„Ermittlungsdienst Abfall“ hat sich in Dortmund bislang bewährt:

Kampf gegen Vermüllung soll fortgesetzt werden

Illegaler Müll, hier in der Dortmunder Nordstadt. Verunreinigungen, wo im konkreten Fall der Verursacher – die belvona – zur Beseitigung aufgefordert wurde, da deren Container offenbar wilde Abfallberge anzieht. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Mit dem sog. „Ermittlungsdienst Abfall“ (EDA) hat die Stadt Dortmund Entsorgungsmuffeln und Umweltverschmutzern den Kampf angesagt. Die gerade in verschiedenen Gremien der Kommunalpolitik diskutierte Frage zu dem auslaufenden Pilotprojekt ist nicht die, ob es fortgeführt wird. Denn angesichts von 1500 „Treffern“ in den letzten anderthalb Jahren kann kein Zweifel daran bestehen, dass weiterhin beträchtlicher Handlungsbedarf besteht. Vielmehr geht es darum, ob das Engagement für mehr Sauberkeit in verschiedenen Stadtbezirken Dortmunds – so das Ansinnen der Stadtverwaltung – zunächst lediglich um ein Jahr verlängert wird oder gleich als Dauereinrichtung verstetigt werden soll.

Traurige Bilanz: 1.500 Müllsünder*innen in 1,5 Jahren – mit 150.000 Euro an Bußgeldern

Ursprünglich wollte die Dortmunder Stadtverwaltung das im September 2020 gestartete Pilotprojekt zunächst lediglich um Jahr verlängern. Dabei fiel die Zwischenbilanz des Ermittlungsdienstes Abfall (EDA) schrecklich-schön aus: Fast 1500 Müllsünder*innen wurden in den letzten rund achtzehn Monaten ermittelt und über 150.000 Euro an Bußgeldern festgesetzt.

Stadtdirektor Jörg Stüdemann
Stadtdirektor Jörg Stüdemann (Archivfoto) Foto: Anja Cord für Nordstadtblogger.de

60.000 Euro seien davon bereits bezahlt worden, berichtet Stadtdirektor und Kämmerer Jörg Stüdemann. 114.000 Euro Räum- und Entsorgungskosten kämen noch obendrauf.

Insgesamt seien über 11.500 Meldungen eingegangen, davon 5300  durch die App „Dreckpetze“. Der gegenwärtige Ermittlungsdienst besteht aus acht Mitarbeitenden, deren Aufgabe es ist, sogenannte „Nacht- und Nebelkipper“ auswendig zu machen. Das sind Bürger*innen, die ihre Abfälle illegal im öffentlichen Raum entsorgen. Wo es ihnen gleichsam beliebt. Sie begehen keine Straftat, jedoch eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeldern geahndet wird.

Wie werden manche der betreffenden Umweltverschmutzer geschnappt? – Nun, es funktioniert mitnichten so, wie sich dies einige Zeitgenoss:innen in ihrer notorischen Achtlosigkeit vielleicht vorstellen mögen: Ich hau‘ meinen Müll irgendwohin und bin dann mal weg – und das war’s. Nach mir die Sintflut.

Untersuchung weggeworfener Kartonagen und Observation von Ablageorten

Um Menschen mit solchen Attitüden dingfest zu machen, sind im Rahmen des Projektes vier Mitarbeiter:innen des Ordnungsamtes, ausgestattet mit hoheitlichen Rechten (weshalb sie z.B. – wie die Polizei – Personalien feststellen dürfen), und ebenso viele von der Entsorgung Dortmund GmbH (EDG) in der Stadt unterwegs.

Sie schauen sich illegal abgelagerten Müll genauer an, beobachten Orte, wo dies häufig geschieht. Und sie haben Erfolg. Ein Großteil der Verursachenden (etwa 90 Prozent) wurde durch Ermittlungen in den Abfällen (etwa: Adresse auf der Kartonage!) und deren Umfeld überführt. Doch immerhin jede:r zehnte Täter:in konnte durch observierende EDA-Teams in flagranti beim eigentlichen Abfallhinterlassen erwischt werden.

Stadtdirektor Jörg Stüdemann resümiert: „Der Einsatz hat sich sehr gelohnt.“ – Der Erfolg hat wiewohl seinen Preis: Im betrachteten Projektzeitraum wurden dafür insgesamt 4300 Einsätze gefahren und 4100 Stunden mit zeitaufwändigen Observationen bekannter illegaler Abfallschwerpunkte verbracht.

Nicht nur Strafe für Täter:innen, sondern auch Beratung zu alternativen Entsorgungsmöglichkeiten

Neben der Überführung von Täter:innen geht es um eine Art von „Resozialisation“ im weitesten Sinne, um edukative Motive. Auf dass zukünftig Unrat nicht wieder achtlos weggeschmissen wird.

Unsachgemäß hinterlassener Abfall an der Uhlandstraße in der Nordstadt Dortmunds Thomas Engel | Nordstadtblogger

So wurden einer Ordnungswidrigkeit überführte Täter:innen von EDG-Mitarbeitenden des jeweiligen Teams gleich über bestehende Möglichkeiten zur korrekten Abfallentsorgung beraten.

Zusammen mit anderen Aktionen, z.B. auf den jeweiligen Wochenmärkten in vielen Stadtbezirken, führten die eingesetzten Teams in Dortmund insgesamt fast 900 Gespräche zum korrekten Umgang mit Abfällen. – Nach Einschätzung der Stadtverwaltung ist mit dem EDA ein bislang noch fehlender Baustein in der kommunalen Sicherheits- und Ordnungsarchitektur gelungen:

„Nur das gezielte und konsequente Ermitteln und die Sanktionierung von Verursachenden unerlaubter Abfallablagerungen kann letztlich der Gleichgültigkeit, die Täter:innen gegenüber dem Bedürfnis der Stadtgesellschaft nach Ordnung und Sauberkeit an den Tag legen, ein wirksames Mittel entgegensetzen“, heißt es seitens des Dortmunder Verwaltungsvorstandes.

Auch die Dortmunder Stadtverwaltung möchte das Projekt verstetigen

Bei allen Erfolgen des EDA in seiner bisherigen Laufzeit wurde in der Zwischenevaluation weiterer Optimierungs-, insbesondere Abstimmungsbedarf unter den beteiligten Institutionen – das sind vier kommunale Ämter – ausgemacht. Ansinnen der Dortmunder Stadtverwaltung war es, die ursprünglich angestrebte einjährige Verlängerung des Pilotprojektes zu nutzen, um mit der EDG ein gemeinsames Konzept zur Verstetigung des EDA als kommunale Daueraufgabe zu erarbeiten und dies sodann seitens des Stadtrates beschließen zu lassen.

Illegal abgelegter Müll in der Nordstadt, hier Ecke Uhlandstraße / Weberstraße, vor einer Immobilie von belvona. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Jörg Stüdemann sieht durch das Pilotprojekt auf alle Fälle die Erkenntnis gereift, dass das Bedürfnis von Bürger:innen groß sei, ein besseres Erscheinungsbild ihrer Wohnumgebung zu generieren. Seine Konsequenz: „Wir wollen den Ermittlungsdienst dauerhaft, aber im letzten Jahr des Testbetriebs noch die Abläufe optimieren.“

Soweit, so gut. Der illegal „entsorgte“ Müll soll weg, und das kostet was. Nämlich durch den Personalaufwand, der nötig ist, um konkret herauszufinden, wer die Täter:innen sind, die ihren Abfall sorglos irgendwo zurücklassen. Da sind sich alle politischen Parteien in Dortmund einig.

Jetzt kommt es auf den Feinschliff an, um die Schlagkraft des EDA weiter zu erhöhen. Und nicht zuletzt darauf, in welche Zusammenhänge fragwürdige Verhaltensweisen bei der Abfallbeseitigung gestellt werden. Und hier freilich, da scheiden sich die Geister.

Einigkeit unter Dortmunder Parteien zur Güte des Konzepts, aber …

In der Bezirksvertretung (BV) Innenstadt-Nord macht Marko Unterauer für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen klar: Da der Ermittlungsdienst (EDA) sehr gut liefe, müsse das nötige Personal vermehrt werden. Das sieht Friedrich-Wilhelm Weber (CDU) im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt etc. (AKUSW) ähnlich: Der EDA als Erfolgsmodell müsse dauerhaft verstetigt, das Personal verdoppelt werden. Auch Brigitte Jülich, SPD-Fraktionsvorsitzende in der BV-Nord, spricht sich dafür aus, den Ermittlungsdienst wegen seines Erfolges als permanente Einrichtung zu etablieren.

Sonja Lemke, Fraktion Die Linke+ (Archivfoto) Leopold Achilles | Nordstadtblogger

In einem Zusammenhang mit speziellen sozialen Lagen möchte Die Linke+ die Müllentsorgungsproblematik begriffen sehen. Sonja Lemke weist für ihre Fraktion in der BV Innenstadt-Nord darauf hin, dass es nicht genüge, das Verhalten bestimmter Menschen als rein kriminelles Tun zu betrachten. Zur Bekämpfung des Mülls bräuchte es ebenso anderer Methoden wie Informationen, mehr Mülleimer oder eine Erhöhung der Leerungsintervalle.

Aus ihrer Sicht erfolgten viele Müllablagerungen „aus der Not heraus, dass nicht geleert wird bzw. zu wenig Eimer in den Wohnhäusern stehen“. Gewerbemäßigen Abfall zu kriminalisieren sei zwar richtig, nicht aber die Armut.

Wo unsachgemäße Entsorgung von Abfall „schlechten Lebensverhältnissen geschuldet ist, wo Abfuhr nicht oder nicht ausreichend ist“, da gälte: „Armut dürfen wir nicht kriminalisieren“. Analog plädiert Fraktionsgenossin Cornelia Wimmer dafür, dass „bei kaltschnäuzigem Müllentsorgen – da soll tatsächlich auch durchgegriffen werden“.

Vermüllen ist eine Ordnungswidrigkeit, keine Straftat

Dorian Marius Vornweg, CDU (Archivfoto) Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Aber, so die Vertreterin von Die Linke+, es gäbe eben auch „nicht sachgerechtes Entsorgen aus Unkenntnis oder dem Umstand heraus, weil man es immer sieht, dass das so gemacht wird. Es gibt Leute, die den Hinweis brauchen, dass es so nicht geht. Auch wir haben kein Verständnis für absichtsvolles Vermüllen und verwechseln das nicht mit Armut“.

Dorian Vornweg (CDU-Fraktionsvorsitz) sieht freilich keine Kriminalisierung der Müllentsorgungsmuffel: „Wir müssen nichts machen – das ist nicht kriminell, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Es ist nicht eine Frage der Armut, sondern der Rücksichtslosigkeit.“ Und fordert in der BV ebenso eine Entprojektisierung des EDA.

Ebenso mag Sozialdemokratin Jülich in der BV das Argument bestehender Zwänge durch fehlende materielle Möglichkeiten nicht gelten lassen: „Achtlos abgestellter Müll ist nicht nur Armut, nicht jeder Arme ist ein NuNKi (,Nacht-und-Nebel-Kipper‘). Nicht jeder, der die Möbel einfach auf der Straße abstellt, kann sich eine reguläre Entsorgung nicht leisten. Und nicht alle Tonnen sind voll, trotzdem stehen Tüten daneben. Für manches habe ich kein Verständnis.“

Streit um erzieherische Funktion des Projektes

Utz Kowalewski, Die Linke+ (Archivfoto) Thomas Engel | Nordstadtblogger

Bußgeldern und Informationen zur sachgerechten Entsorgung von Müll soll infolgedessen auch eine erzieherische Funktion zukommen. Das bezweifelt der Fraktionsvorsitzende von Die Linke+, Utz Kowalewski, im AKUSW : „Subjektiv hat sich nichts verändert und objektiv haben wir mehr Müll. Der erzieherische Effekt kann nicht belegt werden. Wir werden trotzdem zustimmen“, so der Sprecher der Linken.

Und fügt hinzu: „Erzieherisch wirksam wäre es nur, wenn die Menschen eine Alternative zur illegalen Entsorgung haben. In der Nordstadt haben wir immer wieder Situationen, wo ein Eigentümer die Müllabfuhr abbestellt, um Kosten zu sparen und Gewerbetreibende es billiger finden, ihren Müll irgendwo beizutun“, also an einschlägigen Containerstandorten.

Friedrich-Wilhelm Weber (CDU) hält im besagten Ausschuss für Klimaschutz dagegen: „Es geht nicht darum, Menschen zu kriminalisieren – das schon überhaupt nicht. Das ist absoluter Quatsch. Aber wir müssen sie erziehen, besser mit dem Abfall umzugehen. Die Bekräftigung nach dem Sperrmülltag ist obsolet – ist ja auf dem Weg, auch wenn es kein Ruhmesblatt ist, wie es gelaufen ist. Mehr Mülleimer sind nicht die Ursache für die Vermüllung.“

Weitere Informationen:

  • Tätigkeitsbericht und Zwischenevaluation des Ermittlungsdienstes Abfall – EDA, von Mai 2022: hier:
  • Beschlussvorschlag aus der Dortmunder Stadtverwaltung zur Verlängerung des Projektes „Ermittlungsdienst Abfall“ (EDA) um ein Jahr bis zum 31. August 2023 und Diskussion in den politischen Gremien der Stadt (BV und Fachausschüsse); hier:
  • Empfehlungen der politischen Gremien; hier:
  • Hinweise für den EDA, z.B. zu wiederkehrenden Müllstellen und aktuellen Abfallablagerungen im öffentlichen Raum nimmt die Stadt Dortmund unter ermittlungsdienstabfall@stadtdo.de und die EDG unter info@edg.de oder über die App „Dreckpetze“ gern entgegen.

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