Rund fünfeinhalb (!) Jahre nach der kurzzeitigen Besetzung des Reinoldikirchturms durch Neonazis im Dezember 2016 endete im April 2022 der erste Prozess vor dem Amtsgericht in Dortmund. Mit maßvollen Geldstrafen für vier der Beteiligten sowie einer Verwarnung für einen damals noch Heranwachsenden ging das Verfahren vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts in Dortmund zu Ende. Es stand damals aber nur die „zweite und dritte Garde“ vor Gericht: Die prominenten Angeklagten sollen am 3. November 2022 auf der Anklagebank im Amtsgericht Dortmund Platz nehmen. Aus Platzgründen hatte das Gericht das Verfahren gesplittet.
Sven Skoda, Klaus Schäfer, Steven F. und Alexander Deptolla angeklagt
Um was ging es? Ursprünglich wurden acht Neonazis wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung angeklagt. Genötigt wurden durch die Verbarrikadierung der Kirchturmstür die anderen Besucher:innen, die zwar Eintritt bezahlt hatten, aber den Kirchturm bzw. die Aussichtsplattform nicht betreten bzw. verlassen konnten.Gegen drei weitere Aktivisten, die am Boden vor der Reinoldikirche Flugblätter zu der Aktion verteilten, wird wegen Beihilfe ermittelt.
Unter den Angeklagten befinden sich bekannte Gesichter wie der „Kampf der Nibelungen“-Organisator Alexander Deptolla, der Co-Bundesvorsitzende der Partei „Die Rechte“, Sven Skoda, der mehrfach vorbestrafte Aktivist Steven F. und Dortmunds ehemaliger Feuerwehrchef Klaus Schäfer. Steven F. soll sich bereits am 12. September wegen Beleidigung und Körperverletzung verantworten – es wäre der dritte Anlauf in diesem Verfahren.
Die Anklage für die Verhandlung im November 2022 lautet, im Rahmen der Besetzung des Reinoldi-Kirchturmes am 16. Dezember 2016 einen Hausfriedensbruch begangen (bzw. Beihilfe dazu geleistet), sowie durch das Verschließen der Kirchturmtür eine gemeinschaftliche Nötigung begangen zu haben.
Große Strafen sind dann wohl nicht zu erwarten. Ganz abgesehen davon bleibt abzuwarten, ob das Verteilen von Flugblättern parallel zur Besetzung vom Gericht als Beihilfe zu werten ist. Im ersten Verfahren hatte das Amtsgericht nach zwei mehr als zähen Verhandlungstagen einen Schuldspruch gefällt.
Das erste Verfahren war mit Geldstrafen bzw. Verwarnungen zu Ende gegangen
Die verhängten Strafen empfanden selbst die Verteidiger als „überraschend maßvoll“, wenngleich sie – wenig überraschend – Freisprüche gefordert hatten. Schon die Staatsanwaltschaft hatte verhältnismäßig niedrige Geldstrafen gefordert. Diese waren vor allem der überlangen Verfahrensdauer geschuldet.
Zwei der Beteiligten waren nicht vorbestraft. Gegen sie wurde eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 30 Euro verhängt. Für zwei weitere Angeklagte – gegen sie liegen schon fünf bzw. sechs rechtskräftige Urteile vor – verhängte das Gericht 50 Tagessätze zu je 30 Euro.
Der fünfte Angeklagte – Tom N. – war zum Tatzeitpunkt gerade 18 Jahre alt. Daher fand das Verfahren vor dem Jugendschöffengericht statt. Er wurde lediglich verwarnt. Auf weitere erzieherische Maßnahmen, die das Jugendschöffengericht normalerweise verhängen könnte, wurde verzichtet. Denn diese erschienen auch der Jugendgerichtshilfe bei dem mittlerweile 24-Jährigen als sinnlos.
Sie würden auch nicht weiter ins Gewicht fallen. Denn mittlerweile hat der ehemalige Neonazi und Kampfsportler weitere Urteile gesammelt. Sollte das letzte Urteil gegen ihn rechtskräftig werden, muss er für mehr als sieben Jahre hinter Gitter.