Die Ukraine bleibt auch in der Kommunalpolitik das bestimmende Thema: Während die Stadt binnen weniger Tage drei weitere Not- bzw. Gemeinschaftseinrichtungen für Geflüchtete vorstellt, wird die Generalkonsulin der Ukraine morgen im Rat der Stadt Dortmund auf die Lage in ihrem Land und das Schicksal ihrer Landsleute hinweisen.
Der Rat beschäftigt sich mehrfach mit dem Thema Ukraine
Auf Einladung von Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal ist Iryna Shum, Generalkonsulin der Ukraine, am Donnerstag (31. März 2022) Gast der Ratssitzung in den Westfalenhallen (Beginn: 15 Uhr). Sie wird dann auch erläutern, wie die deutschen Städte die Ukraine in der aktuellen Situation weiterhin unterstützen können. Die Folgen des Krieges in und gegen die Ukraine sind auch Gegenstand weiterer Tagesordnungspunkte.
So haben die Fraktionen von SPD,Grünen, CDU, Linke+, FDP/Bürgerliste und „Die Fraktion – Die Partei“ eine Resolution zur Abstimmung gestellt. Sie verurteilt den „Angriffskrieg der Staatsführung der Russischen Föderation unter Wladimir Putin gegen die souveräne Ukraine und die ukrainische Bevölkerung aufs Schärfste und spricht Solidarität mit allen Menschen in der Ukraine aus“.
Zudem soll der Rat „die immer schärfere Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Russland“ verurteilen und „seine Solidarität gegenüber allen Russinnen und Russen aus(sprechen), die in diesen Tagen trotz aller Repressionen mit großem Mut für Frieden, Freiheit und Demokratie und gegen die Lügen ihrer Regierung demonstrieren oder bereits dafür im Gefängnis sitzen“.
Gleichzeitig wollen sich die beteiligten Fraktionen „bei den vielen Menschen aus Ehrenamt, Zivilgesellschaft und Stadtverwaltung für die große Einsatzbereitschaft beim Umgang mit und der Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine bedanken. Ohne sie hätte eine schnelle Bereitstellung von Unterkünften, Ansprechstellen und Infrastruktur zur Unterstützung nicht funktioniert“, heißt es weiter. „Dortmund hat wieder einmal gezeigt, dass man in Krisen zusammensteht und Menschen in Not hilft.“
Dortmund bekommt vom Land keine Geflüchteten zugewiesen
Die Stadt bereitet weiter die Schaffung weiterer Plätze für Geflüchtete vor. „Die Bilder ändern sich ja nicht. Der Krieg gegen Städte und die Zivilbevölkerung wird verschärft. Das gehört zu einer gewissen Systematik“, bedauert OB Thomas Westphal.
Daher werde auch der Zustrom der Menschen, die dann fliehen, anhalten. Angesichts der immer größeren Zerstörungen würden sich zunehmend mehr Geflohene die Frage stellen, ob sie in ihr Land zurückkehren können oder ob sie lieber hier bleiben. Klar ist nur: das Thema Geflüchtete wird nicht nur „kurz und heftig“.
Belastbare Zahlen gibt es kaum: Laut UN-Flüchtlingshilfswerk sind (Stand 26. März) 272.000 Menschen offiziell erfasst. Die reale Zahl dürfte aber weit höher liegen, da Menschen aus der Ukraine ohne Visa einreisen und sich legal für 90 Tage in der Europäischen Union aufhalten dürfen. Erst nach und nach – wenn die Menschen merken, dass sie nicht schnell zurückkehren können – werden sich dann alle registrieren.
Der Bund will die Geflüchteten – zumindest die, die um eine Unterkunft bitten – nach dem „Königssteiner Schlüssel“ entsprechend der Bevölkerungszahl auf die Bundesländer und von dort auf die Kommunen verteilen. Bei 272.000 Geflüchteten in Deutschland wären das für Dortmund 1967. „Da liegen wir deutlich drüber“, macht Feuerwehrchef Dirk Aschenbrenner, zugleich Leiter des städtischen Krisenstabs, deutlich. Daher wird Dortmund vorerst von Seite des Landes keine Geflüchteten zugewiesen.
Das bedeutet: Alle Flüchtlinge, die in Dortmund quasi „zufällig“, weil Dortmund ein Verkehrsknotenpunkt ist oder ihnen die Stadt aus anderen Zusammenhängen ein Begriff ist, ankommen, jedoch über keine Kontakte und Übernachtungsmöglichkeiten verfügen, werden nach Abstimmung mit dem Land in eine der Landeseinrichtungen gebracht und von dort anderen Kommunen zugewiesen.
Sozialamt kümmert sich um 4368 Menschen – nur 700 wohnen in städtischen Formaten
„Im NRW-Vergleich liegen wir sehr weit vorne“, so Aschenbrenner. Stand Dienstag (29. März) wurden 4368 Menschen durch das Sozialamt versorgt – 2469 Familien mit 1581 Kindern unter 18 Jahren. Im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes wurden bisher 1,3 Millionen Euro ausgezahlt. Nur für kurze Zeiträume, bis sie bei der Ausländerbehörde registriert sind.
Allerdings sind die meisten Menschen bisher in privaten Unterkünften untergekommen. „Nur“ rund 700 sind bisher in städtischen Unterbringungen. 60 Plätze waren dort am Dienstag noch frei – fast genauso viele wie in der vergangenen Woche, berichtet Sozialdezernentin Birgit Zoerner. Doch mit zunehmender Zeit werden es mehr Menschen werden – denn in den teils deutlich kleineren Nachbarstaaten sind deutlich mehr Geflüchtete als in Deutschland.
Allein in Polen sind 2,1 Millionen Menschen aus der Ukraine, in Rumänien 500.000 und in Moldawien 370.000. „Die Ströme aus der Ukraine reißen auch nicht ab. Die Menschen werden sicher weiter einen Weg nach Deutschland und damit nach Dortmund finden“, so Aschenbrenner. Daher tue Dortmund gut daran, seine Unterbringungskapazitäten systematisch hochzufahren, was derzeit auch mit Hochdruck passiert.
Notunterkünfte in der Sckellstraße und im ehemaligen Seniorenzentrum „Weiße Taube“
„Es gibt eine sehr sehr große Wahrscheinlichkeit, dass noch viel mehr Menschen kommen werden. Aber wir sind gut gerüstet“, macht Birgit Zoerner deutlich. Am heutigen Mittwoch wurde die neue Übergangseinrichtung in der Sckellstraße vorgestellt, am Donnerstag die Einrichtung im ehemaligen Seniorenzentrum „Weiße Taube“ in Kirchhörde.
Am heutigen Mittwoch wurde die Notfallunterkunft „Sckellstraße“ vorgestellt. Das Robert-Schuman-Berufskolleg ist bereits 2016 in die Nähe des Dortmunder-U umgezogen. Die Feuerwehr hat nun 20 ehemalige Klassenräume mit zehn bis zwölf Betten und Spinden ausgestattet. Dementsprechend könnten 200 bis 220 Menschen in der Sckellstraße untergebracht werden.
Ab wann die Unterkunft genutzt wird ist noch unklar, meinte der Leiter des Sozialamtes Jörg Süshardt. Aktuell wird mithilfe eines Interessenbekundungsverfahrens noch ein Betreiber gesucht. Im Laufe der nächsten Zeit sollen Container mit zusätzlichen Sanitäranlagen und Kochmöglichkeiten aufgestellt werden.
Im Notfall könnte die Unterkunft innerhalb von 72 Stunden aktiviert werden. Dann würde die Lebensmittelvorsorgung durch ein Cateringunternehmen erfolgen und es müssten Absprachen mit den Sportvereinen der nahegelegen Turnhalle bezüglich der Nutzung der Duschen erfolgen.
Die Stadt bereitet dezentral mehrere weitere Gemeinschaftsunterkünfte vor
Am kommenden Montag wird das Gebäude der ehemaligen AWO-Clearingstelle am Holzheck 16 in Eving als Übergangseinrichtung vorgestellt. Bei Bedarf können dort bis zu 56 Flüchtlinge eine zeitweise Unterkunft finden. Die AWO Dortmund wird die Einrichtung im Auftrag der Stadt Dortmund betreiben. Wann die Einrichtung öffnen wird, steht noch nicht fest.
Vor dem Einzug der ersten Bewohner:innen lädt Bezirksbürgermeister Oliver Stens die Nachbar:innen, die Mitglieder der Bezirksvertretung Eving sowie die beteiligten Akteur:innen am Montag, 4. April, um 16 Uhr zur „Stunde der offenen Tür“ ein. Sie ist eine der reaktivierten Einrichtungen, in denen schon früher Geflüchtete untergebracht wurden.
Weitere sollen folgen. Dazu gehören die Container an der Bonhoeffer-Grundschule bzw. der ehemaligen Hauptschule Derne und die ehemalige Hauptschule am Ostpark. Diese hatte die Stadt als „Reserve“ vorgehalten. „Eine Reaktivierung ist deutlich einfacher, als ein x-beliebiges Konzept neu am Markt zu starten“, macht Liegenschaftsdezernent Jörg Stüdemann deutlich.
Nutzungskonflikte oder Verzögerungen sieht er dadurch nicht. Denn die Leuthardstraße komme erst in „zwei bis drei Jahren in die Bearbeitung“. Im Klartext: Das Gebäude soll dann abgerissen und für einen Verwaltungsneubau Platz machen.
Viel zusätzliche Arbeit für die Sozialverwaltung und die Ausländerbehörde
Die Unterbringung ist nur eine Herausforderung, vor der die Stadt und die Geflüchteten stehen. Denn sie müssen sich ja auch versorgen können. Daher sind die Menschen beim Sozialamt vorstellig geworden, um Leistungen zu beantragen. Diese wurden aber nur für einen kurzen Zeitraum bewilligt – zunächst bis Ende März.
Allerdings ist deshalb nicht mit langen Schlangen vor der Sozialverwaltung in der Nordstadt bzw. in Hörde zu rechnen, wie es sie zu Beginn gegeben hatte. „Wir unterteilen die Menschen in zwei Gruppen – die Erstvorsprachen und die Folgevorsprachen. Die Folgetermine finden alle im Entenpoth in einem anderen Bereich als bisher statt. Hier können wir mit Terminsteuerung arbeiten“, erklärt Sozialdezernentin Birgit Zoerner.
Der kurze Bewilligungszeitraum liegt daran, dass die Menschen sich möglichst zeitnah auch bei der Ausländerbehörde melden sollen. Wer dort registriert ist, kann ein Konto und Bewilligungen über einen längeren Zeitraum bekommen. „Wir können dann die Zahl der Vorsprachen reduzieren“, so Zoerner.
Doch die Ausländerbehörde stellt einen Flaschenhals dar. Dort kann zwar die Anmeldung erfolgen – sie werden im Ausländerzentralregister eingetragen. Aber zur Registrierung gehört auch eine erkennungsdienstliche Behandlung, die im Normalfall 45 Minuten dauert. Allerdings gibt es nur eine Station, die auch schon im Normalbetrieb gut ausgelastet ist. Nun kommen mehr als 4000 Ukrainer:innen hinzu.
Daher wartet die Stadt auf Unterstützung durch Land und Bund. Dort gibt es mobile Teams mit 30 Geräten, die die Kommunen unterstützen sollen. Für die Ukrainer:innen wurden zudem die Regelungen vereinfacht: Statt alle werden nur die Abdrücke von vier Fingern erfasst. Außerdem werden Kinder unter 14 Jahren nicht erkennungsdienstlich behandelt, berichtet Ordnungsdezernent Norbert Dahmen.
Das Sozialamt passt seinen Wochenend-Service in Hörde an
Das Sozialamt passt seine Öffnungszeiten für die Angelegenheiten der Flüchtlinge aus der Ukraine weiter der aktuellen Lage an. „Wir können – ohne unseren Service für die Flüchtlinge einschränken zu müssen – auf die bisherige Öffnungszeit am Sonntag in Hörde verzichten“, sagt Jörg Süshardt, Leiter des Sozialamtes.
„Die Anzahl der Neuanträge sinkt immer weiter. Am vergangenen Sonntag kamen nur 13 Flüchtlinge und stellten ihre Anträge. Daher werden wir unsere Angebote weiter dem Bedarf anpassen und bündeln. Zu den Servicezeiten montags bis samstags können wir auf diese Weise unsere Teams verstärken, die sich jetzt vor allem um die weitere Bewilligung bereits gestellter Anträge kümmern“, erläutert Süshardt weiter.
Ab sofort sind die Teams an den beiden Standorten Entenpoth 34 und Leopoldstraße 16-20 zu den folgenden Zeiten persönlich erreichbar:
Entenpoth 34: montags bis freitags von 8 bis 16.30 Uhr und samstags von 8 bis 12 Uhr.
Leopoldstraße 16-20: montags bis freitags von 8 bis 16.30 Uhr (Ausnahme: am kommenden Freitag, 1. April! Aufgrund von Reparaturarbeiten am städtischen Netzwerk wird leider nur bis 12 Uhr geöffnet werden können.)
Neuanträge können an beiden Standorten gestellt werden. Zu weiteren Gesprächen – sollten sie notwendig sein – erhalten die Betroffenen dann Termine für den Standort Entenpoth 34.
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Benefizkonzert für die Ukraine in der Lutherkirche in Hörde (PM)
Am Samstag, 2. April findet um 16 Uhr in der Lutherkirche, Kanzlerstr. 2-6 ein Benefizkonzert für geflüchtete Familien aus der Ukraine statt. In einem abwechslungsreichen Programm bieten die Musiker und Musikerinnen des Hörder Instituts für musikalische Bildung unter der Leitung von Corinna Guzinski ein breites Spektrum von klassischer, romantischer und populärer Musik auf einer Vielzahl von Instrumenten. Es ist ein Konzert, dass für alle Altersgruppen offen ist, auch und besonders gerne für Kinder! Die Spenden, die am Schluss gesammelt werden, gehen an eine Initiative der Städtischen Klinken Dortmund. Familien, die mit schwer erkrankten Kindern zu uns geflüchtet sind, brauchen schnellstmöglich Wohnraum und alles, was dazu gehört. Sie können mit immungeschwächten Kindern und Jugendlichen nicht in Massenunterkünften wohnen und sind dringend auf Hilfe angewiesen. Infos unter http://www.imbmusikbildung.de und http://www.hoerde-evangelisch.de
WHH: Literatur und Musik zur aktuellen Situation in der Ukraine (PM)
Das in Kooperation mit der Stadt- und Landesbibliothek angebotene Literaturcafe nimmt im April Bezug auf die aktuelle Situation in der Ukraine. Sigrid Rathke und Ursula Vieth- Cheshire lesen Antikriegsliteratur, Kurzgeschichten und Ausschnitte aus berühmten Friedensreden. Musikalisch wird die Lesung vom Pianisten Tobias Bredohl begleitet, der eine Auswahl an Stücken mit hoffnungsvollem Grundton spielen wird. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 07. April um 15.00 Uhr im Wilhelm-Hansmann-Haus, Märkische Str. 21, 44141 Dortmund statt. Eine Anmeldung ist unter der Telefonnummer 0231-50 23 357 oder WHH@stadtdo.de erforderlich. Der Eintritt kostet einen Euro.