektrischem Aufzug und allen modernen Einrichtungen ausgestattet wurde.

Mitte des Jahres 1913 sollte das Verwaltungsgebäude der WTAG vollendet sein. Gemäß der Jubiläumsschrift „WTAG 1897-1957“ war das aber erst im September des Jahres der Fall. Berichte über eine besondere Einweihungsfeierlichkeit des Verwaltungsgebäudes, das auch „Haus Schiffahrt“ genannt wurde, sind nicht zu finden. Die Inbetriebnahme wurde wohl stillschweigend vorgenommen.

Nach Kriegsende wurde der alte Zustand nicht wiederhergestellt

Haus Schifffahrt, ehemalige Hauptverwaltung der Rhenus WTAG am Hafen
Treppenhausverglasung in der ehemaligen WTAG-Verwaltung Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Das Verwaltungsgebäude der WTAG wurde im Verlaufe des Zweiten Weltkriegs stark zerstört. Nach Kriegsende gab es aber noch genug Bausubstanz, um es wieder aufzubauen. Der alte Zustand wurde jedoch nicht wiederhergestellt, auch wenn es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Der Vergleich alter Fotografien des Hauses mit dem heutigen Zustand zeigt deutliche Abweichungen. Einiges ist vereinfacht worden, doch entstand dabei auch bemerkenswert Neues wie die Fensterfront des Treppenhauses, mit den darin eingearbeiteten zahlreichen Flaggen.

Im Zweiten Weltkrieg hatte die WTAG Transportkapazitäten verloren und Hafen-Infrastruktur war zerstört worden. Nach und nach wurde alles wieder aufgebaut und die WTAG konnte weitere Niederlassungen gründen und ihren Geschäftsbetrieb bis nach Süddeutschland ausdehnen.

Die Geschichte der Westfälischen Transport-Aktien-Gesellschaft als eigenständiges Unternehmen endete 1976. In dem Jahr wurde das Unternehmen der Stinnes Reederei AG einverleibt.

Haus Schifffahrt, ehemalige Hauptverwaltung der Rhenus WTAG am Hafen
Haus Schifffahrt – die ehemalige WTAG-Verwaltung am Hafen – ist heute Sitz des „e-port Dortmund“. Klaus Hartmann | Nordstadtblogger
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