In Anwesenheit von neun Vize-Weltmeistern von 1982 hat das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund im Rahmen einer Feierstunde die Sonderschau „Die Nacht von Sevilla“ eröffnet. Zum 40. Jahrestag des Halbfinales zwischen der deutschen und der französischen Nationalmannschaft am 8. Juli 1982 bei der 12. Fußballweltmeisterschaft in Spanien blickten die damaligen Protagonisten gemeinsam mit Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein auf eines der spannendsten und denkwürdigsten Spiele der WM-Geschichte zurück. Aus dem Buch zur Sonderausstellung von Museumsdirektor Manuel Neukirchner rezitierte Schauspieler Peter Lohmeyer Schlüsselszenen der Begegnung, die kurzzeitig die jahrzehntelange deutsch-französische Freundschaft außer Kraft zu setzen drohte.
Einzigartige Emotionen: Nacht von Sevilla ist Triumph und Tragödie zugleich
Die immersiv gestaltete Sonderschau lässt mit eindrucksvollem Bildmaterial und Original-Exponaten die Besucherinnen und Besucher vom Zusammenprall Toni Schumachers mit Patrick Battiston über Klaus Fischers legendären Fallrückzieher bis hin zum alles entscheidenden Elfmeterschießen die vielen dramatischen Momente des Jahrhundertspiels intensiv nachempfinden.
„Die Sonderschau setzt diesem in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Spiel ein Denkmal. Dabei ehren wir nicht nur die Sieger, sondern würdigen ebenso die herausragende Leistung der Verlierer“, so Museumsdirektor Manuel Neukirchner.
„Wir sehen grenzenlosen Jubel, blicken in enttäuschte Gesichter und fangen somit Triumph wie Tragödie gleichermaßen ein. Der Rundgang mit den damals beteiligten Spielern hat offenbart, wie präsent ihnen die Begegnung heute noch ist und wie die Bilder aus dem Estadio Ramón Sánches Pizjuán von Sevilla einzigartige Emotionen wieder spürbar werden lassen.“
Fußballlegenden erinnern sich an ein Spiel der Extraklasse
„Neben dem WM-Endspiel von 1974 und einer Begegnung mit Real Madrid im damaligen Europapokal der Landesmeister während der Saison 1975/1976 gegen Derby County zählt das WM-Halbfinale von 1982 gegen Frankreich zu den drei größten Partien, bei denen ich in meiner Karriere mitwirken durfte“, erzählt Paul Breitner, damals einer der Antreiber im Team der deutschen Nationalmannschaft.
„Wenn die Verlängerung des Spiels zehn Minuten länger gedauert hätte, bin ich mir sicher, wäre uns nach dem Ausgleich auch noch das 4:3 und 5:3 gelungen“, so Breitner weiter. Auch Torhüter-Legende Harald „Toni“ Schumacher erinnert sich gut an die damalige Partie:
„Über die Szene mit Battiston wird bis heute viel diskutiert. Das Wichtigste für mich ist, dass Patrick mir glaubt, dass ich ihn nicht verletzen wollte. Beim Elfmeterschießen habe ich den Respekt der Franzosen gespürt. Ich war gut vorbereitet und hatte – wie bei allen Elfmeterschützen, die im Laufe der Jahre gegen mich angetreten sind – im Vorfeld viele Informationen über ihre Schussgewohnheiten gesammelt“, erinnert sich Schumacher.
Fallrückzieher-Tor von Klaus Fischer wurde zum Tor des Jahres 1982
Als einen der wichtigsten Treffer seiner Karriere bezeichnet der damalige Mittelstürmer Klaus Fischer sein damaliges Fallrückzieher-Tor zum 3:3 Ausgleich in der Verlängerung des Fußballkrimis. Die akrobatische Einlage Fischers wurde später zum Tor des Jahres 1982 gewählt.
„Mir sind schönere Fallrückzieher-Tore gelungen, aber keines hatte eine ähnliche Bedeutung. Eigentlich habe ich dem Spiel ja noch ein weiteres Tor erzielt, allerdings aus einer angeblichen Abseitsstellung heraus, die auch jetzt, beim nochmaligen Betrachten der Bilder, schwer nachvollziehbar ist“, so Fischer.
Entscheidung im Nervenkrieg Elfmeterschießen
Das damalige Spiel zeigt wie nah Freud und Leid im Fußball oft beieinander liegen. So berichtet Uli Stielike über seine „gewaltige Enttäuschung“ nach seinem verschossenen Elfmeter.
„Leider hatte ich mich auf meinen letzten drei Trippelschritten noch einmal umentschieden und eine andere Ecke anvisiert“, so Stielike.
Und weiter: Die öffentliche Wahrnehmung meiner Sperre durch den DFB, als ich als sogenannter Auslandslegionär bei Real Madrid über Jahre keine Länderspiele bestreiten durfte und quasi als Fahnenflüchtiger galt, hat mich sehr geprägt. Nun fürchtete ich, wieder zum großen Buhmann gemacht zu werden.“
Unvergessliches Erlebnis für den damals jungen Pierre Littbarski
„Dass ich als damals junger Spieler Uli sofort nach seinem Fehlschuss getröstet habe, war für mich eine Selbstverständlichkeit und hatte zudem den Effekt, dass ich mir vor meinem eigenen Elfmeter nicht so viele Gedanken machen konnte“, ergänzt Pierre Littbarski.
Für ihn gebe es zwei Jahrhundertspiele der deutschen Nationalmannschaft: Das 3:4 nach Verlängerung bei der WM 1970 in Mexiko und eben dieser Sieg nach Elfmeterschießen gegen die Franzosen.
„Ich hatte das Glück, bei einem dabei zu sein und mit Spielern in einer Mannschaft stehen zu dürfen, die allesamt über enorme Qualität und einen starken, zuweilen auch schwierigen Charakter verfügten“, so Littbarski.
Teamgeist durch sportliche Qualität und starke Charaktere geprägt
Einer dieser starken Charaktere war sicherlich auch Felix Magath, der eingesteht, beim Halbfinale gegen Frankreich nicht seinen besten Tag erwischt zu haben, was aber nicht zuletzt auch an dem Weltklasse-Mittelfeld der Franzosen gelegen habe. „Mit Jean Tigana, Alain Giresse und Michel Platini verfügten sie damals über herausragende Spieler in ihren Reihen, die uns das Leben schwer gemacht haben“, erinnert sich Magath.
Voller Selbstbewusstsein hingegen marschierte damals Manfred Kaltz zum entscheidenden Elfmeterschießen, hatte er doch von 60 Elfmetern in der Bundesliga 53 verwandelt. „Insofern war ich mir damals auf dem Weg zum Punkt recht sicher, erfolgreich zu sein. Darüber hinaus hatten wir einfach eine gute Mannschaft und waren sehr fleißig“, so Kaltz.
Hansi Müller: „Über Knieprobleme während der WM 1982 berichtete Hansi Müller. Aus diesem Grund habe er auch nur zwei Einsätze beim Turnier gehabt. „Nach dem Sieg gegen die Franzosen in einem WM-Endspiel mitwirken zu können, lässt mich aber positiv und mit Stolz auf das Turnier zurückblicken.“
Das Finale gegen die Italiener habe für die Mannschaft unter ungünstigen Voraussetzungen gestanden, da sie nach dem Halbfinale erst frühmorgens in Madrid gelandet seien und deutlich weniger Zeit gehabt hätten zu regenerieren als die Gegner.
Ausstellung ist bis zum 12. Oktober 2022 zu sehen
Ein besonderes Erlebnis war die WM 1982 auch für Winfried Hannes, auch wenn er im Turnierverlauf nicht zum Zuge kam „Im Vorfeld des Turniers hatte ich mir auf Grund konstanter Leistungen einiges ausgerechnet. Wir mussten im Verlauf der Vorbereitung und während der Wochen in Spanien zuweilen heftige Kritik einstecken, haben uns im Training aber immer wieder aufgerappelt“, berichtet Hannes.
Schauspieler Peter Lohmeyer erlebte das Halbfinale 1982 als langen spannenden Abend in einer Bochumer Kneipe. „Bei der WM 1982 war ich als junger Schauspielschüler im besten Fußballalter und habe insgeheim auf einen Anruf des Bundestrainers gehofft, dass man mich eventuell doch bräuchte“, erinnert er sich.
Die Sonderschau „Die Nacht von Sevilla“ wird bis zum 12. Oktober 2022 im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund zu sehen sein. Der Zugang ist im Ticketpreis für die Dauerausstellung inbegriffen. Das Begleitbuch „Die Nacht von Sevilla. Fußballdrama in fünf Akten“ (Delius Klasing, ISBN 978-3-667-12543-9) von Manuel Neukirchner kann über den Buchhandel und unter fussballmuseum.de bezogen werden.